Vertragsgestaltung beim Einstieg junger Zahnärzte in eine Gemeinschaftspraxis oder Praxisgemeinschaft

RA Dr. Wieland Schinnenburg

RA Dr. Wieland Schinnenburg, Zahnarzt und Rechtsanwalt

Immer mehr junge Zahnärzte lassen sich nach Abschluss ihrer Vorbereitungszeit nicht allein nieder, sondern steigen in eine Gemeinschaftspraxis (rechtlich genauer: Berufsausübungsgemeinschaft) ein, oder gründen mit einem bereits niedergelassenen Kollegen eine Praxisgemeinschaft. Dies hat viele Vorteile: Zum einen braucht man dazu deutlich weniger Geld, da eine Praxiseinrichtung schon vorhanden ist und bei einer gemeinsamen Berufstätigkeit manche Einrichtungen nur einmal vorhanden sein müssen: Anmeldung, Wartezimmer, Toiletten, Sozialraum, Röntgengeräte, Steri etc. Zum anderen kann man auf einen vorhandenen Patientenstamm zurückgreifen. Außerdem können sich die Zahnärzte leicht gegenseitig vertreten, und es ist ein fachlicher Austausch möglich.

Allerdings ist eine solche Niederlassung auch mit erheblichen Gefahren verbunden. Zunächst geht es dabei um die Gefahren jeder selbstständigen Tätigkeit: finanzielles Risiko, volle Verantwortung für die Praxis und umfassende Haftung für Behandlungsfehler. Hinzu kommen die besonderen Gefahren bei einer beruflichen Zusammenarbeit mit anderen Zahnärzten: Teilweiser Verlust des Selbstbestimmungsrechts, Haftung für die anderen Partner und vor allem Gefahr heftigen Streits unter den Partnern. Wer sich also zusammen mit anderen Zahnärzten niederlässt, sollte nicht nur die Tugenden des Selbstständigen (Fleiß, Verantwortungsbereitschaft, Mut zum Risiko) mitbringen, sondern darüber hinaus eine erhebliche Teamfähigkeit.
Es reicht jedoch nicht, die genannten Fähigkeiten zu haben, man muss darüber hinaus sehr viel Sorgfalt auf die Gestaltung des Vertrags mit den anderen Zahnärzten legen. Dabei geht es vor allem um folgende Punkte:
In einer Präambel sollte geregelt werden, wie es zu der Zusammenarbeit kam. Zum Beispiel: „Dr. A praktiziert seit Jahren am Standort X, Dr. B steigt zum Zeitpunkt Y als gleichberechtigter Partner ein.“ Eine solche Präambel ist für die Auslegung der weiteren Vertragsbestimmungen sehr wichtig. Auch muss ausdrücklich geregelt werden, ob es sich um eine Berufsausübungsgemeinschaft/Gemeinschaftspraxis oder um eine Praxisgemeinschaft handelt.

Es sollte ausdrücklich bestimmt werden, wie die einzelnen Partner am materiellen und immateriellen Vermögen beteiligt werden sollen. Foto: Gerd Altmann / pixelio.de

Es sollte ausdrücklich bestimmt werden, wie die einzelnen Partner am materiellen und immateriellen Vermögen beteiligt werden sollen. Foto: Gerd Altmann / pixelio.de

Es sollte ausdrücklich bestimmt werden, wie die einzelnen Partner am materiellen und immateriellen Vermögen beteiligt werden sollen. Es kann durchaus vereinbart werden, dass der junge Partner erst nach und nach den geplanten Anteil am Vermögen erwirbt. Es dürfte heute anerkannt sein, dass eine Beteiligung am materiellen Vermögen auch nach vielen Jahren nicht erforderlich ist. Allerdings sollte vorgesehen werden, dass der junge Partner spätestens nach drei Jahren einen Anteil am immateriellen Vermögen, also dem Patientenstamm, erwirbt. Sonst bestünde die Gefahr, dass die Gerichte von einer Scheinselbstständigkeit ausgehen, den jungen Zahnarzt also für einen Angestellten halten. Ein solcher Schluss wird übrigens auch gezogen, wenn ein Partner feste „Gewinnentnahmen“ unabhängig von seiner eigenen Leistung, also auch bei Krankheit und Urlaub, erhält.

• Es sollte Paragraf 708 BGB abbedungen werden, also der sogenannte subjektive Sorgfaltsmaßstab. Ansonsten kann sich ein schlampiger Partner damit entschuldigen, dass er auch in eigenen Angelegenheiten so schlampig sei.

• Es sollte geregelt werden, was auf das Praxisschild geschrieben wird. Grundsätzlich kann alles darauf geschrieben werden, was berufsrechtlich zulässig ist. Allerdings kann es zu Problemen kommen, wenn ein Partner mehrere Zusatzqualifikationen erwirbt und der andere nicht. Wenn dies auf dem Praxisschild gezeigt wird, könnte das zu Patientenwanderungen führen.

• Es muss festgelegt werden, dass den Patienten in jedem Fall die freie Arztwahl gewährleistet bleibt. Bei einer Praxisgemeinschaft sollte ausdrücklich ausgeführt werden, dass die Vertragsbeziehung jeweils nur mit dem behandelnden Zahnarzt zustande kommt.
• Es sollte im Vertrag oder in einer zusätzlichen schriftlichen Vereinbarung bestimmt werden, welche Sprechstundenzeiten jeder Partner ableisten muss. Außerdem sollte geklärt sein, wie lange ein Partner von den anderen vertreten wird und welche Vergütung der Vertreter dafür erhält.

• Es muss eindeutige Vorschriften geben, welche Entscheidungen jeder Partner alleine treffen kann und welche eines gemeinsamen Beschlusses bedürfen. Hierher gehören auch Vorschriften über die Abhaltung von Gesellschafterversammlungen und die dortige Entscheidungsfindung.

• Die bisherigen Partner müssen schriftlich darlegen, welche Altverbindlichkeiten bestehen (zum Beispiel alte Rechnungen, Mitarbeiter in Mutterschutz oder Elternzeit)

• Es muss vereinbart werden, wie der neu eintretende Partner in die Verträge mit Dritten (Mitarbeiter, Vermieter etc.) einbezogen wird.

• Die Partner sollten ein gemeinsames Konto bei einer Bank einrichten. Dieses sollte grundsätzlich als Oder-Konto geführt werden, das heißt, jeder Partner ist alleine zeichnungsberechtigt und kann so zum Beispiel allein Überweisungen vom gemeinsamen Konto tätigen. Dies setzt natürlich gegenseitiges Vertrauen voraus. Wenn dieses in Frage gestellt ist, sollte es jedem Partner möglich sein, daraus ein Und-Konto zu machen. Das bedeutet, es können nur noch alle Partner zusammen eine Überweisung ausführen, das heißt, alle Partner müssen unterschreiben. Dies ist sehr sicher, aber auch umständlich, da keine Rechnungen der Gemeinschaftspraxis oder ähnliches bezahlt werden können, wenn ein Partner in Urlaub oder krank ist. Deshalb sollte das nur in Ausnahmefällen gemacht werden und es sollte schnell per Mediation eine Lösung des Konflikts gesucht werden.

• Es muss genau definiert werden, welche Ausgaben die Gemeinschaft übernimmt und welche jeder Partner alleine zu tragen hat.

• Für den Jahresabschluss muss ein genau definiertes Verfahren vorgesehen werden. Mit dem Abschluss sollte ein Steuerberater beauftragt werden.

• Es muss eine einfache und gerechte Art der Ergebnisverteilung vereinbart werden. Meist läuft es auf eine Mischung einer Verteilung nach Köpfen, eigenem Umsatz und eigener Beteiligung an der Gemeinschaft hinaus.

• Für den Fall der Berufsunfähigkeit, des Todes und der Insolvenz eines Partners muss es genaue Vorschriften geben.

• Im Vertrag müssen die Voraussetzungen, Fristen und Formalia von ordentlichen und außerordentlichen Kündigungen geregelt werden. Hierbei ist darauf zu achten, dass das Hinauskündigen junger Partner nur in den ersten drei Jahren möglich ist. Für den Fall der Kündigung sollte vorgesehen werden, dass die restlichen Partner die Gesellschaft fortsetzen, sofern sie nicht innerhalb einer kurzen Frist eine Anschlusskündigung aussprechen.

• Für den Fall, dass der ausscheidende Partner eine Abfindung für den ideellen Wert erhält, muss ein nachträgliches Wettbewerbsverbot vereinbart werden, bei dessen Verletzung eine Vertragsstrafe verwirkt ist.

Der ideelle Wert besteht in dem Patientenstamm. Wenn ein Partner ausscheidet und seinen Patientenstamm zurücklässt, erhält er dafür eine Abfindung. Wenn er sich dann aber in der Nähe, also innerhalb des vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbots erfassten Gebietes, niederlässt, wird er doch einen Teil seiner Patienten mitnehmen. Dies bedeutet natürlich für die verbleibenden Partner einen finanziellen Nachteil: Sie haben für einen Patientenstamm bezahlt, den sie dann gar nicht haben. Deshalb muss in einem solchen Falle der ausscheidende Partner Schadensersatz zahlen. Es ist jedoch schwer zu beweisen, wie hoch dieser Schaden ist. Deshalb sollte im Vertrag für den Fall eines solchen Verstoßes gegen das nach vertragliche Wettbewerbsverbot eine konkrete Vertragsstrafe, zum Beispiel 5.000 Euro pro Monat, vereinbart werden, die der ausgeschiedene Partner zu zahlen hat.

Man sieht, dass ein solcher Vertrag sehr sorgfältig gestaltet werden muss. Wenn ein sogenannter Mustervertrag verwendet wird, kann es im Falle des Streits unter den Partnern zu langen juristischen Auseinandersetzungen wegen unklarer oder unzulänglicher Formulierungen im Praxisvertrag kommen.
In jedem Fall sollte der Vertrag neben den genannten Punkten durchdachte Regelungen zum Konfliktmanagement enthalten. Es bietet sich an, die Partner zu verpflichten, im Streitfalle einen qualifizierten Mediator einzuschalten.
RA Dr. med. dent. Wieland Schinnenburg, Hamburg

Zu unserem Autor:
Zahnarzt und Rechtsanwalt Dr. med. dent. Wieland Schinnenburg absolvierte das Studium der Zahnmedizin in Hannover, Münster und Los Angeles und darüber hinaus ein Studium der Rechtswissenschaften in Hamburg und Washington D.C. Als Zahnarzt ist er seit 1987 niedergelassen, als Rechtsanwalt seit 1998. Seit 2006 ist er außerdem Fachanwalt für Medizinrecht, und im Jahr 2007 folgte die Ausbildung zum Mediator an der Universität Bielefeld.
Weitere Informationen zum Thema und Kontaktmöglichkeit finden Interessenten aus den Homepages unseres Autors unter www.rechtsanwalt-schinnenburg.de sowie www.mediator-schinnenburg.de.

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