Sich mit einer barrierefreien Praxis positionieren

Biance Beck / Foto: Beck

Biance Beck / Foto: Beck

Der Begriff des demografischen Wandels lässt sich mit zahlreichen Inhalten füllen. Hierzu zählen die schrumpfende Gesellschaft genauso wie Veränderungen der politischen und sozialen Strukturen. Besonders häufig wird die sogenannte alternde Gesellschaft assoziiert. Dabei haben wir es aber nicht nur mit einer theoretischen Annahme oder einer vagen Prognose zu tun, sondern mit der Realität, die uns schon jetzt im alltäglichen Leben begleitet. Das haben die Politik und die Industrie schon lange erkannt, und auch in der Medizin spielt die Generation 50+ eine immer wichtigere Rolle. Kein Wunder, da ältere Menschen bedingt durch Gebrechlichkeit und häufige Krankheitsbilder mehr Berührungspunkte mit dem medizinischem Dienstleitungssektor haben als jüngere.

Vor allem die Zahnmedizin ist hiervon stark betroffen. Denn die Generation 50+ legt heute besonderen Wert auf den Erhalt von Lebensqualität, und hier spielt der Zahn-, Mund- und Kieferbereich eine wichtige Rolle. Der ältere Patient achtet bei der Wahl seiner Zahnarztpraxis auf verschiedene Qualitätsmerkmale. Eine zentrale Rolle spielt hierbei die Barrierefreiheit. Denn was nützt einem eine noch so schicke und renommierte Praxis, wenn man zum Beispiel mit Rollstuhl keinen Zugang findet? Das Bewusstsein für solche Kriterien wächst bei den Patienten zunehmend, und so wechseln sie oft die Praxis, weil sie schon früh an später denken. Ein Leitspruch, den sich auch die Zahnarztpraxen zu Herzen nehmen sollten. Denn wer heute eine Praxis plant, neu gestaltet oder von einem älteren Kollegen übernimmt, muss sich immer fragen: Was bietet meine Praxis älteren Patienten? Im Folgenden wird auf verschiedene Aspekte dieser Thematik eingegangen, von der Standortanalyse bis zur Barrierefreiheit der Behandlungsräume.

Der Weg zur Praxis
Wer beschließt, eine Praxis neu zu gründen oder eine bestehende zu übernehmen, sollte sich zunächst mit der Lage derselben beschäftigen. Die Standortanalyse beinhaltet nämlich schon wichtige Aspekte, eine barrierefreie, beziehungsweise altersgerechte Zahnarztpraxis zu erwerben. So stellt sich zuerst die Frage: Wie gut ist die Praxis an die umliegende Infrastruktur angebunden? Dabei ist es von Vorteil, wenn es im näheren Umkreis Bus-, S-Bahn- oder sonstige Haltestellen gibt, deren Nutzung es dem Patienten ermöglicht, den Weg zur Praxis ohne großen Aufwand zu bestreiten. Des Weiteren sollte der Weg gut ausgeschildert sein und vor der Praxis selbst Behindertenparkplätze zur Verfügung stehen. Auch eine ausreichende Beleuchtung sollte vorhanden sein.
Kann ein älterer Patient den Weg zur Praxis ohne große Hürden nehmen, ist schon mal viel gewonnen. Doch muss auch der Zugang zur Praxis gewisse Voraussetzungen erfüllen. So sind Treppen aus Sicht eines Rollstuhlfahrers oder eines Patienten mit Gehbehinderungen ein fast unüberwindbares Hindernis. Deshalb muss an diesen Stellen für Alternativen, zum Beispiel Rampen, gesorgt werden. Führt der Weg in die Praxis über eine längere Treppe, bietet sich ein Treppenschrägaufzug an. Bei der Standortanalyse sollte immer geprüft werden, ob ein solcher Treppenlift auch angebracht werden kann. 
Die Eingangstür sollte nicht zu schwer sein und groß genug, um einem Rollstuhlfahrer problemlos Zugang zu gewähren. Türhenkel und Klingel sollten nicht zu hoch angebracht sein. Im optimalen Fall öffnet und schließt die Tür automatisch.
Führt der Weg zur Praxis durch einen ausgedehnteren Eingangsbereich, ist zu beachten, dass dieser stets gut beleuchtet ist und Schilder gut lesbar sind. Hierbei sollten eine große Schrift sowie starke Kontraste verwendet werden, und sie sollten auf Augenhöhe des Patienten sein.

In der Praxis
Ist der Patient in der Praxis angekommen, trifft er in der Regel zunächst auf den Anmeldebereich. Im Vordergrund steht hier der Kontakt zum Patienten. Dazu gehört auch der Sichtkontakt am Anmeldetresen. Deshalb bietet es sich an, einen Teil des Tresens abzusenken, um auch mit Rollstuhlfahrern auf Augenhöhe sprechen zu können. Weiterhin ist es von Vorteil, etwas mehr Fläche zum Manövrieren oder Abstellen von Gehhilfen einzuplanen. 
Das gilt auch für alle weiteren Räume der Praxis und den Wartebereich. Hier ist es allerdings noch wichtig, zusätzlich auf komfortable Sitzmöglichkeiten zu achten.

Diese sollten für ältere Patienten nicht nur bequem sein, sondern ihnen auch einfaches Aufstehen ermöglichen. Schick nicht immer gleich praktisch – das gilt vor allem für Glaswände und sonstige Glasflächen. Diese sehen zwar gut aus, bergen aber eine Gefahr für sehbehinderte Menschen, die sie oft zu spät erkennen. Will man auf Glaswände nicht verzichten, sollte man sie klar kennzeichnen, sie zum Beispiel mit Aufklebern versehen. 
Elektronische Schiebetüren in der Praxis sind dagegen nur bedingt nötig. Praktisch ist eine solche am Eingang sowie im Sanitärbereich, hier vor allem, um Platz zu sparen. Die Beratungs- und Behandlungsräume bedürfen einer solchen Ausstattung nicht, da der Patient ohnehin von einer Mitarbeiterin dorthin gebracht und wieder abgeholt werden sollte. Bei den sanitären Anlagen sollte man außerdem beachten, dass sie ausreichend Platz zum Umsetzen bieten und entsprechende Griffe an den Wänden befestigt sind.
Service und Co.

Ältere Patienten bedürfen nicht nur bei der äußerlichen Planung einer Zahnarztpraxis besonderer Berücksichtigung, auch der Service der Praxis sollte sich an den Herausforderungen des Alters orientieren. So kann es, auch wenn Sie alle oben genannten Aspekte beachtet haben, passieren, dass ein älterer Patient nicht in der Lage ist, die Zahnarztpraxis aufzusuchen. Ein Hol- und Bring-Service leistet hier Abhilfe. Kann ein Patient seine Wohnung gar nicht mehr verlassen, können Sie ihn auch zu Hause ambulant versorgen. Hierfür gibt es spezielle mobile Behandlungseinheiten. 
Besonders hilfreich in der Praxis selbst sind Nackenrollen während der Behandlung oder Lesebrillen am Tresen oder im Wartezimmer. Bei älteren Patienten sollten Termine auch elekronisch, also per Mail oder über die Homepage, ersatzweise auch per SMS, vereinbart werden. Damit trägt man dem Umstand der wachsenden Hörschwäche Rechnung und der Patient hat zusätzlich die Möglichkeit, Datum und Uhrzeit jederzeit einzusehen. Schriftliche Bestätigungen sind somit immer von Vorteil. Werden Patienten betreut, sollte auch immer der Betreuer mit einbezogen werden.

Fazit
Bei Gründung oder Übernahme einer Praxis gibt es also viel zu beachten. Dass sich der Großteil hierbei mit der wachsenden Patientengruppe 50+ beschäftigt, trägt nur dem demografischen Trend Rechnung und darf keinesfalls unterschätzt werden. Treppenlift und Co. erscheinen vor allem Neugründern zunächst vielleicht als kostspielige Anschaffung, werden sich später aber als Investition in die Zukunft beweisen. Denn die Gesellschaft wird nicht jünger werden – und deshalb sollte man möglichst früh bereits an später denken.

Bianca Beck, Meisenheim

Zur Person
Bianca Beck ist Geschäftsführerin der Beck+Co. – Agentur für Marketing, Coaching, Training in Meisenheim (www.beckundco.info). Sie ist ausgebildete Zahnmedizinische Fachassistentin, Praxismanagerin und Kommunikationstrainerin und verfügt über mehrjährige Erfahrung sowohl in leitender Position in Zahnarztpraxen als auch als Praxistrainerin in Arzt- und Zahnarztpraxen.

 

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