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Praxisübernahme als Alternative zur Neugründung

Maier-Gerber [1]

Thomas Maier-Gerber ist seit 1998 als Existenzgründungsberater in der Dentalbranche tätig. Sein Schwerpunkt liegt auf der Finanz- und Betriebswirtschaft.

In Bezug auf die Art der Niederlassung gibt es „die Antwort“ und „den Königsweg“ definitiv nicht. Neben Kriterien, die das Für und Wider der Praxisneugründung gegenüber der Praxisübernahme reflektieren, ist es aber auch das Persönlichkeits- und Verhaltensprofil des Existenzgründers, das in den Entscheidungsprozess einfließt. In dem vorliegenden Artikel werden verschiedene Pro- und Kontrapunkte diskutiert, und es wird versucht, Persönlichkeitsprofile zu assoziieren.

Persönlichkeitsprofile basieren auf verhaltenspsychologischen Studien aus den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts und finden zwischenzeitlich breite Anwendung im Zusammenhang mit der Personalauswahl und der Personalentwicklung. Die Persönlichkeit bestimmt Verhaltensweisen, die Art und Weise, wie man agiert und kommuniziert, an alltägliche Herausforderungen herangeht und natürlich auch die Bereitschaft, in Entscheidungsprozessen Risiken einzugehen.

Dr. Wolfram Schön [2]

Dr. Wolfram Schön ist Leiter Strategisches Marketing der Pluradent AG & Co KG in Offenbach am Main.

Die Argumente für eine Praxisübernahme sind vielschichtig, doch eins ist allen Argumenten gemeinsam: Sie bieten dem Existenzgründer eine reale oder zumindest gefühlte Sicherheit. Diese Sicherheit wird erkauft durch einen Verlust an Gestaltungsfreiheit und Flexibilität. Nachfolgend werden verschiedene Argumente benannt und kommentiert.

Vorhandener Patientenstamm

Ein vorhandener Patientenstamm bietet eine wirtschaftliche Sicherheit durch sofortige Umsätze aus dem bestehenden Patientenstamm heraus. Die Kehrseite ist die Erwartungshaltung dieser Stammpatienten, die durchaus stark durch den Vorgänger geprägt sein können. Änderungen im Praxisstil- und Praxisablauf können zu einem Verlust an Stammkunden führen; selbstverständlich aber auch neue Patientengruppen für die Praxis erreichbar machen.

Insgesamt ist aber ein vorhandener Patientenstamm ein starkes Argument für den „sicherheitsbewussten Existenzgründer“. Möchten Sie von Anfang an „Ihre“ Patienten haben, die Sie auf sich, Ihre motivierende und extrovertierte Persönlichkeit (Motivator, Innovator) und Ihre Praxis einstellen, kann der Weg der Übernahme durchaus frustrierende Erfahrungen mit sich bringen.

Bestehende Organisationsstrukturen

Bestehende Organisationsstrukturen lassen die übernommene Praxis von Anfang an „laufen“. Veränderungen und Optimierungen können nach einer gewissen Zeit der Orientierung und Meinungsbildung, entsprechend des Stils und der Arbeitsweise des Übernehmers, vorgenommen werden. Hier muss der Übernehmer Spaß und Leidenschaft für die Weiterentwicklung bestehender Strukturen mitbringen; auch mit der Erwartung, auf Widerstand im Team zu stoßen. Gefragt ist der Typ „Strukturierer“, ergänzt durch eine motivierende oder durchsetzungsstarke Persönlichkeitsstruktur. Der „Motivator“ verargumentiert und motiviert die Veränderungen, der „Durchsetzungsstarke“ setzt seine Ideen und Strukturen umsetzungsstark um.

Eingespieltes Praxisteam

Ein eingespieltes Praxisteam bietet ebenfalls eine Reihe von positiven Aspekten. Ähnlich wie bei bestehenden Organisationsstrukturen lässt sich der Existenzgründer Zeit, in seine Praxis und die Führungsrolle hineinzuwachsen. Dies betrifft auch die Personalauswahl und die vertragliche Seite.

Personal und Team sind ein wichtiges Thema, das den Charakter einer Praxis entscheidend mitprägen kann. Ein bestehendes Team erfordert vom Existenzgründer Führungsstärke und die Fähigkeit, das Team zu motivieren, um gegebenenfalls die Praxis und das Team neu auszurichten, die Stärken und den Entwicklungsbedarf des Personals zu erkennen und Maßnahmen gezielt anzugehen. Sieht der Existenzgründer wenig Veränderungsbedarf im Bereich Personal, ist ein stetiger, auf Ausgleich und Teamorientierung ausgerichteter „Teamplayer“ gefragt. Erwartet man einen deutlichen Richtungs- und Personalwechsel, ist eine „starke und dominante Führungspersönlichkeit“ gefragt.

Übernahme von Praxiseinrichtung und Neuinvestitionen

Auch bei diesem Thema verschafft sich ein Praxisübernehmer finanziellen wie auch konzeptionellen Handlungsspielraum. Der finanzielle Spielraum ergibt sich durch die Möglichkeit, Investitionen stufenweise anzugehen und an das angestrebte Praxiskonzept anzupassen. Zudem liegen die Kosten für die Übernahme von Praxiseinrichtungen nicht selten unter den tatsächlichen Zeitwerten. Auch trennt sich im Praxisalltag die Spreu vom Weizen, sprich die „Nice-to-have-Investitionen“ von den notwendigen Investitionen. Weil die Praxis allerdings nicht vom ersten Tag an das finale „Wunschgesicht“ trägt, ist ein „stetiger und ausgeglichener Entwickler“ gefragt, der sich auch über die kleinen Schritte der Praxisentwicklung freut. Ein „stark zielorientierter, eher ungeduldiger Existenzgründer“ sollte sich daher eher eine Übernahmepraxis suchen, die einhundertprozentig auf seine Zielvorstellung passt, oder doch eine Neugründung ins Auge fassen.

Sichere Umsätze und bestehendes Praxiskonzept

Aufgrund der intakten Praxisstruktur und absehbaren Einnahmensituation ergibt sich für einen Praxisübernehmer eine klare wirtschaftliche Absicherung. Sie basiert auf bestehenden Verträgen, berechenbaren Verpflichtungen und einem vorhandenen Patientenstamm. Diese wirtschaftliche Absicherung ist für Existenzgründer besonders wichtig, die Wert auf eine planbare Praxiszukunft legen. Dies sind zumeist Existenzgründer, die noch Zeit brauchen, ihr Praxiskonzept zu entwickeln und deshalb ein bewährtes Konzept, zumindest über eine gewisse Zeit fortführen wollen – Typ „sicherheitsbezogene Analysierer“.

Diese Art der Absicherung und Vorgehensweise widerspricht dem Verhaltensprofil von „stark ergebnisorientierten Individualisten“, die „ihr Ding“ machen wollen. Analysieren Sie genau, welcher Risikotyp Sie in persönlicher und finanzieller Hinsicht sind.

Diese fünf Punkte sind nur eine Auswahl der Argumente und Kriterien, die bei der Entscheidung für eine Art der Niederlassung Berücksichtigung finden sollten. Beschränken Sie sich in Ihren Vorüberlegungen nicht nur auf medizinische und finanzielle Aspekte, sondern beschäftigen Sie sich auch mit Ihrer Person und Ihrem Persönlichkeitstyp. Das Wissen um die persönlichen Verhaltenspräferenzen lässt Sie in der Regel bessere Entscheidungen treffen, denn Sie wissen, welches Umfeld Sie letztlich für Ihr Wohlbefinden, für Ihre Zufriedenheit und für das Erbringen Ihrer maximalen Leistung benötigen.

Analysieren Sie Ihre Situation mit den Mitarbeitern der Praxisbörse Ihres Dentaldepots. Gerne stehen Ihnen auch die Kollegen der Pluradent-Praxisbörse zur Verfügung. Weitere Informationen zu dem Thema Persönlichkeits- und Verhaltensprofile erhalten Sie bei den Autoren.
Dr. Wolfram Schön, Thomas Maier-Gerber, beide Offenbach

Unser Buchtipp:

Das 1×1 der Persönlichkeit, Lothar J. Seiwert/Friedbert Gay, Persolog-Verlag [3]

Seiwert, das 1x1 der Persönlichkeit [4]

Seiwert, das 1×1 der Persönlichkeit


 

 

 

 

 

 

 

und:

Das neue 1×1 der Persönlichkeit, Lothar J. Seiwert/Friedbert Gay, Persolog-Verlag [5]

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Vorschaubild: Monia Geitz