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Eigene Chefin sein – anstrengend und erfüllend

In ihrem Element: Die Kieferorthopädinnen Dr. Britta Büntemeyer und Dr. Natalia Garcia. Foto: Manuel Hauptmannl [1]

In ihrem Element: Die Kieferorthopädinnen Dr. Britta Büntemeyer und Dr. Natalia Garcia. Foto: Manuel Hauptmannl

Team_CP_Slider_Bascha [2]Eine freundliche und entspannte Atmosphäre ist im Umgang der „Chefinnen“ miteinander und mit dem Team zu spüren. Und das, obwohl das Terminbuch voll ist, die Stapel auf den Schreibtischen nicht kleiner werden und nach der Arbeit Familie und Privatleben warten. Dass sie die Mittagspause zurzeit oft am Schreibtisch verbringen, sehen Dr. Britta Büntemeyer und Dr. Natalia Garcia gelassen. „Wir arbeiten weg, was geht. Der Rest muss warten“, sind sich die Kieferorthopädinnen einig. Mitte Dezember 2011 legten sie ihre Facharztprüfung ab. Am 2. Januar 2012 begann für sie die Arbeit in der Zahnarztpraxis, die Dr. Büntemeyer von ihrem Vorgänger in Darmstadt zusammen mit Dr. Garcia übernommen hatte. Die vergangenen drei Jahre seien anstrengend, aufregend, lehrreich gewesen – und erfüllend: „Wir würden es wieder so machen!“

Von der Zahnärztin zur Chefin
Dr. Büntemeyer und Dr. Garcia waren Studienkolleginnen und haben sich schon immer gut verstanden. So lag es auf der Hand, dass Dr. Büntemeyer ihre Freundin fragte, ob sie mit ihr zusammen eine Gemeinschaftspraxis führen wolle. Ein Angebot lag vor – der Inhaber der Praxis, in der Büntemeyer tätig war, wollte in den Ruhestand gehen und seine Praxis abgeben. Dr. Garcia sagte „ja“. Und dann ging alles innerhalb von einem halben Jahr über die Bühne.

Gespräche mit Verwandten, Bekannten, Freunden. Mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, mit der Landeszahnärztekammer, mit Steuerberater, der Deutschen Apotheker- und Ärztebank, mit dem Versicherungsvertreter. Mitgliedschaft bei der Berufsgenossenschaft und Landeszahnärztekammer, Beantragung eines polizeilichen Führungszeugnisses, Einträge in die „Gelben Seiten“ und das Telefonbuch, Pläne für den Umbau und die Renovierung der Praxis und, und, und …

„Obwohl ich schon fast vier Jahre in der Praxis gearbeitet hatte, kamen Sachen auf uns als Inhaberinnen zu, von denen wir zunächst keine Vorstellung gehabt hatten“, sagt Dr. Britta Büntemeyer. So war ihr und ihrer Kollegin beispielsweise nicht bewusst, dass Notausgang und Betriebsarzt gewährleistet sein und sie einen „Sicherheitstechnischen Dienst” beauftragen müssen.

Lachen gewünscht: Die Kieferorthopädinnen Dr. Britta Büntemeyer und Dr. Natalia Garcia legen viel Wert auf ein angenehmes und entspanntes Arbeitsklima. Foto: Manuel Hauptmannl [3]

Lachen gewünscht: Die Kieferorthopädinnen Dr. Britta Büntemeyer und Dr. Natalia Garcia legen viel Wert auf ein angenehmes und entspanntes Arbeitsklima. Foto: Manuel Hauptmannl

„Jeder durfte seine Meinung sagen, aber entschieden haben wir“
Vonseiten der Verwandten und Freunde gab es viel Zuspruch und Unterstützung. Und auch kritische Nachfragen: „Wollt ihr echt das Risiko einer Gemeinschaftspraxis eingehen?“, „Was ist, wenn ihr mal Kinder möchtet?“ Die Zahnärztinnen für Kieferorthopädie haben sich alle Argumente angehört und dann entschieden: Wir machen das. „Zum Glück haben Britta und ich sehr klare Vorstellungen und sind uns meist einig“, sagt Dr. Natalia Garcia. Auf diese Weise konnten sie als starkes Team auftreten und überzeugen.

Und doch war der Weg nicht leicht. Immer wieder gab es, neben den einkalkulierten Kosten, auch Überraschungen, die nicht geplant waren – wie etwa Wasserleitungen, die erneuert werden mussten oder die Neuanschaffung einer Telefonanlage. Ihr neues Logo und Corporate Design standen dagegen schnell. 2014 gingen sie dann auch mit einer eigenen Website ins Netz. „Wir hätten die Seite gerne früher gehabt, aber das wäre zu stressig geworden“, sagt Dr. Garcia und lacht. Die Seite habe auch gleich ein paar neue Patienten gebracht, berichtet sie zufrieden.

Behutsam den Wandel einläuten
Am Anfang der Praxisübernahme gab es andere Prioritäten: Die jungen Zahnmedizinerinnen erneuerten Toiletten und Wartezimmer, gestalteten ein separates Beratungszimmer, führten Computer ein, ersetzten Karteikarten durch digitale Patientendaten, standardisierten Prozesse, definierten und verteilten Aufgaben und Verantwortungen neu.

„Das Team auf diesem Weg mitzunehmen, dauert bis heute an“, sagt Dr. Büntemeyer. Ob Planung, Terminvergabe oder Hygienevorgaben, nicht immer sei es einfach, die eigenen Vorstellungen umzusetzen. Neben dem fachlichen Austausch über Patientenfälle ist sie froh, sich auch bei der Praxisführung mit ihrer Kollegin Natalia abstimmen zu können. „So stärken wir uns gegenseitig.“ Schritt für Schritt sei es ihnen gelungen, ein Großteil des Teams für die eigenen Ideen zu gewinnen.

Corporate Design: Das rosafarbene Nilpferd ist das Markenzeichen der kieferorthopädischen Zahnarztpraxis. Es findet sich auf sämtlichen Materialien und der Website wieder. Foto: Manuel Hauptmannl [4]

Corporate Design: Das rosafarbene Nilpferd ist das Markenzeichen der kieferorthopädischen Zahnarztpraxis. Es findet sich auf sämtlichen Materialien und der Website wieder. Foto: Manuel Hauptmannl

Feindseligkeiten und Blumensträuße
Auch die Akzeptanz der Patienten haben sich die beiden Jungunternehmerinnen zum Teil hart erkämpfen müssen. Manche Patienten reagierten misstrauisch und sogar feindselig auf vorgeschlagene Therapien, abweichend von den gewohnten Praktiken. Es verließen jedoch nur sehr wenige die Praxis – und von diesen kamen sogar einige zurück, wenn sie bei Kollegen die gleichen Behandlungsvorschläge erhielten.

„Wir haben Broschüren und andere Informationen mitgebracht, geduldig alle Fragen beantwortet und unsere Patienten ermuntert, sich eine Zweitmeinung einzuholen. Diese Mühe hat sich ausgezahlt“, erinnert sich Dr. Garcia. So haben sich sogar Skeptiker am Ende mit Blumen für den Behandlungserfolg bedankt. Auch die Zusammenarbeit mit zahnärztlichen Kollegen, Osteopathen und Physiotherapeuten läuft mittlerweile reibungslos.

„Die Zeit für Privatleben müssen wir uns nehmen“
Wo bleibt bei so viel Engagement noch Zeit für Privatleben? „Die müssen wir uns nehmen“, sagt Dr. Garcia und spricht damit stellvertretend auch für ihre Kollegin. Diese ist mit ihren 14 Monate alten Zwillingen etwas kürzer getreten und arbeitet zurzeit drei statt vier Tage in der Woche. Um den Patientenandrang dennoch gut zu bewältigen, haben die beiden eine Kollegin eingestellt, die sie einen Tag in der Woche unterstützt.

„Zwei Monate nach der Geburt meiner Söhne wieder in der Praxis zu stehen, war schon eine emotionale Herausforderung“, gesteht Dr. Büntemeyer. Da ihr Mann sie sehr unterstütze und sie eine tolle Tagesmutter habe, könne sie die Arbeit an drei Tagen jedoch mit gutem Gefühl und mit viel Freude ausüben.

Erkenntnisse und Tipps
Die wichtigsten Erkenntnisse, die die Selbstständigkeit den Darmstädter Zahnmedizinerinnen gebracht hat, waren: „Wir sind jetzt neben Kieferorthopädinnen auch Praxismanagerinnen, Personalverwalterinnen und Buchhalterinnen.“ Das seien neue Rollen, in die sie sehr schnell gewachsen seien. Ihr Tipp für Zahnmedizinstudentinnen zum Thema Praxisgründung und Praxisübernahme lautet: „Einfach machen! Nicht totplanen und nachdenken, sondern das Ganze auch spielerisch und mit Leichtigkeit sehen. Prioritäten setzen und ein Praxisschild lieber mal drei Tage später aufhängen, wenn’s gerade nicht passt. Und sich gute Partner und Berater suchen.“

„Ich wollte nicht zwingend in die Selbstständigkeit. Das hat sich so ergeben, und ich habe die Chance ergriffen“, sagt Britta Büntemeyer. Ohne Eigenkapital hat sie mit Dr. Garcia die kieferorthopädische Praxis übernommen. Die beiden fühlten sich von der Deutschen Apotheker- und Ärztebank sehr gut beraten und betreut.

„Sie wussten ja, dass die Praxis läuft, haben gesehen, dass wir die nötige Energie besitzen, und haben uns sehr zur Übernahme ermuntert“, so Dr. Büntemeyer. Ihr und Dr. Garcia ist bewusst, dass noch viel Arbeit vor ihnen liegt. Die Herausforderung sehen sie sportlich und spielerisch. „Die To-do-Liste hat jetzt nur noch 35.000 statt 70.000 Einträge. Wir sind zuversichtlich, dass auch diese in den nächsten Jahren schrumpfen werden“, lacht Dr. Garcia.

Und ein Ziel haben sich die Kieferorthopädinnen auf jeden Fall gesetzt: In fünf Jahren werden sie ihre Mittagspausen außerhalb der Praxis machen und nach dem Essen noch gemütlich einen Kaffee trinken.
Samya Bascha-Döringer, Marburg

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