Im ersten Teil dieses Artikels „So kreieren Sie ein ästhetisches Praxiskonzept“ wurden die fünf Faktoren eines ästhetischen Praxiskonzepts vorgestellt: Farbe, Form, Material/Oberfläche, Licht und Praxisgliederung/-wirkung. Doch nicht jeder Praxisinhaber möchte seine Praxis von Grund auf neu gestalten, sondern wünscht sich vielleicht nur eine punktuelle Veränderung im Erscheinungsbild seiner Praxis.
Den größten Veränderungseffekt erzielt man mit dem Einsatz von Farbe. Da die Wandflächen die größten Flächen einer Praxis sind, sollte man sich hier von gesättigten und überstrahlten Farben verabschieden und stattdessen auf solche Farben zurückgreifen, die einen gewissen Grauanteil besitzen – also ungesättigte Farbnuancen. Diese Nuancen wirken solide und ruhig. Pastellige Farben sind ebenfalls sehr beliebt, vermitteln sie doch Leichtigkeit und Zartheit. Auch eine akzentuierende Tapete mit einem interessanten Muster oder einer ungewöhnlichen Haptik sind denkbar.
Wichtig ist, dass bei einer Veränderung der Wandfarbe immer die Möbelfarbigkeiten und insbesondere die Farbigkeit des Bodens berücksichtigt werden. Denn Farben stehen immer im Wechselspiel miteinander und können nicht isoliert betrachtet werden. Kleine Details wie ein umlaufender zehn Zentimeter breiter weißer Streifen zwischen Decke und oberer Wandkante lassen den Raum weniger hart und die Decke weniger aufgesetzt wirken.
Die Praxis in neues Licht rücken
Untrennbar miteinander verbunden ist die Farbe mit dem Licht. Ohne Licht gibt es keine Farbe.
Sprichwörtlich „ins neue Licht rücken“ lässt sich eine Praxis mit mehr Lichteinfall: Glastüren beispielsweise leiten Tageslicht bis in die inneren Flurbereiche und Räume. Nachträglich aufgebrachte sogenannte Milchglasfolien schirmen neugierige Blicke durch die Glastüren ab, lassen aber trotzdem noch ausreichend Tageslicht durch die Glastüren hindurch. Spielt man hier mit der Form der Milchglasfolien, ergeben sich interessante Türgestaltungen. Grundsätzlich lässt sich jeder Buchstabe und jede Form in Folie schneiden und auf eine Glastür aufbringen.
Grundsätzlich gilt, dass überall dort, wo das Geschick des Behandlers gefragt und hohe Konzentration gefordert ist, das Umgebungslicht ausreichend hell sein muss. Diverse Hersteller bieten Flächenleuchten mit einer Höhe zwischen fünf und zwölf Zentimeter und einer semitransparenten Oberfläche an. Diese Lampen lassen sich über der Behandlungseinheit anbringen und geben ein gleichmäßiges, tageslichtähnliches Licht ab. In anderen Bereichen der Praxis lassen sich solche Lampen auch dimmen und erzeugen somit eine etwas wärmere Atmosphäre.
Vorsicht ist jedoch geboten, um eine Überstrahlung des Arbeitsbereichs zu vermeiden. Insbesondere bei Büroarbeiten ist es wichtig, trotz einer guten Lichtausbeute noch einen ausreichenden Kontrast zwischen Tischoberflächen und Papierdokumenten zu gewährleisten. Wird ein Arbeitsplatz durch Licht sehr aufgehellt, empfiehlt es sich, Arbeitsoberflächen im Backoffice oder im Rezeptionsbereich leicht gräulich zu gestalten. Auf den Arbeitsoberflächen liegende Papierdokumente heben sich so leichter ab und ermüden weniger schnell das Auge. Im Behandlungsbereich hingegen sind weiße Arbeitsoberflächen erste Wahl. Sie reflektieren genug Licht und unterstreichen durch die weiße Oberfläche den Hygieneanspruch des Behandlers.
Atmosphäre erzeugen
Eine wohlig warme Atmosphäre erreicht man zum Beispiel im Wartezimmer mit sanftem diffusen Licht, das nicht dazu gedacht ist, den Raum auszuleuchten, sondern ihn in Kombination mit einem warmen Wandfarbton und farbig kräftigen Accessoires entspannend wirken zu lassen. Der Raum erhält so eine leicht narkotische Wirkung. Dunkle Dekorationsgegenstände lassen sich mit Spots außerdem zielgerichtet anstrahlen und hervorheben.
In bestehenden Praxen wurde oftmals die Quadratplattendecke verwendet. Die Deckenplattenelemente sind meist weiß und durch Aluminiumprofile voneinander getrennt. So entsteht ein monotones Raster, das die Decke nicht wirklich schön erscheinen lässt. Abhilfe schafft das Ersetzen einzelner Deckenplatten durch farbige Pendants oder durch Deckenplattenelemente mit einer integrierten Beleuchtung. Durch die verwendete LED-Technik lässt sich jede beliebige Lichtfarbe generieren und so einzelne Bereiche der Praxis hervorheben oder kaschieren. Generell gilt, dass dort, wo der Patient hinschauen solle, mit Highlights und Akzenten gearbeitet wird. Gleichzeitig greift der Grundsatz: „Weniger ist mehr.“
Mehraufwand bei der Umsetzung, aber ein beeindruckendes Ergebnis liefert ein Abhängen der Decke in Kombination mit einer Schattenfuge. Die Decke wirkt dadurch weniger ausgesetzt, und die Schattenfuge lässt sich beleuchten, was dem Raum Leichtigkeit gibt. Mit unterschiedlichen Lichtfarben werden hier ebenfalls verschiedene Stimmungen erzeugt.
Akzente setzen – Highlights erhalten
Licht spielt auch als wegweisendes und strukturierendes Element in einer Praxis eine wichtige Rolle. Besonders der Empfangstresen ist ein guter Ort, um Licht als Akzent zu verwenden. Der Empfangstresen lässt sich beispielsweise unterleuchten. Das heißt, dass die leicht zurückstehende Sockelkante von hinten oben beleuchtet wird. Das nimmt dem gesamten Empfangstresen die Schwere und könnte ein tolles Highlight in einer Praxis sein. Ebenso könnte auch der Tresen selbst durch eingelassene Plexiglaselemente in seiner Anmutung leichter werden. Diese Plexiglaselemente sind ebenfalls zu hinterleuchten.
Lange Flure werden durch minimalistische Wandleuchten aufgelockert. Diese werden im oberen Wanddrittel befestigt und werfen ihren Lichtstrahl nach oben und unten. So entstehen an der Wandfläche eindrucksvolle Lichtspiele. Nicht nur Licht und Farbe spielen bei der Optimierung von Praxisräumen eine entscheidende Rolle, auch die Accessoires, das Sitzmobiliar und Wandbilder haben einen hohen Stellenwert. Mit wenigen, dafür aber größeren Sitzmöbeln im Wartebereich erreicht man eine angenehmere Atmosphäre. Dabei muss es nicht immer eine klassische Wartezimmerbestuhlung sein: Was spricht gegen großvolumige und bequeme Sessel?
Großformatige Bilder oder Fotos an den Wänden setzen eindeutige Akzente in der Praxis. Dabei sollte auf kunterbunte Darstellungen verzichtet werden. Interessanter sind Schwarz-Weiß-Fotografien, die auf Leinwand gedruckt und auf einen Keilrahmen aufgezogen sind. Als Faustregel gilt: je kleiner die Praxis, desto größer die Bilder. Die Bilder können gern vom Boden bis zur Decke reichen.
Behandlungsräume gestalterisch optimieren
Auch die Behandlungsräume lassen sich gestalterisch optimieren: Ein Austausch der Bezüge der Behandlungseinheiten kann bereits ausreichen, um die Anmutung des Behandlungsraums komplett zu ändern. In Kombination mit der passenden Wandfarbe und den entsprechende Flächenvorhängen lässt sich so ein eindrucksvolles Ergebnis herbeiführen.
Neben all den Hinweisen und Tipps zählen am Ende das feste Vertrauen in die eigene Praxis und eine Portion Authentizität. Bei allen Anregungen sind es der Behandler und seine Kollegen, die tagtäglich in den Räumen einer Praxis agieren müssen und ihnen Leben einhauchen. Eine Gestaltung durch Licht, Farbe, Formen und Material kann da nur unterstützend wirken und sollte als sichtbar gewordene Praxisphilosophie verstanden werden.
Alexander Jahn, Leipzig
Zu unserem Autor
Alexander Jahn ist Diplom-Designer (FH) und Buchautor. Er studierte an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim und arbeitet in den Bereichen Kommunikationsdesign und Innenraumgestaltung. Seine Leidenschaft gilt seit jeher der Farbe. Unter diesem Fokus kreiert er Design für den Mittelstand, Konzerne und Privatpersonen. Heute lebt der gebürtige Jenenser in seiner Wahlheimat Leipzig.
Kontakt:
Alexander Jahn, Dipl.-Des. (FH)
E-Mail: jahn@farbmodul.de