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Risiko Zahnarztpraxis – Risiko Gesundheitswesen

Angesichts des steigenden unternehmerischen Drucks und zunehmender Auflagen aus Berlin ist es kein Wunder, dass die Anzahl der Praxen, die unter Bankenaufsicht stehen, stetig zunimmt. Doch wo genau liegen die versteckten Risiko-Fallen beim Unternehmen Zahnarztpraxis? Und wie wirkt sich das Vabanque-Spiel auf die Hauptperson, den Praxisinhaber, aus?

Ist die potenzielle Marktposition mithilfe entsprechender Tools analysiert, die Strategie entwickelt, Hard- und Software installiert und die Praxis eröffnet, ist schon viel Zeit und Schweiß geflossen, aber das wirkliche Drama beginnt erst jetzt. Der Zahnarzt stellt sich seinen Aufgaben bezüglich Therapie und Unternehmensführung zum einen sowie seinen Wettbewerbern zum anderen. Im Grunde ist er bestens gewappnet und auf alles vorbereitet. Doch was passiert, wenn sich plötzlich die Voraussetzungen ändern? Das Honorar entspricht nicht mehr dem Aufwand und der Leistung. Dafür werden die Patienten immer anspruchsvoller. Die Konkurrenz schläft nicht, der Druck wächst, das Abrechnungssystem nervt und die Gesundheitspolitik denkt sich immer neue Auflagen aus. Die Zeit verrinnt und fehlt schließlich für Patienten, Praxisführung und letztlich für die Familie und den Praxis-Chef selbst. Schnell sinkt die Patientenzahl mit proportional steigendem Stresspegel.

Viele Praxisinhaber fühlen sich zunehmend fremdbestimmt. - Foto: Gerd Altmann_pixelio.de [1]

Viele Praxisinhaber fühlen sich zunehmend fremdbestimmt. – Foto: Gerd Altmann / pixelio.de [2]

Das Ergebnis: Viele Praxisinhaber fühlen sich zunehmend fremdbestimmt und persönlich eingeschränkt und fragen sich, ob sie die richtige Berufswahl getroffen haben. Dem Gründeroptimismus, der Strategie und Kalkulation wird so plötzlich der Boden entzogen und der Praxisinhaber sucht verzweifelt nach Halt. Er improvisiert und macht es dadurch nicht besser. Ganz im Gegenteil. Die Hindernisse, die er zu überwinden hat, werden von Mal zu Mal größer. Mit dem Risiko der Praxisschieflage droht schon bald der Ruf um „letzte Hilfe“ beim Amtsgericht. Aber so weit muss und sollte es nicht kommen.

Eine Krise ist nichts Unnatürliches
Krisen gehören zu den möglichen, natürlichen Begleiterscheinungen einer freiberuflichen, ärztlichen Tätigkeit. Eine solche Krise zu meistern, ist schwierig, weil dies in der Regel nicht erlernt wird. Die schlechte Nachricht: Es gibt kein Patentrezept für eine Praxissanierung, denn jede Praxiskrise ist anders gestaltet. Aber was genau ist eine Krise? Pragmatisch betrachtet, schlichtweg ein Zustand ungenügender Erträge und nicht ausreichender Liquidität. Aber es steckt noch mehr dahinter.

Der erste Schritt ist immer die Suche nach der Ursache, um die richtigen Mittel für die Bekämpfung des Symptoms identifizieren zu können. Zuerst müssen Krisenherd, -art und -stadium bestimmt werden. Ein defizitäres Rechnungswesen mit Mängeln wie Unvollständigkeit, Unübersichtlichkeit, Ungenauigkeit und mangelnder Aktualität ist dabei oft zugleich Krisenindikator und Krisenverstärker. Damit wären neben den obigen äußeren möglichen Krisenfaktoren der Zahnarzt-Gegenspieler Nummer zwei lokalisiert. Zusätzliche Erfolgshindernisse und Krisenherde sind zudem zu finden im Management, beim Kapital, Controlling und Personal sowie dem eigenen Marketing.

Das sind zusammen sieben vielschichtige Risikofaktoren, von denen meist mehrere oder gar alle zusammen auftreten. Die Beratungserfahrung zeigt ferner, dass Krisen nicht plötzlich auftauchen. Doch gerade dieses „scheinbar“ Plötzliche, bedingt durch die zuerst genannten äußeren Faktoren, wird von den Ärzten für ihre Praxisschieflage als Primärgrund Nummer eins genannt. Wer die möglichen Ursachen bei sich selber sucht, ist schon auf der Gewinnerstraße und sieht einen Silberstreif am Horizont. Auch wenn es schmerzhaft ist: Vor dem Sieg, das heißt dem Gewinn, steht die Anstrengung.

Wichtig ist auch, sich rechtzeitig Hilfe zu holen, zum Beispiel von einem professionellen Berater. So kann sich der Zahnarzt auf seine Kernkompetenz konzentrieren. Oft werden jedoch die erfahrenen Experten zu spät hinzugezogen; wohl weil es für den freiberuflichen Zahnarzt auch keine juristischen, steuerlichen oder handelsrechtlichen Gründe für einen Insolvenzantrag gibt. Meist droht schon die Zahlungsunfähigkeit, der dann mit noch so vielfältigen und kreativen Ideen oft nicht mehr erfolgreich begegnet werden kann.

Urheberrecht und Homepage [3]

Zahnärzte sollten ohne wirtschaftlichen Druck arbeiten können. – Foto: Gerd Altmann / pixelio.de [2]

Veto für Zahnarzt und Patient
Es geht darum, Veränderung zu schaffen, im Großen wie im Kleinen. Die Praxis muss wieder auf Kurs gebracht werden. Denn Zahnärzte sollten ohne wirtschaftlichen Druck arbeiten können. Leider ist meist das Gegenteil der Fall. Es gibt immer mehr Arbeit für immer weniger Geld. Man denke nur an das Marburger Urteil (Sozialgericht Marburg, Urteil vom 20. Juni 2012 (Az: S 12 KA 152/12; Abruf-Nr. 122908) vom Juni 2012 zur Leistungs-Nachweispflicht für Zahnärzte. Dabei ist es ist kein Geheimnis: Abrechnung unter Druck macht das Prozedere nicht besser. Kein Wunder also, dass Experten derweil mit durchschnittlich 15 Prozent Leistungen rechnen, die erbracht wurden, aber gar nicht abgerechnet werden. Den reichlich Kosten produzierenden, wachsenden Auflagen aus Berlin (Hygieneverordnung, Qualitätsmanagement, Qualitätssicherung) wird noch dazu weder durch die neue Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ), noch durch die letzten Versuche von Honoraranpassungen entsprochen. Die neue „Vielfalt“ der GOZ – mit eingeschlossen das neue Liquidationsformular– machen das Gesamtkonstrukt schließlich auch nicht besser. Zahnärzte müssen aber seitens der Gesundheitspolitik entlastet werden. Nur so können sie auch Gesundheit schaffen. Da dem nicht so ist, ist unser Gesundheitswesen in Gefahr. Abhilfe tut also dringend not.

Stephan Kock, Berlin