Wer die Wahl hat, hat die Qual: Die unterschiedlichen Niederlassungsformen sind heute größer denn je

Die Wege in die zahnärztliche Niederlassung haben sich in den vergangenen Jahren stark verändert. So wagen viele erst nach einer Junior-Partnerschaft in Form einer Praxisbeteiligung den Schritt in die richtige Selbstständigkeit. Wer eine traditionell ausgerichtete Zahnarztpraxis gründen möchte, übernimmt meist eine bestehende Praxis und führt das bewährte Konzept fort. Für den, der innovative Konzepte mit neuartiger Fokussierung umsetzen will, ist die Neugründung in aller Regel die bessere Alternative.

Prof. Dr. Johannes Georg Bischoff ist Steuerberater und vereidigter Buchprüfer. Er lehrt Controlling an der Bergischen Universität Wuppertal und ist Mehrheitsgesellschafter von Prof. Dr. Bischoff & Partner Steuerberater Rechtsanwälte vereid. Buchprüfer mit rund 60 Mitarbeitern in Köln, Chemnitz und Berlin. Die Unternehmensgruppe betreut seit vielen Jahren in ganz Deutschland akademische Heilberufe.

Prof. Dr. Johannes Georg Bischoff

Einem jungen Zahnarzt bieten sich heute mehrere Möglichkeiten der Berufsausübung: Neugründung einer Praxis mit oder ohne Partner, Übernahme einer Praxis, Eintritt in eine bestehende Berufsausübungsgemeinschaft oder Anstellung bei einem Berufskollegen.
Das klassische Gründungsmodell gehört der Vergangenheit an. Wer heute nur nach geeigneten Räumen an einem sinnvollen Standort sucht, die Praxis aufwendig einrichtet und dann darauf wartet, dass sich Erfolg von selbst einstellt, steuert in den allermeisten Fällen auf eine unternehmerische Bauchlandung zu. Zu sehr hat sich der Markt, in dem eine Zahnarztpraxis heute bestehen muss, verändert.
Ein Beispiel: Um Patienten, das heißt, um Praxiseinnahmen, muss sich die Praxis aktiv bemühen. Ein Patientenstamm baut sich nicht mehr von allein und schon gar nicht in kurzer Zeit auf. Viele neu gegründete Praxen durchlaufen deshalb am Anfang eine lange Durststrecke mit finanziellen Engpässen, auch im Privatbereich, und müssen dies in ihren Planungen berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund ist es für viele Gründer sinnvoller, mit dem gewachsenen Patientenstamm eines abgebenden Zahnarztes zu starten. Hinzu kommt, dass bei einer Übernahme die Praxis nicht komplett neu eingerichtet werden muss, sondern die technischeAusstattung der Altpraxis in das neue Praxiskonzept einbezogen werden kann.

Zukunftsfähigkeit des Konzepts
In dem durch immer stärkeren Wettbewerbsdruck gekennzeichneten Markt wollen junge, unternehmerisch denkende Zahnärzte neue Akzente setzen. Sie besetzen mit spezialisierten Konzepten strategische Nischen, zum Beispiel die Implantologie oder ästhetische Zahnheilkunde. Die Erfolgschancen sind hoch, die Risiken aber auch. Denn wer viel investiert, ist auf den schnellen Zuspruch der Patienten am Praxisstandort angewiesen. Für solche Gründungen sind professionelle Marketingmaßnahmen von Anfang an unverzichtbar. Viele Abgabepraxen, die heute auf dem Markt sind, haben zwar den Abgeber gut ernährt, aber auch ihre beste Zeit hinter sich. Der Praxisbetrieb ist in der Regel nicht mehr an den aktuellen Erfordernissen des aktuellen Marktes ausgerichtet. Dazu kommt, dass die Räumlichkeiten nicht mehr den heutigen Anforderungen entsprechen und häufig Investitionsstau und Renovierungsbedarf vorliegen. Selbst wenn diese Praxen oft für einen geringen Kaufpreis zu haben sind, muss trotzdem in neue Technik investiert und renoviert werden, und der junge Zahnarzt stellt nach einiger Zeit fest, dass er viel Geld in eine Kümmerexistenz gesteckt hat. Solche Praxen fortzuführen wird in Zukunft schwieriger.

Organisatorische Strukturen
Bei einer Neugründung muss die gesamte Praxisstruktur neu geschaffen werden. Die Praxissoftware ist einzurichten, Arbeitsabläufe sind zu strukturieren, Recall-Systeme, Abrechnungen, Mahnwesen, Bestellwesen, Personalverwaltung und Belegablage für die Buchführung müssen organisiert werden. Das kostet den Gründer nicht nur viel Zeit, in der er sich nicht um seine Patienten kümmern kann, sondern birgt auch die Gefahr, typische Anfängerfehler zu machen. Der Praxisbetrieb kommt dann nur schleppend in Gang. Bei der Übernahme einer gut geführten oder bei Eintritt in eine erfolgreiche Praxis kann der Zahnarzt auf vorhandene Organisationsstrukturen zurückgreifen und diese gegebenenfalls nach seinen Vorstellungen anpassen. Das ist meist wesentlich einfacher!

Entwicklung von Patientenzahlen
Hinter der schönen Fassade der neuen Praxis muss von Anfang an wirtschaftlich effizient gearbeitet und unternehmerisch gedacht werden. Denn Monat für Monat sind hohe Fixkosten für Gehälter, Miete, Leasing und Finanzierungszinsen abzudecken. Um diesen Verpflichtungen als zahnärztlicher Unternehmer nachkommen zu können, darf der Strom der Patienten nicht abreißen, sondern muss im Gegenteil noch weiter anwachsen. Dies gilt für eine übernommene und umso mehr für eine neu gegründete Praxis. Um dieses Ziel zu erreichen, werden mit dem Berufsrecht zu vereinbarende Marketingmaßnahmen durchgeführt. Nun ist es aber nicht nur wichtig, die Entwicklung der Patientenzu- und -abgänge im Auge zu behalten, sondern auch zu sehen, durch welche Kommunikationsmaßnahmen Patienten zu welchen Kosten gewonnen werden konnten.

Die Abbildungen 1 und 2 aus PraxisNavigation zeigen, wie man auch solche Entwicklungen überwachen kann.

 Die Grafik zeigt die Entwicklung der Patientenzahlen

Abb. 1: Entwicklung der Patientenzahlen

Finanzbedarf und Finanzierungsmöglichkeiten
Statistiken belegen, dass der Finanzbedarf von Neugründungen um rund ein Drittel über dem von Übernahmen liegt. Dieser kann im Einzelfall stark abweichen, da der Kaufpreis von Zahnarztpraxen sehr von ihrer Lage abhängt, die als eine wichtige Voraussetzung für den künftigen Erfolg angesehen wird. Eine ähnlich ausgestattete und rentable Praxis im Erzgebirge dürfte also zu einem ganz anderen Preis verkauft werden als eine in der Münchener Innenstadt.
Da die Praxisräume bereits an die Erfordernisse einer Zahnarztpraxis angepasst sind, fallen aber grundsätzlich und im Vergleich zur Neugründung im Schnitt nur ein Drittel der Kosten für die Herrichtung der Räume an. Daneben zahlt der Übernehmer noch einen Goodwill für den übernommenen Patientenstamm. Gleichzeitig sinken durch die von Anfang an bestehende Auslastung der Praxis die Anfangsverluste und damit der Kontokorrentbedarf.

ie Grafik zeigt die Marketingkosten pro Neupatient

Abb. 2: Marketingkosten pro Neupatient

Für Banken ist die Praxisübernahme in der Regel die sicherere Gründungsvariante, obwohl das dahinter stehende Konzept manchmal gar nicht so langfristig gedacht ist. Aus der Vergangenheit sind die Praxiseinnahmen bekannt, und die Erwartungen für die Zukunft sind damit wesentlich besser prognostizierbar. Man könnte auch sagen, das Risiko, eine nicht laufende Praxis zu finanzieren, ist für eine Bank bei einer Praxisübernahme deutlich geringer – vorausgesetzt, die Abgabepraxis ist intakt und der Kaufpreis angemessen. Deshalb ist die Finanzierung einer Übernahme in der Regel auch einfacher als die einer Neugründung.

Kostendegressionseffekte
Die Zahl der Gemeinschaftspraxen steigt seit Jahren kontinuierlich an. Der Grund: In Zeiten knapp werdender Rentabilität schließen sich immer mehr Zahnärzte in Kooperationen zusammen und teilen sich zum Beispiel die Investition und Nutzung teurer technischer Ausstattungen. Denn die Ertragskraft von sogenannten Mehrbehandlerpraxen resultiert oft im erheblichen Maße aus der Nutzung von Kostendegressionseffekten. Mehrere Behandler benötigen, genau wie eine Einzelpraxis, nur ein Röntgengerät. Cerec, Laser oder DVT werden von vielen Zahnärzten genutzt und damit besser ausgelastet. Und ein Schichtbetrieb optimiert die Nutzung von Behandlungseinheiten. Daraus resultieren häufig wesentlich geringere Kosten pro Behandlungsstunde als bei gleichwertig ausgestatteten Einzelpraxen.

Beziehungsfähig?
Aber mit einer beruflichen Partnerschaft ist es wie mit einer Ehe: Es kommt entscheidend darauf an, ob die Partner zueinander passen und ob sie tatsächlich in der Lage sind, kooperativ zu arbeiten und auch Kompromisse einzugehen. Dies gilt insbesondere für den neu einsteigenden Partner.
Partnerschaftliche Praxisführung verlangt partnerschaftliche Entscheidungsprozesse und führt damit teilweise zu einem Verlust an Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit bei den Beteiligten. Aber sie hat nicht nur kostenmäßige Vorteile: Unterschiedliche Erfahrungen und Ausbildungen der Partner können sich ergänzen und das Leistungsangebot der Praxis erweitern. Krankheiten, Schwangerschaften, Ausfälle wegen Urlaub oder Fortbildung führen nicht zur Schließung der Praxis wie bei einer Einzelpraxis, sondern können durch Kollegen zeitweise aufgefangen werden. Öffnungszeiten werden durch die Organisation von Früh- und Spätdiensten patientenfreundlicher gestaltet.
Die besonderen Risiken liegen bei einer Gemeinschaftspraxis in der gemeinsamen persönlichen Haftung – auch für Behandlungsfehler von Kollegen und für Finanzierungen und andere Verbindlichkeiten der Gemeinschaftspraxis. Die Herausforderungen dieser Kooperationsform bestehen darin, den unterschiedlichen Arbeitseinsatz oder Arbeitserfolg und die unterschiedliche Verursachung von Kosten (zum Beispiel für Bewirtungen, Autos, Fortbildungen) zur beiderseitigen Zufriedenheit zwischen den Partnern zu regeln. Hier ist ein erfahrener Fachanwalt für Medizinrecht gefragt.
Wer lieber operativ in zweiter Reihe arbeitet, wählt nicht die risikoreiche Selbstständigkeit. Und wer eigene Konzepte und Ideen umsetzen will, sucht nicht die weisungsgebundene Routine einer spezialisierten Tätigkeit in einer Mehrbehandlerpraxis. Wer sich nicht sicher ist, testet erst einmal eine Junior-Partnerschaft. Jungen Zahnärzten bieten sich heute viele Formen der Berufsausübung und damit die Möglichkeit, ihren individuellen Veranlagungen in optimaler Weise gerecht zu werden. Umso wichtiger ist es deshalb, sich bereits in der Entscheidungsphase über eigene Stärken und Schwächen, Vorlieben und Ziele im Klaren zu sein.
Prof. Dr. Johannes Georg Bischoff, Köln

Zum Autor:
Prof. Dr. Johannes Georg Bischoff ist Steuerberater und vereidigter Buchprüfer. Er lehrt Controlling an der Bergischen Universität Wuppertal und ist Mehrheitsgesellschafter von Prof. Dr. Bischoff & Partner Steuerberater Rechtsanwälte vereid. Buchprüfer mit rund 60 Mitarbeitern in Köln, Chemnitz und Berlin. Die Unternehmensgruppe betreut seit vielen Jahren in ganz Deutschland akademische Heilberufe.

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