Kinder ja oder nein – in der Zahnarztpraxis ist es da genau wie im „wahren Leben“

Bei Kindern in der Praxis scheiden sich dei Geister. Foto: Initiative ProDente

Bei Kindern in der Praxis scheiden sich dei Geister. Foto: Initiative ProDente

Es gibt Kollegen, die mit Hingabe Kinder jeden Alters behandeln, und solche, die froh sind, wenn diese allenfalls zur Behandlung der Mutter mitkommen und am besten ruhig in der Spielecke bleiben. Das ist für sie schon „schlimm genug“. Eine Praxis für Kinderzahnheilkunde wäre für sie der pure Horror … Deshalb sollten junge Assitenzzahnärzte, die über ihre weitere Spezialisierung nachdenken, tief in sich gehen und ausloten, wie sie das sehen.

Doch warum scheiden sich gerade bei Kindern als Patienten so sehr die Geister? Begriffe wie süß, niedlich und herzerfrischend oder anstrengend, nervtötend und zappelig reichen zur Erklärung dieses Phänomens wohl nicht aus.

Auf der einen Seite sind Kinder sehr dankbare Patienten und bringen mit ihrer fröhlichen Art frischen Wind in jeden Praxisraum. Kinder beschweren sich auch nicht nach der Behandlung wie etwa die Prothetikpatientin, die zehn Mal in zwei Wochen auf dem Behandlungsstuhl sitzt, weil ihr die Farbe der neuen Krone im Tageslicht doch etwas zu gelblich erscheint.

Hauptsache, die Behandlung tut dem kleinen Patienten nicht weh! Die Behandlungsaufgaben beim Kind sind auch nicht so kompliziert wie bei einem erwachsenen Paro-Chirurgie-Prothetik-Fall, der eines ausgeklügelten interdisziplinären Konzepts bedarf sowie einiger vorgeschalteter mikroskopunterstützter Endo-Behandlungen.

Ein paar kleine Füllungen, Überwachung des Zahnwechsels und Prophylaxemaßnahmen … Doch das kindliche Gemüt kann für diese scheinbar leichten zahnärztlichen Aufgaben zu einer größeren Hürde werden als eine Implantation in unmittelbarer Nähe des Nervenkanals. Die meisten Kinder lassen ihren Emotionen im Zahnarztstuhl freien Lauf – da wird geschrien, wenn es weh tut, und gewimmert, wenn die Angst kommt. Ist ja auch natürlich. Und mal ganz ehrlich – welcher erwachsene Patient möchte nicht auch manchmal ganz aus sich herausgehen, wenn der Bohrer sirrt?

Ein weiteres Problem bei der Behandlung der lieben Kleinen ist, dass viele Kinder im Behandlungsstuhl schwer zu beruhigen sind – mit ADHS oder auch ohne.

Doch was soll man da tun? Die Karies muss ja exkaviert und die Füllung gelegt werden. Auch unter erschwerten Bedingungen mit einem schreienden, sich windenden Kind. Hoffen auf Hilfe durch die Eltern? Fluch oder Segen, lautet hier die Frage. Manchmal ja, manchmal nein, lautet die Antwort. Die beruhigende Hand einer Mutter kann schon mal Wunder wirken, doch in vielen Fällen bauen die Eltern ganz auf die Fähigkeiten des Zahnarzts.

Es gibt sehr angenehme Eltern, die eine erfolgreiche und kompetente Behandlung ihrer Kinder unterstützen. Dann gibt es aber auch diejenigen, die froh sind, wenn der Zahnarzt mal sagt, dass der kleine Kevin jetzt mal endlich aufhören soll herumzuwibbeln. Auch beim Thema Zähneputzen wird der Zahnarzt gerne flüsternd gebeten „ruhig mal mit der Chiara zu schimpfen“, damit das Zähneputzen kein allabendlicher Streitpunkt mehr ist und Chiara endlich ohne Drama ihre Zähne putzt. So weit geht man als Behandler ja noch gerne mit.

Unschön wird es, wenn die Eltern im Zahnarzt nicht einen Verbündeten, sondern den Feind sehen. Wenn sie auf den Hinweis, das Kind müsse die Zähne besser putzen, anfangen, vehement zu argumentieren, und sich folgender Disput entspinnt: „Das kann nicht sein, unsere Estelle-Sophie putzt dreimal täglich fünf Minuten die Zähne!“ … „Ja, aber sehen Sie, wir haben ja gerade mit Färbelösung angefärbt, und das klinische Bild ist eindeutig.“ … „Das kann nicht sein. Ich bin doch immer dabei, wenn Joshua putzt!“ Ab da wird es gemein, denn ein Gegenargument mehr – und man bezichtigt die Mutter unweigerlich als inkompetente Erziehungsberechtigte oder gar als Lügnerin.

Dem Jungzahnarzt mit Wunsch nach Spezialisierung muss also klar sein, dass er bei der Behandlung von Kindern nicht nur einen kleinen Patienten hat, der schwierig oder leicht zu handlen ist, sondern mit Mutter und Vater gleich zwei oder gar drei Patienten. Die Kunst ist es, diese „Patientengruppe“ so zu behandeln, dass am Ende alle zufrieden sind – mit der Behandlung sowie verbal und psychologisch. Und vielleicht konnte der Zahnarzt sogar zum gemeinsamen häuslichen Frieden beitragen. Also – entweder man liebt die
Kinderbehandlung oder eben nicht.
Dr. A. Watson

 

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