Das Telefon ist für die meisten Patienten nach wie vor das Kommunikationsmittel mit der Zahnarztpraxis. Und auch hier gilt: Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. Das interaktive, praktische Telefontraining in der Arztpraxis ist eines der Spezialgebiete von Christine Rieder, selbstständig tätige Praxis- und Unternehmensberaterin. In einer kleinen Artikelserie hat sie aus ihrem neuen, speziell für Zahnarztpraxen geschriebenen Fachbuch Praktisches Telefontraining für den Zahnarzt und sein Team einige wichtige Aspekte zusammengefasst. Ging es in den Teilen 1 bis 3 dieser kleinen Serie grundsätzlich um das Telefon als Visitenkarte der Praxis, die Bedeutung der Stimme und die Vor- und Nachteile von Standards, steht abschließend das wichtige Thema „Umgang mit Beschwerden“ im Fokus.
Ein warmer Tag macht noch keinen Sommer – und so ist es auch mit dem professionellen Verhalten im Patienten- und Kundenkontakt am Telefon. Die Herausforderung liegt in der Kontinuität des sachkundigen Verhaltens. Besonders in einer Beschwerdesituation ist die ganze Professionalität am Telefon gefordert. Auf einen sympathischen Anrufer freundlich zu reagieren bedeutet noch keine große Herausforderung, aber mit einem aufgebrachten und ärgerlichen Anrufer umzugehen, erfordert den Kommunikationsprofi.
Begrifflichkeiten „Reklamation“ und „Beschwerde“
In der umgangssprachlichen Verwendung weden „Beschwerde“ und „Reklamation“ gleich bedeutend verwendet. Juristisch betrachtet gibt es jedoch Unterschiede.
„Reklamation“ ist laut Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) Paragraf 434 ein Sachmangel oder Fehler bezogen auf das Produkt. „Reclamare“ (lateinisch) heißt re = zurück, clamare = rufen. Bei Reklamationen wird etwas zurückgerufen beziehungsweise zurückgefordert. In der Medizin bedeutet dies ein Recht auf Nachbesserung.
Die „Beschwerde“ wird umgangssprachlich meist als Rüge eines Fehlverhaltens aufgefasst. Aus juristischer Sicht ist sie ein Rechtsbehelf gegen Entscheidungen, Beschlüsse und Maßnahmen einer Behörde oder eines Gerichts.
Reklamieren kann man ein Produkt, beschweren kann man sich über ein Verhalten. Beschwerden und Reklamationen haben unterschiedliche Eskalationsstufen, es geht von der persönlich geäußerten Unmutsäußerung bis hin zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Für die Kundenzufriedenheit ist es zielführend, eine Beschwerde/Reklamation frühzeitig pro-aktiv zu behandeln.
Beschwerden und Reklamationen lösungsorientiert bearbeiten
Der Profi hat eine ganz spezielle Einstellung zu Anrufern mit Beschwerdeverhalten: Er sieht die Beschwerde als ein Geschenk des Vertrauens von Kunden. Dadurch, dass der Kunde/Patient sich in der Praxis meldet und sich über etwas beschwert, zeigt er, dass er Vertrauen in die Lösungsfähigkeit des Zahnarztes und seines Praxisteams hat. Er traut ihnen also eine positive Wendung der Situation zu, so dass beide Seiten die Chance zur Erzielung eines guten Ergebnisses haben.
Aus diesem positiven Blickwinkel heraus gestaltet sich das Verhalten des sich beschwerenden Anrufers wesentlich verständnisvoller und positiver. Diese zugewandte emotionale Grundhaltung wirkt sich besonders stark auf die stimmlichen Faktoren aus. Vor diesem Hintergrund und mit dieser Einstellung gelingt es den Mitarbeitern, ihrer Stimme in Beschwerdegesprächen einen freundlich-bestimmten und kooperativen Tonfall zu geben.
Schlimmer als eine Beschwerde ist es für die Praxis, wenn der Patient/Kunde sich nicht beschwert und einfach stillschweigend die Praxis wechselt. Laut Statistik teilen nur 5 Prozent der Kunden ihre Unzufriedenheit mit. 95 Prozent der unzufriedenen Kunden wechseln aufgrund der Beschwerde die Praxis. Hinzu kommt, dass jeder unzufriedene Kunde über seine negativen Erfahrungen mit acht bis sechzehn anderen Personen darüber spricht, die wiederum andere Menschen darüber in Kenntnis setzen.
Jedoch haben nach einer erfolgreich bearbeiteten Beschwerde 87 Prozent der Kunden eine Wiederkaufsabsicht und empfinden eine stärkere Bindung an das Unternehmen. So ist eine sorgfältige Beschwerdebearbeitung die große Chance, den Kunden/Patienten an die Praxis verstärkt zu binden, wenn an die Situation mit Kompetenz, Einfühlungsvermögen und Lösungswillen auf beiden Seiten herangegangen wird.
Die Kunden-/Patientenbeziehung ist vergleichbar mit einer privaten Beziehung. Wird in einer privaten Beziehung eine Krise gemeinsam gemeistert, so wächst die Beziehung durch diese Erfahrung und die Verbindung zueinander wird stärker. Man weiß jetzt, dass man auch Krisen gemeinsam durchstehen kann. Diese Gewissheit hat dann auch Ihr Patient und Kunde mit der Praxis gewonnen, seine Bindung wird somit intensiver.
Verhaltensleitfaden für Beschwerden und Reklamationen
Ein kommunikatives Handwerkszeug in Form eines Leitfadens ist eine hilfreiche Unterstützung, um sein persönliches Verhalten in der Situation systematisch selbst zu steuern. Ein bekannter Spruch wird in diesem Zusammenhang häufig zitiert: „Wie es in den Wald hineinruft, so schallt es zurück!“ Dies ist ein Killer-Spruch für jegliches kompetentes Verhalten und bedeutet, dass man auf das unfreundliche oder aggressive Agieren des Anrufers ebenso reagiert. Die Kunst liegt jedoch darin, den Anrufer einfühlsam und freundlich aufzufangen und gemeinsam eine Basis für eine Lösung herzustellen.
Die Gründe für eine Beschwerde sind sehr vielfältig und gehen von Beschwerden über einen zu späten Termin bis hin zu Abrechnungsbeschwerden.
Typische Patienten-Beschwerdethemen am Telefon sind:
- Motzen (noch keine richtige Beschwerde, findet mehr „unterschwellig“ statt),
- Erstattungsprobleme,
- Probleme mit Rechnungen jeglicher Art,
- Terminprobleme – zu spät oder nicht zu gewünschtem Termin,
- medizinische Probleme nach der Behandlung.
Die zehn Verhaltenskiller am Telefon in Beschwerdesituationen
- Den Anrufer mit den Sätzen beschwichtigen: „Jetzt regen Sie sich doch nicht so auf!“ oder „Jetzt beruhigen Sie sich doch!“ – Das bringt den Anrufer erst richtig in Wut. Er empfindet seine Aufregung als berechtigt und Sie sprechen sie ihm damit ab.
- Einen Tonfall wählen, der beschwichtigend klingt und indirekt vermittelt: „Jetzt regen Sie sich doch nicht so auf!“
- Dem Anrufer ins Wort fallen bei seinen Ausführungen.
- Die Suche nach dem „Schuldigen“ und eine „Rechtfertigungsarie“.
- Den unfreundlichen Tonfall des Anrufers übernehmen.
- Den Anrufer „von oben herab“ zurechtweisen.
- Die Beschwerde nicht ernst nehmen.
- Einen überfreundlichen Tonfall anschlagen und dem Anrufer das Gefühl geben, dass Sie sich über ihn lustig machen.
- Verantwortung für den Fehler auf Dritte schieben – sich herausreden.
- Getroffene Vereinbarungen nicht einhalten.
Es gilt also, auf sachlicher und emotionaler Ebene richtig zu agieren. Sachliche Ebene: Bei Beschwerden geht es um das Klären von Fakten und um das Finden von gemeinsam tragbaren Lösungen. Emotionale Ebene: Das Entgegenbringen von Verständnis und Respekt auf Augenhöhe.
Bestimmen Sie im Beschwerdefall selbst aktiv Ihr persönliches Verhalten und Vorgehen entsprechend Ihrem eingangs festgelegten persönlichen Wirkungs-, Verhaltens- und Gesprächsziel, so dass Sie aktiv selbst die Weichen positiv für die Lösungen stellen. Eine Beschwerde ist immer die Chance zur Stärkung der Patienten-/Kundenbeziehung.
Christine Rieder, Starnberg