Moderne Kinderzahnheilkunde – Mit geschicktem Praxismanagement ist die Kinderbehandlung eine Bereicherung für den Praxisalltag

Kinder mit völlig zerstörten Milchgebissen stellen sich immer häufiger in den Zahnarztpraxen vor. Foto: ProDente

Kinder mit völlig zerstörten Milchgebissen stellen sich immer häufiger in den Zahnarztpraxen vor. Foto: Initiative ProDente

Wenn man Studien der DAJ (Deutsche Arbeitsgemeinschaft der Jugendzahnpflege e.V.) verfolgt, dann weisen viele Kinder immer noch unbehandelte Karies auf. Kinder mit völlig zerstörten Milchgebissen stellen sich immer häufiger in den Zahnarztpraxen vor, sind zudem nicht selten jünger als zwei Jahre. Das ist erschreckend und alarmierend.

Im Zahnmedizinstudium ist die Ausbildung im Bereich der Kinderzahnheilkunde an vielen Universitäten häufig noch sehr kläglich und theoretisch angelegt. Viele Studenten haben nach Beendigung ihres Studiums nicht ein einziges Mal einen „kleinen“ Patienten behandelt. Einen „Nursing-Bottle“-Fall mit einer ECC 3 (Early Childhood Caries) kennen sie nur aus Vorlesungen, und in ihrer Assistentenzeit geraten sie dann leider schnell an ihre Grenzen.

Kinder in einer Zahnarztpraxis stellen eine große Herausforderung für das gesamte Praxisteam dar. Um erfolgreich Kinderzahnheilheilkunde betreiben zu können, bedarf es fundierter fachlicher Kompetenz des Zahnarztes oder der Zahnärztin in der Kinderzahnheilkunde. Ebenso wichtig ist eine natürliche, ehrliche Sympathie für Kinder. In erster Linie müssen das Kind und die Eltern spüren, dass sie willkommen sind, dass sie gemocht und ernst genommen werden.

Wenn Kinder den Behandler schnell aus der Ruhe bringen, den Praxisalltag stören, das Team enorm stressen, die fachliche Kompetenz nicht vorhanden ist, dann sollte die Praxis auf das Behandeln von Kindern vielleicht verzichten. Hat man allerdings Freude im Umgang mit den kleinen Patienten, wird durch geschicktes Praxismanagement die Kinderbehandlung eine große Bereicherung für den Praxisalltag sein.

Kindersprechzeiten
In einer Zahnarztpraxis, in der für alle Patientengruppen die gesamte Zahnheilkunde angeboten wird, empfiehlt es sich, eigene Sprechzeiten für Kinder einzuräumen. Denn Kinder bedeuten zwangsläufig auch mehr Menschen im Wartezimmer. Die kleinen Patienten kommen nicht allein: Da sind Eltern, Geschwister und Verwandte, die das Kind begleiten. Es kann vorkommen, dass zu einem Patienten drei bis vier Familienangehörige gehören. Und die erobern nun das Wartezimmer. Sitzen dort auch ältere Patienten, kann dies schon Stress für alle bedeuten.

Dies ist nicht nur durch herumliegendes Spielzeug begründet, über die der ältere Patient steigen muss, auch der erhöhte Lautstärke-Pegel sollte dabei nicht unterschätzt werden. Da wird gespielt, gelacht, gestritten, getobt. Und nicht selten fühlen sich gerade ältere Patienten dann gestört, oder Patienten mit starken Schmerzen empfinden solch eine Situation verständlicherweise als zusätzliche Belastung. Eine vermeidbare Situation! Eine geschulte, ruhige Mitarbeiterin an der Rezeption und eingeplante Kindersprechzeiten lassen solche Situationen gar nicht erst oder nur ganz selten aufkommen.

Des Weiteren sollten Neuaufnahmen in den Vormittag gelegt werden. Dies gilt auch für schulpflichtige Kinder. Denn für jeden neuen kleinen Patienten sollte genügend Zeit und Ruhe eingeräumt werden. Ein sehr ausführlicher Anamnese- und Ernährungsbogen sollte den Eltern schon ein paar Tage vor dem Erstbesuch zugeschickt werden. Die Eltern kommen gut vorbereitet in die Praxis und haben sich schon mit den wichtigsten Fragen der Erstbehandlung auseinandergesetzt. Die Mitarbeiterin kann dann zügig die Patientendaten eingeben.

Eine halbe Stunde ist mit Untersuchung und Beratung schnell vorüber. Die Zeit, die in dieser ersten Sitzung investiert wird, wird später bei gut trainierten Kindern und Eltern wieder eingespart. Und ein gutes Vertrauensverhältnis ist das Entscheidendste. Ist es vorhanden, so ist eine Weiterempfehlung der Praxis meist garantiert.

Die kindgerechte Praxiseinrichtung
Die Praxisräume müssen nicht aufwendig gestaltet werden, aber kleine Details sind unverzichtbar. Die Rezeption beziehungsweise der Empfangstresen darf sich dem kleinen Patienten nicht wie eine sich auftürmende Mauer präsentieren. Bereiche, in denen die Mitarbeiterin auch für Kinder sichtbar wird, sind sehr hilfreich. Wenn diese Mitarbeiterin dann auch noch ein strahlendes Lächeln zeigt – wer fühlt sich da nicht willkommen?

Für die Bedürfnisse der Kinder ist eine Spielecke im Wartezimmer enorm wichtig. Mal-Utensilien, altersgerechte Bücher und Zeitschriften, Autos und Legosteine sind nur einige Beispiele. Die Spielsachen sollten regelmäßig auf ihre Funktion hin überprüft werden. Kaputtes Spielzeug, alte Zeitschriften und zerrissene Bücher machen keinen guten Eindruck. Auch muss das Wartezimmer mehrmals am Tag aufgeräumt werden.

Im Spielbereich sind die Kinder während der Wartezeit beschäftigt, und für die Eltern wirkt eine Tasse Kaffee oder Tee oft entspannend und beruhigend. Von den Kindern gemalte, farbenfrohe Bilder an den Wänden dürfen ebenso wenig fehlen wie eine Wickelmöglichkeit und ein kleiner Tritt im Patienten-WC. Alles andere hängt sehr von den räumlichen Möglichkeiten und der eigenen Fantasie ab.

Qualifizierte Mitarbeiter
Mitarbeiterinnen sollten einfühlsam, geduldig und kooperativ mit Kindern arbeiten können. Eine eigens für die Kinderprophylaxe ausgebildete Mitarbeiterin ist unverzichtbar. Langjährige erfahrene Prophylaxemitarbeiterinnen besetzen diese Stelle ideal, denn Kinderprophylaxe ist in keiner Weise einfach. Die prophylaktische Betreuung von Kindern wird häufig als besonders leicht angesehen und dient den Anfängerinnen oft als Einstiegsthema in ihre prophylaktische Arbeit. Aber eigentlich ist es gerade die Betreuung von Kindern, die aufgrund der verschiedenen Altersstufen ein hohes Maß an Fachkenntnis und kommunikativer Fähigkeit erfordert. Spätestens, wenn interessierte Eltern kritische Fragen stellen, wird es schwierig.

Alles in allem sind Kinder eine dankbare und erfüllende Patientengruppe. Sie fordern das Praxisteam immer wieder aufs Neue. Aber nimmt man sie ernst und belegt auch im Bereich der Kinderzahnheilkunde Fortbildungen, folgen den zufriedenen kleinen Patienten bald auch deren erwachsene Verwandte.
Sabine Runge, Kiel

 

Zur Autorin:
Dr. Sabine Runge ist zertifizierte Zahnärztin der Kinder- sowie Jugendzahnheilkunde und gründete im Jahr 2002 die Gemeinschaftspraxis Runge & Runge in Kiel. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Zahnmedizinischen Fachhelferin und studierte Zahnmedizin an der Kieler Christian-Albrechts-Universität. Die Assistenzzeit absolvierte sie an der ZMK-Klinik in Kiel, in der Abteilung Zahnerhaltung, mit dem Hauptschwerpunkt Kinderzahnheilkunde. Im Jahr 2000 erfolgte die Promotion. Bereits seit 1998 arbeitet sie eng mit den Hebammen der Uni-Frauenklinik Kiel zusammen. Dr. Sabine Runge ist Mitglied im Prüfungsausschuss der Zahnärztekammer Schleswig Holstein, referiert im Bereich der Kinder- und Jugendzahnheilkunde und ist Mutter von vier Kindern.

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