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Versorgungsstrukturgesetz 2012: Strengere Kickback-Regelungen

Schnieder, Dr. Karl-Heinz [1]

RA Dr. Karl-Heinz Schnieder war zwei Jahre lang Referatsleiter Recht bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe und ist seit 16 Jahren niedergelassener Rechtsanwalt und Partner und Mitinhaber der kwm, Kanzlei für Wirtschaft und Medizin, Münster, Berlin, Hamburg und Bielefeld. Er ist Fachanwalt für Medizinrecht sowie für Sozialrecht und ist seit seiner Promotion als Lehrbeauftragter der Universität Münster tätig.

Vorbehaltlich des reibungslosen Ablaufs des Gesetzgebungsverfahrens tritt zum 1. Januar 2012 das neue Versorgungsstrukturengesetz (GKV-VStG) in Kraft. Es handelt sich um die nächste Gesundheitsreform, die wieder einmal weitgreifende Veränderungen für alle am Gesundheitssystem Beteiligten mit sich bringt.

Der amtliche Titel des Gesetzes lautet „Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung“. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung wird als wichtigstes Ziel „die Sicherstellung einer flächendeckenden bedarfsgerechten und wohnortnahen medizinischen Versorgung“ genannt. Die daraus resultierenden Neuregelungen zur Bedarfsplanung betreffen aufgrund der Zulassungssperren mehr Ärzte als Zahnärzte. Ein weiterer Aspekt der Reform ist jedoch auch das Verhältnis von (Zahn-)Ärzten und Gesundheitsindustrie. Einerseits soll der Zugang zu medizinisch-technischen Innovationen verbessert werden. Anderseits soll aber auch verhindert werden, dass sich die chronische Knappheit der dem System zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel durch sogenannte Kickback-Zahlungen weiter verschlechtert und die Wahlfreiheit der Versicherten eingeschränkt wird. Dies betrifft in vollem Umfang auch die Zahnärzte.
Die Veränderung betrifft Paragraf 128 des fünften Sozialgesetzbuches (SGB V). Diese ohnehin bereits sehr umfangreiche Vorschrift erhält nach derzeitigem Stand zwei neue Absätze sowie eine Ergänzung im zweiten und im fünften Absatz.

1. Ergänzung in Absatz 2
In Paragraf 128 Absatz 2 SGB V ist geregelt, welche Zuwendungen an Ärzte und Zahnärzte unzulässig sind. Dazu gehörten bislang
• Entgelt oder Gewährung sonstiger wirtschaftlicher Vorteile,
• Zahlung einer Vergütung für zusätzliche privatärztliche Leistungen, die im Rahmen der Versorgung mit Hilfsmittel durch die Leistungserbringer erbracht werden,
• Unentgeltliche oder verbilligte Überlassung von Geräten und Materialien,
• Durchführung von Schulungsmaßnahmen, Gestellung von Räumlichkeiten oder Personal oder die Beteiligung an den Kosten hierfür.

RA Felix Ismar [2]

RA Felix Ismar ist seit 2009 ist zur Anwaltschaft bei der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Hamburg zugelassen. Er ist Mitglied der Arbeitgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen Anwaltsverein. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt im Medizinrecht und Gesundheitsrecht.

Zukünftig sind auch verboten:
Einkünfte aus Beteiligungen an Unternehmen von Leistungserbringern, die Vertrags(zahn-)ärzte durch ihr Verordnungs- und Zuweisungsverhalten selbst maßgeblich beeinflussen können.

Bislang konnten Beteiligungen an Unternehmen jeglicher Art als reines Investment vollkommen getrennt von den berufsrechtlichen Regelungen und Verboten erfolgen. Nur noch Investitionen in Unternehmen, die mit der Gesundheitsbranche oder zumindest mit der vertragsärztlichen Tätigkeit des Zahnarztes nicht im Zusammenhang stehen, werden in Zukunft möglich sein.

2. Ergänzung in Absatz 5
Gemäß Absatz 5 bestand bereits bisher eine Pflicht der Krankenkassen zur Mitteilung gegenüber der Kammer. Sie greift ein, wenn Auffälligkeiten bei der Ausführung von Verordnungen bekannt werden, die auf eine mögliche Zuweisung von Versicherten an bestimmte Leistungserbringer oder eine sonstige Form unzulässiger Zusammenarbeit hindeuten. In Zukunft ist zusätzlich die Kassenzahnärztliche Vereinigung zu informieren. Gleiches gilt, falls Hinweise auf die Forderung oder Annahme unzulässiger Zuwendungen oder auf eine unzulässige Einwirkung auf Versicherte vorliegen.

3. Neue Absätze 5a und 5b
Der neu eingefügte Absatz 5a lautet:
„Vertragsärzte, die unzulässige Zuwendungen fordern oder annehmen oder Versicherte zur Inanspruchnahme einer privatärztlichen Versorgung anstelle der ihnen zustehenden Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung beeinflussen, verstoßen gegen ihre vertragsärztlichen Pflichten.“
Diese auch für Zahnärzte geltende Vorschrift stellt nun ausdrücklich klar, dass ein Verstoß gegen die vorstehenden Regelungen zu Kickback-Leistungen einen Verstoß gegen Berufspflichten darstellt. Aufgrund dieser Regelung hat der Zahnarzt Disziplinarmaßnahmen als Folge von Verstößen zu befürchten. Namentlich kommen die Einleitung eines Disziplinarverfahrens sowie Honorarregresse in Betracht. Aber auch eine strafrechtliche Verfolgung bis hin zum Entzug der Approbation kann als Konsequenz in Betracht kommen. Der neue Absatz 5b stellt klar, dass die Kickback-Regelungen nicht nur im Zusammenhang mit Hilfs-, sondern auch mit Heilmitteln gelten.

4. Fazit
Insgesamt werden die Regelungen zum Kickback-Verbot weitgreifender und strenger. Durch die Neuregelung in Absatz 5b fallen erstmals auch sämtliche Heilmittel unter das Kickback-Verbot. Das bedeutet eine Ausweitung des Verbots auf ein vollständiges weiteres Gebiet. Die Erweiterung der Auflistung einzelner Beispiele für unzulässige Zuwendungen verengt den Beurteilungsspielraum bei der Einstufung als Kickback. Die Konsequenzen im Falle eines Verstoßes drohen so bereits eher und sind aufgrund der ausdrücklichen Einordnung als Verstoß gegen Berufsrecht umfangreicher. Durch die erweiterten Mitteilungspflichten der Krankenkassen werden Verstöße zukünftig schneller auffallen und geahndet werden.

Urheberrecht und Homepage [3]

Es ist zu befürchten, dass die Regelungen zum Kickback-Verbot Gesetz werden. Foto: Gerd Altmann / pixelio.de [4]

Während die Ausweitung auf den Heilmittelsektor konsequent erscheint, begegnet das Verbot der kapitalmäßigen Beteiligung rechtlichen Bedenken. So bleibt unberücksichtigt, dass eine solche Beteiligung zulässig ist, wenn die Wahlfreiheit des Versicherten gewahrt und er nicht dahingehend beeinflusst wird, gerade den Betrieb aufzusuchen beziehungsweise dessen Leistungen in Anspruch zu nehmen, an dem der Arzt beteiligt ist. Ob dieser Umstand bewusst nicht berücksichtigt wurde oder die fehlende Berücksichtigung auf die Aktualität der höchstrichterlichen Rechtsprechung zurückzuführen ist, bleibt ungewiss. Jedenfalls hat der Bundesgerichtshof noch mit Urteil vom 13. Januar 2011 (Az.: I ZR 111/08) entsprechend zugunsten der Ärzte entschieden. Doch nicht nur die höchstrichterliche Rechtsprechung berechtigt zu begründeten Bedenken, sondern auch die geltenden Grundrechte. Ob die Einschränkung mit den Grundrechten auf Schutz der Berufsfreiheit (Artikel 12 Grundgesetz) und des Eigentums (Artikel 14 Grundgesetz) vereinbar ist, darf bezweifelt werden. Jedenfalls ist höchst problematisch, dass weder Bestandsschutz für bereits bestehende Kapitalbeteiligungen noch entsprechende Übergangsregelungen vom Gesetzgeber geplant sind.
Trotz einiger rechtlicher Bedenken ist zu befürchten, dass die strengeren Regelungen zum Kickback-Verbot in Kürze Gesetz werden. Es gilt also bereits jetzt, bestehende Beteiligungen an und Verbindungen zur Heil- und Hilfsmittelversorgung gründlich zu überprüfen. Nötigenfalls entsteht mit Inkrafttreten des Gesetzentwurfes kurzfristig Handlungsbedarf.
RA Dr. Karl-Heinz Schnieder und RA Felix Ismar, Münster, kwm kanzlei für wirtschaft und medizin, Münster, Berlin, Hamburg, Bielefeld