„Schaffen Sie Moments of Excellence“

Interview mit Prof. Dr. Gerhard F. Riegl zum Praxismarketing für junge Praxen

Prof. Dr. Gerhard F. Riegl

Prof. Dr. rer. pol. Gerhard F. Riegl, Augsburg

Prof. Dr. Gerhard F. Riegl ist Dozent an der Hochschule Augsburg und Experte für Benchmarking im Gesundheitssektor. Mit zahlreichen Instituts-Forschungen, Beratungen, Vorträgen und Publikationen ist er seit 30 Jahren ein Wegbereiter des professionellen Apotheken-, Ärzte- und Krankenhaus-Marketing im deutschsprachigen Raum. Die mehr als 350 Fachveröffentlichungen, darunter Monografien und Grundlagenwerke zum Marketing der Gesundheitsberufe und Dienstleister haben ihn längst zu einer Koryphäe des ärztlichen Marketings werden lassen. Wir haben Prof. Riegl für Chance Praxis zum Praxismarketing für junge Praxen befragt.

CP: Herr Professor Riegl, Sie befassen sich seit vielen Jahren mit Praxisführung und Praxismarketing insbesondere für Zahnarztpraxen. Was sollte aus Ihrer Sicht heute beim Praxismarketing auch für Praxisgründer schon Standard sein?
Prof. Gerhard F. Riegl: Nachdem heute der Besitz der passenden Patienten wichtiger ist als der Besitz einer attraktiven Praxis, muss sich jeder Praxisgründer zuerst überlegen, wie will ich und kann ich in den nächsten 360 Monaten eine besonders wichtige, unverzichtbare und einzigartige Praxis für sein. Das heißt, der Zahnarzt muss frühzeitig herausfinden: Welche Patienten passen menschlich, nicht nur fachlich am besten zu mir, und zu welchen Patienten soll meine Praxis menschlich am besten passen? Obligatorisch für Praxisgründer, und noch wichtiger als eine pompöse Eröffnungsfeier der Praxis, sollten freundschaftlich motivierte Antrittsbesuche bei Kollegen in der unmittelbaren Nachbarschaft sein, auch wenn Besuche dieser Art nicht immer so angenehm ablaufen. Informationsreich sind persönliche Besuche in den „Höhlen der Löwen“ garantiert immer.

CP: Bei Gründung oder Übernahme einer Praxis geht es vielfach um Ausstattung, Raumgestaltung, neue Technik etc. Kann man sich allein über solche ja eher äußerlichen Faktoren noch erfolgreich positionieren und vom Wettbewerb abgrenzen?
Riegl: Eine Positionierung und Wettbewerbsabgrenzung ist nur dann sinnvoll und wertvoll, wenn sie nachhaltig wirkt und nicht durch die damit provozierten Kollegen in kürzester Zeit eingeholt werden kann. Gute Ausstattung, Raumgestaltung und Technik sind ja eigentlich Kardinaltugenden für zeitgemäß arbeitende Zahnärzte. Aber sie liefern keine Wettbewerbsimmunität auf Dauer, vor allem dann nicht, wenn die Ausstattung keinen Bezug zur originären Authentizität des Praxis-Chefs hat. Patienten, die durch auffällige Äußerlichkeiten angelockt werden und dann nicht durch Empathie und Menschlichkeit emotional begeistert werden, könnten wie Touristen von einer zur nächsten Praxisattraktivität wandern. Mitarbeiterinnen können in aufwendigen „Praxis-Tempeln“ wie stolze Eisheilige in einem Elfenbeinturm wirken und sich für unbesiegbar erfolgreich halten. Ideal ist, wenn die Praxiseinrichtung die zahnärztlichen Leitfigur(en) veredelt, die es eben nur einmal auf der Welt in einer bestimmten Praxis gibt. Dies ist das Gegenteil von Zahnärzten, die sich von Banken ferngesteuert verhalten müssen oder sich hinter dem Stil von Architekten oder Werbeagenturen verbergen.

CP: In Ihrem aktuellen, auf umfangreichen Analysen und Patientenbefragungen beruhenden Buch Erfolgsfaktoren für die zahnärztliche Praxis weisen Sie darauf hin, dass es in Zukunft für den Praxiserfolg vor allem auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Zahnarzt ankommen wird, das ganz wesentlich in der fachlich-menschlichen Kompetenz des Zahnarztes begründet liegt. Wer gerade eine Praxis gegründet oder übernommen hat, muss dieses Verhältnis ja erst aufbauen. Welche Tipps geben Sie jungen Zahnärztinnen und Zahnärzten, um hier einen Fehlstart zu vermeiden?
Riegl: Mehr als alle Konsumprodukte sind zahnärztliche Arbeiten Vertrauensleistungen mit anspruchsvollen Spielregeln. Bei der eigentlichen zahnärztlichen Kernleistung im Behandlungsraum ist es für die Vertrauensbildung fast schon zu spät, denn hier brauchen die Behandler/-innen das volle Vertrauen für belastbare Beziehungen zum Patienten. Ein Zahnarzt oder eine Zahnärztin ist für Patienten nicht so wie er/sie tatsächlich ist, sondern wie man glaubt dass er/sie sei. Vertrauen durch gute Leistungen nach fünf oder zehn Jahren ist relativ spät für eine gute Beziehung. Nach den neuen Forschungserkenntnissen aus der Hirnforschung fühlen Patienten schneller, als sie denken. Der Patient ist kein vernünftiger Homo Oeconomicus. Die Gefühle der Patienten in den ersten Sekunden stellen quasi Blankoschecks aus, die von der Ratio und vom Denken später bestätigt und eingelöst werden müssen. Nachdem Behandler/-innen fast niemals für die ersten Eindrücke beim Patienten zuständig sind, sondern den „krönenden Höhepunkt“ beim Sozialereignis Praxisbesuch darstellen, hängt sehr viel von den prägenden „Moments of Excellence“ der Zeremonien-Meister ab. Natürlich kann man sich auf die vertrauensbildenden „Moments of Excellence“ heute im Zeitalter von Facebook mit innovativer Sozialanamnese systematischer als jemals vorbereiten.

CP: Erfolgreiches Praxismarketing läuft auch über das Praxisteam. Gutes Personal aber kostet Geld, das gerade Praxisgründer erst verdienen müssen. Welchen Rat sollten Praxisgründer aus Ihrer Sicht bei der Personalauswahl unbedingt beachten?
Riegl: Kein Zahnarzt kann auf Dauer das kompensieren, was Mitarbeiter im Vorfeld und nach den Behandlungen verpatzen können. Die Suche, Auswahl und Einarbeitung von Mitarbeitern ist die größte Investitionsentscheidung einer Praxis, aber immer noch ein vergleichsweise unterentwickelter Entscheidungsbereich bei Praxisgründern gegenüber anderen Anschaffungen mit geringeren Investitionssumme und besseren Absicherungen durch Garantien, Wartungsverträge, Nachbesserungen usw.
Gutes Personal ist nicht käuflich zu erwerben, und in Zukunft müssen sich Praxen und Zahnärzte angesichts des Fachkräftemangels bei den besten Nachwuchskräften persönlich bewerben oder Headhunting betreiben. Es kommt darauf an, ob die Praxis wirklich ein „Best Place to Work“ für Bewerber ist. Nur wer durch sein gutes Marketing bei Patienten Anziehungskraft besitzt, kann auch auf Spontanbewerbungen hoffen. So ist es auch in der Wirtschaft, wo die berühmten und begehrten Markenhersteller trotz allgemeinem Bewerbermangel die beste Auswahl haben.

CP: Derzeit wird viel über Social Media als neues Marketinginstrument geredet. Ist das aus Ihrer Erfahrung für Zahnärzte sinnvoll und wie sollten sich junge Zahnärztinnen und Zahnärzte hier verhalten, die ja oft schon als Studenten oder privat auf Facebook und Co. unterwegs sind?
Riegl: Präsenz in Social Media gehört künftig auch für Zahnärzte wie für andere Heilberufe dazu. Allerdings sollten persönliche Dienstleister wie Zahnärzte auf anbiedernde Volks- und Patientennähe durch Preisgabe jeglicher Privatsphäre unbedingt verzichten. Daten-Striptease kann auch zu persönlicher Entwertung führen. Eine gewisse Distanz und das Vermeiden von Allzeitverfügbarkeit für Jedermann schaffen auch vorbildlichen Respekt und Begehrlichkeiten für Zahnärzte und Zahnärztinnen.
Menschliche Kontakte, Weiterempfehlungen und persönliche Mundpropaganda sind niemals durch mediale Netzwerke zu ersetzen. Ein verbesserter Bekanntheitsgrad führt eben nicht automatisch zu höherem Vertrauensgrad und zu Zufriedenheitssteigerungen.
CP: Herzlichen Dank für das Interview!

Zum Autor:

Prof. Dr. rer. pol. Gerhard F. Riegl besuchte die Hochschule Augsburg, Faculty of Business. Sein Schwerpunkt ist Marketing Management International. Prof. Riegl ist Gründer und wissenschaftlicher Leiter des Institut für Management im Gesundheitsdienst Augsburg, Prof. Riegl & Partner GmbH (Kontakt siehe unten), Patientenforscher und Praxisanalyst im Dentalbereich sowie Wegbereiter des zahnärztlichen Marketings in Deutschland und Bestsellerautor für Marketing und Marketingtrends.

Kontakt und Infos zu Prof. Dr. Gerhard F. Riegl:
Prof. Riegl & Partner GmbH
Institut für Management im Gesundheitsdienst
Provinostraße 11
86153 Augsburg
Telefon ++49 821 567144-0
Fax ++49 821 567144-15
E-Mail info@prof-riegl.de
www.prof-riegl.de

Unsere Buchempfehlungen zum Thema:

Der Klassiker:
Riegl, G. F.: Zahnarztpraxis als Center of Excellence. Mit fundiertem Marketing und Qualitäts-Management zur Best Practice für Patienten, Zahnärzte und Labors, Basis: 30.000 Evaluationen von Patienten und Praxis-Team-Mitgliedern, Augsburg 2003, ISBN 3-926047–15–1, Verlag Prof. Riegl & Partner, Provinostrasse 11, 86153 Augsburg

Die Neuerscheinung und Pflichtlektüre für Praxisgründer

Erfolgsfaktoren_Bucheinband_vorne 2

Riegl, G. F.: Erfolgsfaktoren für die zahnärztliche Praxis, Innovatives Praxismarketing in der Zahnmedizin mit Patienten- & Zuweiserforschung Zahnarzt-Imagestudie & Qualitätsmanagement, Prophylaxe • Implantologie • Zuweiserkooperation. 1. Auflage Augsburg 2010, ISBN 978-3-926047-18-2, Verlag Prof. Riegl & Partner, Provinostrasse 11, 86153 Augsburg

Eine Schnelllieferung ist möglich: Fax: 0821/ 567 144-15 oder E-Mail info@prof-riegl.de (im Inland versandkostenfrei). Die Bücher sind außerdem im Buchhandel erhältlich.

This page as PDF

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

*