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„Work-Life-Balance“ war gestern – Arbeitszeit ist Lebenszeit

Dr. Sabine Manzel hat in einer Masterarbeit die anderen Erwartungen der Generation Y und die Anforderungen an die Mitarbeiterführung in der Zahnarztpraxis untersucht.(Foto: Fotolia/Barbara-Maria Damrau) [1]

Dr. Sabine Manzel hat in einer Masterarbeit die anderen Erwartungen der Generation Y und die Anforderungen an die Mitarbeiterführung in der Zahnarztpraxis untersucht. (Foto: Fotolia/Barbara-Maria Damrau)

Wer hat nicht – ebenso wie ich – oft davon geträumt, „Leben und Arbeiten“ in ein ausgewogeneres Verhältnis zu bringen? Als „Work-Life-Balance“ zum Motto der Jüngeren wurde, erkannten sich viele von uns wieder und meinten, damit ein tiefes Verständnis für die „Generation Y“ zu haben, ja, im Grunde irgendwie dazuzugehören. Schließlich wurde ja nur das verbalisiert, was wir schon immer selbst wollten.

Nicht ohne Weiteres nachvollziehbare Veränderungen im Verhalten von Mitarbeiterinnen – wozu die Bereitschaft gehört, bei atmosphärischen Störungen sehr schnell den Arbeitgeber zu wechseln – weckten mein existenzielles Interesse, über diese Generation mehr zu erfahren. Ich entschied, eine Masterarbeit darüber zu schreiben („Generation Y – Konsequenzen für die Mitarbeiterführung in der Zahnarztpraxis“), und kam zu Einsichten und Erkenntnissen, die ich gerne an Kolleginnen und Kollegen weitergeben möchte.

Kurz und knapp lassen sich die Nachkriegsgenerationen etwa so zusammenfassen: „leben, um zu arbeiten“ (bis 1955 Geborene) – „arbeiten, um zu leben“ (1955-1980) – „leben beim Arbeiten“ = „Work-Life-Blending“, gilt für die nach 1980 geborene Generation Y. Wer diesen Wandel der prinzipiellen Einstellungen übersieht, könnte sehr bald  vor immensen Problemen bei der Gewinnung von Mitarbeitern stehen. Bereits in fünf Jahren macht diese Bevölkerungskohorte etwa 50 Prozent der Arbeitnehmerschaft aus.

Diese Generation ist wie kaum eine frühere beschrieben und unterschiedlich benannt worden: „Millennials“, „Digital Natives“, „Net Generation“ „Generation @“, „Cyber Kids“- aber auch humorvoll „Generation Helicopter“ oder „Generation Nintendo“ und in China „Kleine Kaiser“. Der Begriff Generation Y  oder „Gen Y“, stimmt nicht nur, weil die Vorgängergeneration „X“ hieß, sondern auch und vor allem wegen der Doppeldeutigkeit: Y wird im Englischen Why = Warum ausgesprochen. „Warum“ ist ein Schlüsselwort zum Verständnis dieser Bevölkerungskohorte.

Diese jungen Menschen sind in einem Lebensumfeld aufgewachsen, in dem alle elementaren Fragen beantwortet waren beziehungsweise zu sein schienen. Diese Generation konnte und kann sich voll auf die oberste Stufe der Maslowschen Bedürfnispyramide (siehe Abb.) konzentrieren, nämlich der Selbstverwirklichung.


Die Maslowsche Bedürfnispyramide geht davon aus, dass es eine Hierarchie der Bedürfnisse gibt, die im Zeitablauf beziehungsweise je nach dem Grad der Absicherung der elementaren Bedürfnisse aufeinander aufbauen. Zunächst geht es um die Befriedigung der Grundbedürfnisse, dann der Sicherheitsbedürfnisse und der sozialen Bedürfnisse, schließlich um die „Ich“-Bedürfnisse und letztlich um die Selbstverwirklichung. Die Darstellung bringt sehr anschaulich zum Ausdruck, dass die Dominanz der physiologischen Bedürfnisse am Anfang so groß ist, dass alle anderen Bedürfnisse zurückstehen oder nicht wahrgenommen werden. Wenn alle elementaren Bedürfnisse aber befriedigt sind, dann geht es schwerpunktmäßig um die  Selbstverwirklichung.

Die Angehörigen der Generation Y leben nicht nur im „Penthouse“ der Maslowschen Bedürfnispyramide, sie sind auch die erste Generation, die mit digitaler Technik und seit der Schulzeit mit dem Internet aufgewachsen ist. Sie leben, denken und arbeiten in der realen und zugleich in einer virtuellen Welt. Sie gehen nicht wie ihre Eltern „ins“ Internet, sie leben „im“ Internet (Kerstin Bund „Glück schlägt Geld“).

Der Schwerpunkt meiner Masterarbeit liegt auf der Betrachtung der Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA), der Verwaltungs- und Prophylaxeassistenten (ZMV und ZMP). Zusätzlich zu eigener Recherche habe ich einen Fragebogen erstellt, dessen Beantwortung in drei Schulklassen des Oberstufenzentrums Gesundheit in Berlin-Wedding in meiner Anwesenheit unvorbereitet und unbeeinflusst erfolgte. Die Fragebögen wurden von allen ZFA-Auszubildenden ausgefüllt und ohne Kommentar abgegeben, lediglich wurden vereinzelt Verständnisfragen beantwortet.

Eine wichtige Erkenntnis aus der Masterarbeit betrifft die Präsenz der Praxen. Um diese jungen Menschen als Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten, ist es erforderlich, sie dort abzuholen, wo sie sind: in ihrer digitalen Welt. Dafür ist eine erste Voraussetzung, dass der eigene Internetauftritt der Praxis ständig aktualisiert wird. Junge Menschen orientieren sich nicht mehr in den klassischen Medien, sondern in Internet-Foren, Plattformen, Jobbörsen sowie im Bereich Social Media. Das Ziel, diese jungen Menschen für einen längeren Zeitraum als Mitarbeiter zu halten, erfordert Einstellungs- und Verhaltensänderungen vieler Chefs.

Soweit ein erster kurzer Überblick. Die Arbeit schließt mit einer längeren Liste von Empfehlungen sowie mit einer Checkliste für den Zahnarzt ab.

Einige dieser Empfehlungen:

  • Es hat eine Machtumkehr stattgefunden. Nicht mehr der Arbeitgeber entscheidet, schon gar nicht allein, sondern der potenzielle Arbeitnehmer entscheidet sich für oder gegen einen Arbeitgeber.
  • Junge Menschen sind von Kindheit an daran gewöhnt, mitzuentscheiden. Sie erwarten auch im Arbeitsleben, dass sie mitreden dürfen.
  • Sie sind daran gewöhnt, mit modernen Materialien, Techniken und Arbeitsmitteln umzugehen. Das erwarten sie auch im Beruf.
  • Junge Mitarbeiter erwarten eine klare Pausenregelung. Sie wollen planen, zu welchen Zeiten sie ihre sozialen Kontakte pflegen können.
  • Die jungen Frauen und Männer, die Leistungsträger der Zukunft, lassen sich nicht mit Motivationsfloskeln abspeisen. Sie wollen ihre Arbeit als sinnhaft erfahren. Das „Jahresabschlussgespräch“ reicht nicht, sie wünschen ein häufiges Feedback.
  • Da Mobbing ein extrem häufiger und möglicherweise entscheidender Kündigungsgrund ist, müssen Maßnahmen permanent greifen, die genau dieses verhindern. Teambildung, Gemeinsamkeiten, Pflege von Kommunikation und Interaktion zwischen den Mitarbeitern während und nach der Arbeitszeit können hier sehr hilfreich sein.
  • Ein angenehmes Arbeitsumfeld trägt erheblich zur Motivation bei. Die Arbeit ist nicht vom übrigen Leben zu trennen, zu isolieren, sondern: „Arbeitszeit ist Lebenszeit“.

Dr. Sabine Manzel, Berlin

Dr. Sabine Manzel (Foto: privat) [2]

Dr. Sabine Manzel (Foto: privat)

Die Autorin dieses Beitrags, Dr. Sabine Manzel, MSc., ist Zahnärztin und Zahntechnikerin und hat einen Master of Science in Parodontologie und Implantattherapie erworben. Nach dem Abitur erfolgte die Ausbildung zur Zahntechnikerin, anschließend das Studium der Zahnmedizin an der Freien Universität Berlin. Im Mai 1993 erfolgte die Niederlassung in eigener Praxis für Zahnheilkunde in Berlin-Zehlendorf. In den Jahren 1997/1998 absolvierte Manzel eine Hypnoseausbildung, 1999 folgte die Promotion an der FU Berlin. 2004 übernahm sie die Präsidentschaft des internationalen Forums für innovative Zahnheilkunde „ZUM“ Zahn und Mensch (interdisziplinärer Arbeitskreis von Zahnärzten, Zahntechnikern und Hochschulprofessoren). Von 2004 bis 2006 erfolgte eine Ausbildung am LVI – Las Vegas-Institute/USA mit praktischen Arbeitskursen (Full Mouth Rekonstruktion nach funktionellen und ästhetischen Gesichtspunkten, Komplettbehandlung deutscher Patienten in Nevada). Seit 2009 ist Manzel regelmäßig in diesem Bereichen als Referentin tätig. Sie bildet sich vielfältig und aktiv bei namhaften Referenten und Experten fort. Von Mai 2012 bis September 2014 absolvierte Sabine Manzel ein Studium zum Master of Science in Parodontologie und Implantattherapie der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DGP) an der Dresden International University (DIU).

Kontakt zur Autorin unter www.dr-sabine-manzel.de [3].