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Dentale Zukunft 3.x: Der virtuelle Patient im Fokus

Zum zweiten Mal lud Pluradent 2016 zu einem Symposium in das Lufthansa Training & Conference Center nach Seeheim-Jugenheim. Mehr als 800 Menschen vor Ort tauschten sich am 22. und 23. April 2016 über die Zukunft der Zahnheilkunde aus. Ausgesprochen real und lebendig wurde das Fokusthema „virtueller Patient“ in allen Facetten beleuchtet.

Das Moderationsteam: Prof. Dr. Dr. Nils-Claudius Gellrich und Bärbel Schäfer. Foto: Pluradent [1]

Das Moderationsteam: Prof. Dr. Dr. Nils-Claudius Gellrich und Bärbel Schäfer.
Foto: Pluradent

Die Entwicklungszyklen technologischer Errungenschaften, so Uwe Jerathe, Vorstand (Sprecher) der Pluradent, hätten sich in den vergangenen Jahren signifikant verkürzt. Das stelle das Zusammenspiel von Menschen und Maschinen auch in der Zahnheilkunde vor große Herausforderungen. Mit dem Symposium wolle Pluradent nicht nur innovative Technologien und Workflows, sondern auch neueste Erkenntnisse zu den Arbeitswelten und -prozessen vorstellen sowie wichtige Impulse geben.

Mensch und Maschine

Das Vortragsprogramm wurde von der Fernseh- und Radiomoderatorin Bärbel Schäfer und Prof. Dr. Dr. Nils-Claudius Gellrich mit Charme gemeinsam moderiert. Prof. Gellrich, Klinikdirektor Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie an der Medizinischen Hochschule Hannover sowie wissenschaftlicher Leiter des Symposiums, kündigte den ersten Referenten mit einem Statement an: „Die fortschreitende Digitalisierung bestimmt in zunehmendem Maß unsere Arbeitsprozesse. Trotz Digitalisierung sind es aber die Menschen, die Entscheidungen treffen.“

„Die fortschreitende Digitalisierung bestimmt in zunehmendem Maß unsere Arbeitsprozesse. Trotz Digitalisierung sind es aber die Menschen, die Entscheidungen treffen.“
Prof. Dr. Dr. Nils-Claudius Gellrich

Den Menschen nahm dann auch Dr. Jörg Wallner in den Mittelpunkt seines Vortrags zum Thema „Lebens- und Arbeitswelten 2025“. Als Director „Innovation Management & Consulting“ beim 2b AHEAD ThinkTank zitierte er renommierte Studien und prognostizierte eine exponentielle Entwicklung technologischer Innovationen und ein Anwachsen der Anzahl miteinander vernetzter Geräte. In der Individualisierung des Angebots mit auf den Kunden zugeschnittenen Lösungen sieht er jedoch auch die Chance, das persönliche Erleben und die Menschlichkeit in die entmenschlichten Märkte zurückzubringen und ist sich sicher, dass der Faktor Mensch auch in einer weitgehend automatisierten Zahnmedizin niemals ersetzt werden wird.

Konnektiv statt Kollektiv

Passend dazu referierte anschließend Werner Katzengruber, CEO der KHD Group, über Führungsmodelle der Zukunft. Der Wertewandel in den neuen Generationen mit einem Trend zur Beziehungslosigkeit hätte großen Einfluss auf das Zusammenleben und -arbeiten der Menschen. Es ginge darum, unter den veränderten Voraussetzungen ein „Wir-Gefühl“ beim Team als Antrieb für Leistung zu generieren. Im Unterschied zu früheren Arbeitswelten, wo das Team ein Kollektiv bildete, müsse man heute nach dem Motto „Vielfalt statt Einfalt“ ein „Konnektiv“ bilden, ein Netz aus individuellen Persönlichkeiten.

Ein Netz aus individuellen Persönlichkeiten

Prof. Dr. Sven Reich, Aachen, und Dr. Sven Holtorf, Bad Segeberg, beleuchteten in ihren Vorträgen die konkreten digitalen Lösungen und die Vernetzung der Arbeitsabläufe in der Zahnarztpraxis und im Dentallabor. Prof. Reich stellte einen kompletten CAD/CAM-Workflow mit offenen Systemkomponenten verschiedener Hersteller vor und hielt ein Plädoyer für die intraorale digitale Abformung per optischem Scanner. Dr. Holtorf ließ die analogen Diagnostikgeräte Revue passieren und stellte die wirtschaftlichen sowie medizinischen Vorteile des digitalisierten Arbeitens hervor, mit dem man sowohl Erfolge als auch Fehler einfacher rekapitulieren sowie alle Prozesse automatisch dokumentieren und optimieren könne.

Der virtuelle Patient und der reale Mensch

Den Samstag eröffnete Prof. Dr. Dr. Nils-Claudius Gellrich mit einem Vortrag und Falldarstellungen aus seiner Klinik. Er fokussierte dabei auf die Möglichkeiten, die eine Digitalisierung des Patienten mit Hilfe von 3-D-Bildgebung und einer geeigneten Planungssoftware heute bietet. Durch ein „Mehr an diagnostischen Möglichkeiten“ reduziere man den Aufwand auch bei komplexen Eingriffen und mache diese planbar. Nach dem Motto „Bilder sagen mehr als tausend Worte“ demonstrierte er den Einsatz von Freihand-Zeichenprogrammen, mit denen er seine Erkenntnisse direkt in die Röntgenbilder einzeichnen und so die Zusammenarbeit im Team vereinfachen kann.

CAD/CAM-Technologie: Brücke zum zuriedenen Patienten

ZTM Hans-Jürgen Stecher, Wiedergeltingen im Unterallgäu, ging der Frage nach, ob die traditionelle Zahntechnik mit den modernen Technologien im Widerspruch steht. Seine provokante Aussage, es gäbe keinen virtuellen Patienten, ergänzte er mit der Erkenntnis, wichtig sei ihm der zufriedene Patient, und die CAD/CAM-Technologie könne dazu eine Brücke bauen.

Dr. Gerd Christiansen, Spezialist für Erkrankungen des Kiefergelenks aus Ingolstadt, stellte in seinem Vortrag die Möglichkeiten der digitalen Kiefergelenksanalyse bei CMD-Patienten vor. Im Unterschied zur traditionellen Untersuchungsmethode, bei der das Kiefergelenk nur abgetastet wird, kann er mit der digitalen Diagnose auch visualisieren und erkennen, „was während der Manipulation durch Tasten im Kiefergelenk geschieht“.

Menschen funktionierten nicht nach dem Prinzip Cola-Automat

Einen anschaulichen Vortrag zum Thema Mitarbeiterführung hielt die Psychologin Dr. Susanne Klein, Darmstadt. Gestützt durch die Erkenntnisse aus neuesten Studien und der Gehirnforschung hielt Dr. Klein verblüffende Antworten auf die Frage nach der Motivation von Mitarbeitern parat. Menschen funktionierten nicht nach dem Prinzip Cola-Automat, in den man Geld steckt, um ein Getränk zu erhalten. Menschen seien emotional gesteuerte und keine logisch funktionierenden Wesen. Daher könne man sie nur zum gewünschten Handeln bewegen, indem man ihnen ein Vorbild sei und Wertschätzung entgegenbringe.

Behandlungskonzept für die CAD/CAM-gestützte Implantatprothetik

Dr. Kay Vietor, Langen, stellte ein in seiner Praxis erprobtes Behandlungskonzept für die CAD/CAM-gestützte Implantatprothetik vor. Gerade weil nach seiner Erfahrung die digitale Prozesskette noch nicht lückenlos funktioniere, nutze er das Beste aus der analogen und der digitalen Welt. Sein Fazit: „Auch im CAD/CAM-Workflow brauchen wir Zahntechniker, die wissen, wie der analoge Prozess funktioniert.“

Unter der Überschrift „mySymposium“ konnten die Teilnehmer aus mehr als 30 Seminaren oder Impulsvorträgen ihr individuelles Programm zusammenstellen. Und auch die Zukunftsausstellung mit der Industrie kam an: Das Ausstellungskonzept erlaubte es, digitale Prozesse auch über die Standgrenzen der Aussteller hinweg zu demonstrieren und bildete damit die direkte Umsetzung der Vortragsthemen.

Weitere Informationen sowie Bilder zum Pluradent Symposium 2016 gibt es auf www.pluradent-symposium.de [2].