Zusammenarbeit mit anderen Zahnärzten – heute ist fast alles möglich

Dr. Maike Erbsen

Dr. Maike Erbsen Dr. Maike Erbsen (Jahrgang 1974) ist Fachanwältin für Medizinrecht in Stuttgart. Sie ist in der Kanzlei Wende | Erbsen – Fachanwälte für Medizinrecht zusammen mit drei anderen Fachanwälten für Medizinrecht ausschließlich auf dem Gebiet des Medizinrechts tätig. Die Kanzlei bietet Beratung und Vertretung für Ärzte, Zahnärzte, (zahn)ärztliche Kooperationen, Krankenhäuser und (zahn)ärztliche Berufsverbände. Dr. Erbsen Lehrbeauftragte an der Steinbeis-Universität Berlin im Institut STI Medicine and Allied Health; sie ist Anwältin im Rahmen der Mietgliederrechtsberatung des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte e.V. (FVDZ).

Früher war die zahnärztliche Einzelpraxis die übliche Praxisform. Seit Jahren geht aber der Trend zur gemeinsamen Berufsausübung. Die Gründe dafür sind genauso individuell wie die sich assoziierenden Zahnärzte. Hierzu gehören: sinkende Einnahmen, steigende Kosten, dauerhafte Sicherung des Praxiswerts, flexible Arbeitszeiten (zum Beispiel während der Familienphase) oder fachlicher Austausch mit Kollegen. Die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten für eine zahnärztliche Kooperation sind heute so vielgestaltig wie nie.

Den rechtlichen Rahmen geben verschiedene gesetzliche Regelungen vor. Bei den Überlegungen zur rechtlichen Gestaltung der eigenen Praxistätigkeit sind vor allem zulassungsrechtliche (vertragszahnarztrechtliche), berufsrechtliche und gesellschaftsrechtliche Vorgaben zu beachten.
Den maßgeblichen Impuls zur Liberalisierung des zahnärztlichen Kooperationsrechts hat das zum 1. Januar 2007 in Kraft getretene Vertragsarztrechtänderungsgesetz (VÄndG) gegeben. Für Zahnärzte gibt es bei der Behandlung gesetzlich versicherter Patienten zwar auch weiterhin honorarrechtliche Zwänge durch Budget und Degressionsregelungen. Vor allem durch den Wegfall der Zulassungsbeschränkungen haben sich aber die Gestaltungsmöglichkeiten der zahnärztlichen Berufsausübung erheblich verbessert. Vertragszahnärzte können heute relativ unproblematisch andere Zahnärzte anstellen, Zweigpraxen gründen und (überörtliche) Berufsausübungsgemeinschaften eingehen.

Anstellung von Zahnärzten
Ein Vertragszahnarzt kann an seinem Vertragszahnarztsitz weitere Zahnärzte anstellen. Er bleibt aber zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet und muss die angestellten Zahnärzte bei der Behandlung anleiten und überwachen.
Voraussetzung für eine Anstellung ist, dass die anzustellenden Zahnärzte die Vorbereitungszeit abgeleistet haben. Die Anstellung muss bei der KZV beantragt und durch den Zulassungsausschuss genehmigt werden. Für den angestellten Zahnarzt erhält der Praxisinhaber ein weiteres Budget. Der Vertragszahnarzt kann bis zu zwei vollzeit- beziehungsweise vier teilzeitbeschäftigte Zahnärzte anstellen. Angestellte Zahnärzte können auch in Praxisfilialen und an anderen Standorten von überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaften beschäftigt werden.

Bildung von Zweigpraxen („Filialen“)
Zulässig ist, dass ein Vertragszahnarzt eine oder mehrere Filialpraxen zusätzlich zu seinem Vertragsarztsitz einrichtet. Dies ist sogar KZV-übergreifend möglich. Erforderlich für den Betrieb einer Zweigpraxis ist eine Genehmigung durch die zuständige KZV. Voraussetzung ist, dass durch die Zweigpraxis die Versorgung der Versicherten am Ort der Zweigpraxis verbessert und die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort der Hauptpraxis nicht beeinträchtigt wird.
Nach den entsprechenden Regelungen im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) liegt eine Versorgungsverbesserung insbesondere dann vor, wenn in dem betreffenden Planungsbereich eine Unterversorgung vorliegt oder die Zweigpraxis Leistungen erbringt, die unabhängig vom Versorgungsgrad regional oder lokal nicht im erforderlichen Umfang angeboten werden. Grundvoraussetzung ist, dass an allen Praxisstandorten die Patientenversorgung sichergestellt ist. Die Tätigkeit in der Hauptpraxis darf nicht mehr als ein Drittel der Arbeitszeit des jeweiligen Zahnarztes am Ort der Hauptpraxis betragen. Es ist auch möglich, einen Zahnarzt in der Zweigpraxis anzustellen. Dann darf aber die Arbeitszeit des Angestellten höchstens doppelt so lang sein wie die Arbeitszeit des Vertragszahnarztes in dieser Zweigpraxis. Das bedeutet in Zahlen: Ist der Vertragszahnarzt 30 Stunden in der Hauptpraxis tätig, darf er nur zehn Stunden in seiner Zweigpraxis arbeiten. Für den in der Hauptpraxis angestellten Zahnarzt gilt die gleiche Stundenbeschränkung. Der für die Zweigpraxis angestellte Zahnarzt darf in diesem Beispielsfall insgesamt 20 Stunden (nämlich das Doppelte der Arbeitszeit des Vertragszahnarztes in der Zweigpraxis) tätig sein.

Berufsausübungsgemeinschaft
Nach der Neuregelung im Vertragsarztrechtsänderungsgesetz werden die bisherigen Gemeinschaftspraxen nun als Berufsausübungsgemeinschaften (kurz: BAG) bezeichnet. Damit ist lediglich eine begriffliche Vereinheitlichung mit dem zahnärztlichen Berufsrecht verbunden. Vorteil der Neubezeichnung ist, dass bereits durch den Namen klargestellt wird, welchen Gegenstand die Kooperation hat: Im Gegensatz zur Praxisgemeinschaft wird hier nicht nur die Organisation der Praxis, sondern die zahnärztliche Berufsausübung als solche vergemeinschaftet. Der Patient schließt den Behandlungsvertrag mit der BAG ab, die die Leistungen aller Zahnärzte der Praxis gegenüber der KZV beziehungsweise den Patienten abrechnet.
Neben den schon seit langem bekannten örtlichen BAGs an einem Praxissitz sind mittlerweile auch überörtliche BAGs mit Gesellschaftern an verschiedenen Praxisstandorten sowie fachübergreifende BAGs, also Kooperationen zwischen Angehörigen verschiedener Fachgruppen, möglich. Eine überörtliche BAG kann auch KZV-übergreifend gebildet werden.
Die Mitglieder von überörtlichen BAGs können auch an den Vertragszahnarztsitzen der übrigen Mitglieder tätig werden. Voraussetzung ist, dass sie ihren Versorgungsauftrag an ihrem Vertragszahnarztsitz erfüllen und dort den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit haben. Dies ist in der Regel dann der Fall, wenn die Tätigkeit an den anderen Standorten maximal ein Drittel der Arbeitszeit am jeweiligen Vertragszahnarztsitz ausmacht. Diese zeitliche Vorgabe gilt entsprechend auch für die an einem Praxisstandort angestellten Zahnärzte, die an anderen Standorten der überörtlichen BAG eingesetzt werden.
Alle BAGs müssen vorab durch den zuständigen Zulassungsausschuss genehmigt werden. Dies gilt auch dann, wenn „nur“ ein neuer Partner in die BAG aufgenommen wird. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts muss dem Zulassungsausschuss zwingend der Gesellschaftsvertrag vorgelegt werden. Der Ausschuss prüft dann, ob die notwendigen Voraussetzungen durch die konkrete Kooperation eingehalten sind.
Es ist dringend zu empfehlen, einen schriftlichen Gesellschaftsvertrag abzuschließen, der klare Regelungen insbesondere zu Beteiligungsverhältnissen, Stimmrechten, Gewinnverteilung sowie für den Fall der Beendigung der Gesellschaft beziehungsweise für das Ausscheiden eines Gesellschafters vorsieht. Im Fall einer Trennung entbrennt oft erbitterter Streit über das Bleiberecht am Praxissitz und die Vermögenswerte der Praxis (vor allem in Bezug auf die Verwertung des Patientenstamms). Diese Streitigkeiten können sich über Jahre hinziehen und in jeder Hinsicht existentielle Dimensionen annehmen.
Eine nur geringe Rolle bei zahnärztlichen Kooperationen spielen die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ): Die MZV wurden zum 1. Januar 2004 als neuer vertrags(zahn)ärztlicher Leistungserbringer in das System der Gesetzlichen Krankenversicherung eingeführt. Ein MVZ ist nach der gesetzlichen Konzeption eine fachübergreifende, ärztlich geleitete Einrichtung, in der Ärzte beziehungsweise Zahnärzte als Angestellte oder Vertrags(zahn)ärzte tätig sind.

Es ist derzeit noch ungeklärt, ob es nach den Vorgaben des Gesetzgebers ein rein zahnärztliches MVZ geben kann. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2007 eine Kooperation zwischen Allgemeinzahnärzten und einer Fachzahnärztin für Kieferorthopädie als nicht ausreichend angesehen, um eine „fachübergreifende Zusammenarbeit“ im Rahmen eines MVZ zu begründen. In diese Richtung geht auch eine Entscheidung des LSG Nordrhein Westfalen, das 2009 eine Kooperation zwischen Zahnärzten mit verschiedenen Fachzahnarzt-Bezeichnungen für nicht ausreichend gehalten hat.
Mit dem Wegfall der Zulassungsbeschränkungen seit dem 1. April 2007 bietet sich heute für jeden Zahnarzt eine Fülle von Möglichkeiten, seine Praxistätigkeit nach seinen individuellen Bedürfnissen zu gestalten. Ganz wichtig bei jeder Kooperation ist es aber, vor allem im Bereich der vertragszahnärztlichen Leistungserbringung auf eine saubere Vertragsgestaltung zu achten. Vertragszahnärztliche Leistungen, die in Zusammenarbeit mit anderen Zahnärzten erbracht werden, dürfen nämlich nur dann abgerechnet werden, wenn die Zusammenarbeit in rechtlich zulässiger Form (mit Genehmigung der KZV beziehungsweise des zuständigen Zulassungsausschusses) erfolgt.
RAin Dr. Maike Erbsen, Stuttgart

Vorschaubild: Monia Geitz

 

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