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Too much: Strategien gegen visuelle Informationsflut

Täglich werden wir mit Unmengen an Informationen konfrontiert. Um effektiv arbeiten zu können, ist eine zielgerichtete Verarbeitung der Daten das A und O. Wie sehr wir uns dabei ablenken lassen und was im Gehirn bei der visuellen Informationssuche passiert, untersuchen Forscher des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung.

Ablenkungen sind oft störend – es ist aber eine Frage des Alters, wie wir damit umgehen. Foto: Shutterstock/cunaplus

Ablenkungen sind oft störend – es ist aber eine Frage des Alters, wie wir damit umgehen. Foto: Shutterstock/cunaplus

In einer aktuellen Studie konnten sie zeigen, dass ältere Personen Probleme damit haben, irrelevante Informationen auszublenden, wenn jene den relevanten Informationen ähneln. Anders als jüngere Probanden blieben sie an den unwichtigen, aber in bestimmten Merkmalen zu den Zielinformationen identischen Fakten kleben.

Die Studie hilft, die Arbeitsfelder an die alternde Gesellschaft anzupassen

Ob im Meeting mit Kollegen, während der Autofahrt oder am Essenstisch mit der Familie: Überall umgeben uns zahlreiche Informationen, die wir blitzschnell filtern müssen, um Entscheidungen zu treffen. Was ist wichtig? Worauf muss ich achten? Was ist irrelevant? Ergonomen und Psychologen des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) interessieren sich für die grundlegenden Prozesse, die bei der Informationsverarbeitung im Gehirn ablaufen.

In einer aktuellen Studie haben sie den Umgang mit irrelevanten Informationen während visueller Arbeitsprozesse untersucht. Konkret ging es um die Frage, ob je nach Alter unterschiedliche, kognitive Suchstrategien genutzt werden.

Dazu wurden zwei Gruppen mit je 18 Probanden gebildet: Die Mitglieder der ersten Gruppe waren zwischen 20 und 30 Jahre alt, das Durchschnittsalter in der zweiten Gruppe lag bei 66 Jahren. Während des Versuchs musste jeder Proband verschiedene Tests am Computer absolvieren: Aus einer Vielzahl von Symbolen sollten die Teilnehmer immer wieder ein vorgegebenes, abweichendes Symbol erkennen. Per Mausklick mussten sie reagieren, je nachdem, ob die Symbole nach unten oder oben geöffnet waren. Vor jeder Sequenz leuchtete am Computer eine Symbolfolge mit einer irrelevanten Information auf, die farblich mit dem Zielsymbol übereinstimmte. Teilnehmen konnten nur gesunde Probanden, deren Sehvermögen nicht beeinträchtigt war und die an keinen neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer litten.

Das Ergebnis: Ältere Probanden machten im Vergleich häufiger Fehler und brauchten länger als jüngere, wie die Analyse der Verhaltensdaten gezeigt hat.

Junge Menschen können ihre Aufmerksamkeit schneller neu ausrichten

„Klar wurde aber auch, dass sich diese Ergebnisse nicht nur damit erklären lassen, dass ältere Menschen Informationen generell langsamer verarbeiten“, sagt IfADo-Studienautorin Christine Mertes. Denn die Unterschiede zwischen den Altersgruppen blieben auch dann konstant, wenn die Probanden mehr Zeit für die Bearbeitung der Aufgabe hätten. Um die grundlegenden Mechanismen im Gehirn besser zu verstehen, haben die Forscher daher die Hirnaktivität der Probanden während der Computeraufgaben mittels Elektroenzephalografie (EEG) aufgezeichnet. Die Datenauswertung deutet darauf hin, dass je nach Alter unterschiedliche Suchstrategien angewendet werden. 

So lassen sich junge Menschen von dem irrelevanten, aber ähnlichen Symbol zwar kurz ablenken. Sie reagieren aber schnell und können ihre Aufmerksamkeit neu ausrichten.

Ältere Menschen: störende Reize überlagern relevante Informationen

Bei Älteren fehlt dieser Unterdrückungsmechanismus, wie die EEG-Daten zeigen. In dieser Gruppe kann der irrelevante, aber ähnliche Reiz nicht so gut unterdrückt werden. Er wird im Arbeitsgedächtnis abgespeichert und überlagert so die Reaktion auf die eigentlich relevante Information. 

„Während die jungen Probanden ihre Aufmerksamkeit flexibel auf den abweichenden Reiz richten, orientieren sich ältere Teilnehmer an festen Eigenschaften, wie in diesem Fall beispielsweise der vorgegebenen Zielfarbe. So können sie Schwächen bei der Informationsverarbeitung, wie fehlende Unterdrückungsmechanismen, kompensieren“, erklärt Mertes. Dieses Grundlagenwissen könnte helfen das Arbeitsumfeld optimal an die Bedürfnisse einer alternden Belegschaft anzupassen.



Publikation:
Mertes, C., Wascher, E., Schneider, D. (2017): Compliance instead of flexibility? On age-related differences in cognitive control during visual search. Neurobiology of Aging. doi: 10.1016/j.neurobiolaging.2017.02.003