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Arbeitsverträge in der Zahnarztpraxis – Teil 1: Stellenanzeigen und Bewerberauswahl

RA Jens Pätzold [1]

RA Jens Pätzold

Grundsätzlich müssen Arbeitsverträge nicht schriftlich geschlossen werden. Aber im Konfliktfall ist es für alle Seiten günstig, Abmachungen schwarz auf weiß zu haben. Eine schriftliche Fixierung der mündlich getroffenen Abmachungen schränkt zudem mögliche Missverständnisse ein. Die inhaltliche Gestaltung von Arbeitsverträgen ist an keine Vorgaben gebunden. Allerdings hat der Gesetzgeber einen Mindeststandard der Arbeitsbedingungen für den Arbeitnehmer festgeschrieben.

Die Tätigkeit eines Zahnarztes bringt es zwangsläufig mit sich, dass Mitarbeiter beschäftigt werden. Nicht selten beginnt die Selbstständigkeit eines Zahnarztes mit der Beschäftigung des jeweiligen Lebenspartners/Ehepartners als erstem Mitarbeiter. Regelmäßig wird von Beginn der selbstständigen Tätigkeit an zumindest auch eine Reinigungskraft beschäftigt. Auch in diesen Fällen handelt es sich um Tätigkeiten aufgrund eines Arbeitsvertrages. In kürzester Zeit beschäftigen Zahnärzte zusätzlich mindestens eine Assistentin für den Bereich des Empfangs sowie eine Assistenz am Behandlungsstuhl. Meist werden sogar drei Helferinnen beschäftigt, um Öffnungszeiten optimal gestalten zu können und auch in Urlaubszeiten voll einsatzfähig sein zu können. Allen Beschäftigungsverhältnissen liegt ein Arbeitsvertrag zugrunde, unabhängig davon, ob die Arbeitsvertragsparteien (Zahnarzt und Angestellter) detailreiche Verhandlungen über den Inhalt des zukünftigen Beschäftigungsverhältnisses geführt haben oder nicht. Da ein Arbeitsvertrag keiner Schriftform bedarf, wie dies etwa bei der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses der Fall ist, besteht ein Arbeitsvertrag auch dann, wenn die Parteien lediglich mündliche Absprachen getroffen haben. Demnach besteht ein Arbeitsvertrag als rechtliche Grundlage des Rechtsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bereits dann, wenn sich die Vertragsparteien darüber einig geworden sind, zukünftig als Zahnarzt und Assistent/Assistentin zusammenzuarbeiten.

Die Anbahnung des Arbeitsvertrags

Stellenanzeige (Foto: Rolf van Melis, pixelio.de) [2]

Bei der Stellenanzeige beginnen die Herausforderungen für den Arbeitgeber. Foto: Rolf van Melis / pixelio.de [3]

In der Regel wird zunächst eine Stellenausschreibung formuliert, die sodann in der Presse und/oder in verschiedenen Internetforen platziert wird. Bei der Formulierung der Stellenausschreibung fangen die Herausforderungen für den Arbeitgeber jedoch bereits an. Denn mit der Neuschaffung (Inkrafttreten am 18.08.06) des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) hat der Gesetzgeber erhebliche Hürden an den Arbeitgeber gestellt, durch die eine Diskriminierung der Arbeitsuchenden verhindert werden soll.

AGG – Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

Mit dem AGG hat der Schutz vor Diskriminierung insbesondere Eingang in das Verhältnis Arbeitgeber/Arbeitnehmer sowie im Berufsleben im Übrigen und damit auch in den deutschen Praxisalltag gefunden. Im AGG hat der Gesetzgeber mittels verschiedener Diskriminierungsmerkmale die Benachteiligungen wegen

insbesondere im Arbeitsrecht grundsätzlich verboten. Die Bestimmungen des AGG gelten gleichermaßen für Arbeitnehmer sowie Auszubildende.

Die Wirkung des AGG soll nicht erst während des bestehenden Arbeitsverhältnisses vor Diskriminierung schützen, sondern schon bei der Anbahnung eines Anstellungsverhältnisses, also schon während der Stellenausschreibungs- sowie Bewerbungsphase. Vereinzelt wurde bereits festgestellt, dass sich Scheinbewerber Fehler von Arbeitgeber bei der Arbeitnehmersuche zu nutzen machen, ohne die ausgeschriebene Stelle tatsächlich anzustreben. Denn das AGG bietet neben der Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs die Möglichkeit, Schadensersatz oder auch Schmerzensgeldansprüche gegenüber dem ausschreibenden Arbeitgeber geltend zu machen. Eine Obergrenze für einen Schadensersatzanspruch hat das AGG lediglich für den Fall der diskriminierenden Nichteinstellung bzw. Bewerberabsage vorgesehen und einen Anspruch auf maximal drei Monatsgehälter beschränkt.

Paragraf (Foto: Gerd Altmann, pixelio.de) [4]

Risiko Streitfall: Der Zahnarzt ist hier in der Beweispflicht und damit zunächst einmal in der schlechteren Ausgangsposition. Foto: Gerd Altmann / pixelio.de [3]

Dass das AGG erhebliche Gefahren für den Arbeitgeber beinhaltet, wird besonders dadurch deutlich, dass das Gesetz es den Arbeitnehmern einfach macht, die gesetzlich vorgesehenen Schadensersatzansprüche gegenüber einem Arbeitgeber durchzusetzen. Denn Arbeitnehmern wurde der Beweis einer Diskriminierung und damit die Durchsetzung ihrer Forderungen erleichtert, indem der Arbeitnehmer lediglich Indizien, also Anhaltspunkte für eine Diskriminierung glaubhaft darlegen muss, während der Arbeitgeber sodann verpflichtet ist, den tatsächlichen Beweis zu erbringen, dass eine Diskriminierung nicht vorliegt. Der Zahnarzt ist in einem Streitfall also in der Beweispflicht und damit zunächst einmal in der schlechteren Ausgangsposition. Da die Begründung eines neuen Anstellungsverhältnisses regelmäßig mit einer Stellenausschreibung beginnt, sollten Arbeitgeber bereits zu diesem Zeitpunkt die Regelungen des AGG berücksichtigen.

Für die Stellenanzeige bedeutet das, dass lediglich sachliche Kriterien Eingang in den Stellenanzeigentext finden dürfen. Unsachliche sowie differenzierende Merkmale wie z. B. die Formulierung „junger Studienabsolvent“ oder aber „für unser junges Team suchen wir jungen Mitarbeiter“ sind zu unterlassen, denn damit läuft der Arbeitgeber Gefahr, ältere Absolventen bzw. ältere Arbeitnehmer wegen ihres Alters zu diskriminieren. Darüber hinaus sollte eine Stellenanzeige stets geschlechtsneutral formuliert werden. Auch ist die Forderung eines Mindest- oder Höchstalters zu unterlassen. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte in seiner Stellenanzeige explizit darauf hinweisen, dass bei der Erstellung eines Lebenslaufs auf Angaben über das Alter, den Familienstand sowie ein beigefügtes Foto verzichtet werden soll. Denn einem Bewerber, der anhand eines Fotos eindeutig einer Religionsgruppe oder einer Rasse zugeordnet werden kann, wird damit bereits von vornherein ein Diskriminierungsargument/-indiz an die Hand gegeben, welches gegen den Arbeitgeber im Falle einer Absage Verwendung finden kann.

Bei der Durchführung eines Bewerbungsgesprächs sollten die Regelungen des AGG weiterhin Beachtung finden. Foto: Paul-Georg Meister / pixelio.de [5]

Bei der Durchführung eines Bewerbungsgesprächs sollten die Regelungen des AGG weiterhin Beachtung finden. Foto: Paul-Georg Meister / pixelio.de [3]

Bei der Durchführung eines Bewerbungsgesprächs sollten die Regelungen des AGG weiterhin Beachtung finden: Um sich als Arbeitgeber gegen Diskriminierungsvorwürfe auch im Rahmen des Bewerbungsgespräches abzusichern, sollte ein Bewerbungsgespräch stets mit einem Zeugen durchgeführt und das Bewerbungsgespräch protokolliert werden. Empfehlenswert ist es, Bewerbungsgespräche anhand eines festen Fragenkatalogs durchzuführen, der daraufhin überprüft wurde, keines der Diskriminierungsmerkmale im Sinne des AGGs zu verletzen. Das heißt, dass der Fragenkatalog jeden Bezug zur Rasse, ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, etwaiger Körperbehinderungen, des Alters oder der sexuellen Identität vermeidet. Wer sich bei der Aufstellung eines solchen Fragenkatalogs unsicher ist, sollte diesen durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht überprüfen lassen.

Geschäftsmann zeigt auf einen leeren Bürostuhl (Foto: Benjamin Thorn, pixelio.de) [6]

Ein Bewerbungsgespräch sollte stets mit einem Zeugen durchgeführt und das Bewerbungsgespräch protokolliert werden. Foto: Benjamin Thorn / pixelio.de [3]

Stellenausschreibung (ein praktisches Beispiel)

Formulierungsvorschlag:

Stuhlassistenz (m/w) wird zur Verstärkung unseres jungen Teams in unserer modernen Zahnarztpraxis Mustermann und Musterfrau ab sofort gesucht. Sie sollten ein/e engagierte/r und freundliche/r ZMF oder ZMA sein und in Vollzeit/Teilzeit arbeiten wollen. Schwerpunkt Ihrer Arbeit wird sein ……………… Sie beherrschen hierfür den Ablauf, insbesondere der Assistenz am Behandlungsstuhl, und sind es gewohnt, alle modernen Behandlungsverfahren durch Einsatz und Verwendung der modernen technischen Hilfsmittel zu unterstützen. Sie verfügen bereits über entsprechende Kenntnisse in der Assistenz am Stuhl, basierend auf einer berufsspezifischen Ausbildung und haben in der Vergangenheit gezeigt, dass Sie mit Spaß und Begeisterung erfolgreich am Patienten und für eine Zahnarztpraxis tätig sein können. Wenn Sie Ihren Interesseschwerpunkt im Bereich der Stuhlassistenz in einer Zahnarztpraxis haben sowie patienten- und serviceorientiert sind, freuen wir uns auf ein Gespräch mit Ihnen. Bitte senden Sie Ihre Bewerbungsunterlagen bis zum ………… an …………………………………………….

Wir dürfen Sie bitten, von der Übersendung eines Bewerbungsfotos sowie Angaben zu Ihrem Alter in dem zu erwartenden Lebenslauf abzusehen.

Bewerberabsage (ein praktisches Beispiel)

Irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem ein Bewerbungsverfahren abgeschlossen wird und einer Vielzahl von Bewerbern abgesagt werden muss. Eine förmliche Absage sollte schon deshalb erfolgen, da Schweigen regelmäßig ein schlechtes Licht auf ein Unternehmen wirft, und um ein negatives Marketing in Bezug auf die personalsuchende Praxis zu vermeiden. Aber auch bei der Gestaltung der Absage werden regelmäßig Fehler gemacht und gegen die Regelungen des AGG verstoßen. Absagen sind daher stets kurz zu fassen.

Spezifische Absagebegründungen sind zu vermeiden, da Arbeitgeber in diesem Bereich den Arbeitnehmern regelmäßig Indizien für eine Diskriminierung an die Hand geben. Eine Absage könnte wie folgt lauten:

Absagetext – Absage eines Bewerbers

Formulierungsvorschlag:

Herrn/Frau ……………

Ihre Bewerbung vom ……………..

 

Sehr geehrte/r Herr/Frau, wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass wir Sie nach Sichtung sämtlicher Bewerbungsunterlagen nicht in die engere Wahl nehmen konnten.

Der von uns ausgeschriebenen Stelle haben wir sämtliche Bewerbungsunterlagen zugrunde gelegt. Hierbei haben wir festgestellt, dass andere Bewerber im Bereich ihrer Qualifikation eine höhere Übereinstimmung mit unserem Forderungsprofil zeigen.

Wir bedanken uns dennoch ausdrücklich bei Ihnen für Ihre Bewerbung und das damit zum Ausdruck gebrachte Interesse an unserer Praxis sowie die Mühe, die Sie sich gemacht haben, als Sie sich bei uns beworben haben.

Bei der Suche einer neuen beruflichen Herausforderung wünschen wir Ihnen trotz unserer Absage viel Glück und viel Erfolg.

Mit freundlichen Grüßen

Zahnarzt Mustermann

 

Aufbewahrungspflicht für Bewerbungsunterlagen

Thomas Meinert, pixelio.de [7]

Bewerbungsunterlagen sowie Personalunterlagen sollten mindestens sechs Monate aufgehoben werden. Foto: Thomas Meinert / pixelio.de [3]

Trotz Einhaltung aller Vorsichtsmaßnahmen müssen Arbeitgeber damit rechnen, dass Arbeitnehmer oder Bewerber den Vorwurf der Diskriminierung erheben. Aufgrund der im Gesetz geregelten Frist, innerhalb der Diskriminierungsopfer ihre Ansprüche geltend machen müssen, ist es jedem Arbeitgeber zu empfehlen, Bewerbungsunterlagen sowie Personalunterlagen mindestens sechs Monate, besser zwölf Monate aufzubewahren. Denn nur dann, wenn diese Unterlagen zum Zeitpunkt des erhobenen Vorwurfs noch vorhanden sind, wird es einem Arbeitgeber gelingen, sich erfolgreich gegen diese Vorwürfe zu verteidigen.

Praxistipp: Besteht der begründete Verdacht, dass eine Bewerbung gezielt auf einen Schadensersatzanspruch nach dem AGG eingereicht worden ist und damit Ärger droht, sollte auf eine Eingangsbestätigung gegenüber dem Bewerber verzichtet werden. Auch eine Absage mit Rücksendung der Bewerbungsunterlagen sollte unterbleiben. Zwar hat jeder Bewerber einen Anspruch auf die Rücksendung der Bewerbungsunterlagen, da diese sein Eigentum sind, aber als Arbeitgeber gilt es in dieser Situation die Interessen abzuwägen.
RA Jens Pätzold

aus: Arbeitsrecht für Zahnärzte (zfv 2008)

Lesen Sie hier [8] Teil 2: Abschluss des Arbeitsvertrags