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Der Zahnarzt als Arbeitgeber

Die Beschäftigung von Arbeitskräften, sei es von Helferinnen oder von angestellten Zahnärzten, bedingt für den Arzt regelmäßig die Position eines Arbeitgebers. Dies bedeutet für ihn die Übernahme einer Fülle von Rechten und Pflichten. Die wichtigsten arbeitsrechtlichen Strukturen sollten daher jedem Arzt geläufig sein.

I. Das Arbeitsrecht
Das Arbeitsrecht umfasst dabei diejenigen Rechtsnormen, die sich auf die in abhängiger Tätigkeit geleistete Arbeit beziehen. Es regelt die Rechtsbeziehungen zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer, welches regelmäßig im Arbeitsvertrag seine Grundlage hat.

II. Das Arbeitsverhältnis
Durch den Arbeitsvertrag verpflichtet sich der Arbeitnehmer – also die Helferin oder ein angestellter Zahnarzt – gegenüber seinem Arbeitgeber. Dem Arbeitnehmer obliegt insoweit die persönliche Erbringung der vereinbarten Leistung, während der Arbeitgeber insbesondere verpflichtet ist, den Arbeitslohn zu zahlen, den Arbeitnehmer zu beschäftigen und den vereinbarten Erholungsurlaub zu gewähren. Das Arbeitsverhältnis findet seine Beendigung durch Kündigung, Aufhebungsvertrag, Zeitablauf oder Tod des Arbeitnehmers. Das Arbeitsverhältnis findet hingegen kein Ende durch die Krankheit des Arbeitnehmers, den Tod des Arbeitgebers, im Falle des Betriebsübergangs (Paragraf 613a Absatz 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]) oder der Insolvenz einer der beiden Parteien.

Dr. Karlheinz Schnieder [1]

RA Dr. Karlheinz Schnieder

III. Die Bewerbersuche

Bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gilt zunächst der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Danach können sich die Parteien frei entscheiden, ob und mit wem sie ein Arbeitsverhältnis begründen wollen (Abschlussfreiheit) sowie – in gewissen Grenzen – wie der Inhalt des Arbeitsverhältnisses ausgestaltet werden soll (Inhaltsfreiheit). Jeder Zahnarzt weiß, dass der Erfolg der eigenen Praxen wesentlich von qualifizierten angestellten Arbeitnehmern abhängt. Auf der Suche nach Mitarbeitern wird der Arzt daher regelmäßig ein Bewerbungsverfahren durchzuführen haben. Bereits in diesem frühen Stadium der Vertragsanbahnung hat der Arzt in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber einige wesentliche rechtliche Vorschriften zu beachten. Denn bereits im Rahmen der Anbahnung des Vertrags gelten die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Dieses Gesetz bezweckt Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Arbeitnehmer, die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, arbeitnehmerähnliche Personen, Bewerber und ausgeschiedene Arbeitnehmer dürfen nicht wegen einer der vorgenannten Gründe benachteiligt werden. Große praktische Bedeutung hat dies für Stellenanzeigen. Ein Arbeitsplatz darf nicht unter Verstoß gegen eines der genannten Merkmale ausgeschrieben werden. Ein dennoch erfolgter Verstoß kann erhebliche Konsequenzen mit sich bringen: Das Gesetz sieht Unterlassungs-, Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche vor. Bei einer Nichteinstellung eines Bewerbers aufgrund eines Verstoßes gegen das AGG kann der Bewerber eine Entschädigung in Höhe von bis zu drei Monatsgehältern verlangen, selbst wenn er bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Um diese möglichen Rechtsfolgen zu vermeiden, ist es zwingend erforderlich, Stellenanzeigen neutral in Bezug auf die Benachteiligungsverbote des AGG zu formulieren.

IV. Der Arbeitsvertrag
Vielfach treffen die Vertragsparteien keine oder auf Basis „von Musterverträgen“ unzureichende vertragliche Regelungen, was häufig zu Streitigkeiten zwischen dem Arzt und dem angestellten Personal und damit zu einer Belastung des Betriebsklimas führen kann. Es ist daher überaus wichtig, in rechtlicher Hinsicht belastbare, verständliche und präzise Formulierungen in einem Arbeitsvertrag niederzulegen. Der Arbeitsvertrag unterliegt grundsätzlich keinem Formzwang. Er kann also auch mündlich oder stillschweigend abgeschlossen werden. Das Nachweisgesetz (NachwG) regelt lediglich die Verpflichtung des Arbeitgebers, zumindest die wesentlichen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses schriftlich niederzulegen. Um jedoch das Streitpotenzial zukünftig so gering wie möglich zu halten, sollten die Vertragspartner im Rahmen eines Arbeitsvertrags sämtliche Rechte und Pflichten einer sorgfältigen Regelung zuführen. Darüber hinaus bietet ein juristisch sorgfältig abgefasster Arbeitsvertrag die Möglichkeit für den Arzt, rechtliche Spielräume im Rahmen der juristisch zulässigen Gestaltungsmöglichkeiten auszunutzen. Richtig formuliert bietet der Arbeitsvertrag die Chance, die vertragliche Gestaltung optimal zur Effektivitätssteigerung der Arztpraxis im Personalbereich zu nutzen.

Einzelne vertragliche Regelungsmöglichkeiten sind dabei insbesondere die Probezeit, die Möglichkeit einer Befristung, Regelungen betreffend die Arbeitszeit, den Arbeitsort und die Arbeitsleistung, Nebentätigkeiten, Erholungsurlaub, Kündigungsregelungen, Vergütung, Überstunden und Sonderzuwendungen/Gratifikationen.

V. Die Kündigung

Ein Anstellungsverhältnis zwischen einem Arzt und einem Angestellten, sei es eines anderen angestellten Arztes oder einer Helferin, ist zwar grundsätzlich auf Dauer angelegt. Beide Vertragsparteien können allerdings ein Interesse daran haben, das Arbeitsverhältnis nicht weiterzuführen, es also zu beenden.

Die Parteien haben dabei beispielsweise die Möglichkeit, einen Aufhebungsvertrag zu schließen. Der Vorteil einer derartigen Vereinbarung liegt aus Sicht des Arbeitsgebers darin, die Risiken einer Kündigung und des sich häufig anschließenden Rechtsstreits zu vermeiden. Zudem besteht der weitere Vorteil, dass keine gesetzlichen, tariflichen oder einzelvertraglichen Kündigungsfristen eingehalten werden müssen und – soweit vorhanden – der Betriebsrat nicht beteiligt werden muss. Für den Arbeitnehmer kann bei einer schweren arbeitsvertraglichen Verfehlung, welche gegebenenfalls eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen würde, ein Interesse an einer Aufhebung statt einer Kündigung bestehen. Nicht zuletzt können insoweit Kündigungsfristen abgekürzt werden, wenn der Arbeitnehmer sofort ein anderes Arbeitsverhältnis antreten möchte.

Die praktisch häufigste Form der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ist der Ausspruch einer Kündigung. Unter welchen Umständen, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form eine Kündigung möglich ist, ergibt sich in Teilen aus dem Arbeitsvertrag und im Weiteren aus den gesetzlichen Vorschriften. Die Kündigung bedarf nicht des Abschlusses eines Vertrags, sondern kann einseitig von einer Person erklärt werden. Es handelt sich um eine sogenannte einseitige, empfangsbedürftige rechtsgestaltende Willenserklärung, die das Arbeitsverhältnis für die Zukunft beenden soll. Zur Wirksamkeit einer Kündigung hat diese schriftlich zu erfolgen. Dies gilt für die Arbeitsgeber- und die Arbeitnehmerseite, die ordentliche und die außerordentliche Kündigung. Für die Erklärung der Kündigung ist ein bestimmter Inhalt, das heißt, ein bestimmter Wortlaut nicht vorgesehen. Der Kündigungswille muss aber aus der Erklärung eindeutig hervorgehen, es muss also für den Empfänger der Kündigungserklärung unmissverständlich klar sein, dass das Arbeitsverhältnis enden soll. Bei der Kündigung handelt es sich um eine zugangsbedürftige Willenserklärung. Der Zugang der Kündigungserklärung beim Kündigungsempfänger muss sichergestellt werden. Erst mit dem Zugang der Kündigung wird diese wirksam. In der Praxis hat es sich bewährt, die Kündigung dem Arbeitnehmer persönlich in Anwesenheit von Zeugen zu übergeben. Sollte dies nicht möglich sein, ist der sicherste Weg die Zustellung der Kündigung durch einen namentlich zu benennenden Boten des Kündigenden, der diese spätestens am Tage vor dem späteren Kündigungszeitpunkt in den Briefkasten einwirft, dies protokolliert und für die Richtigkeit seiner Angaben auch als Zeuge benannt werden kann. Möchte man ganz sicher gehen, kann auch durch Zeugen dokumentiert werden, dass die Kündigung in den eingeworfenen Briefumschlag eingelegt wurde (Eintütungsprotokoll).

Die außerordentliche (fristlose) Kündigung ist gemäß Paragraf 626 BGB zulässig und wirksam, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer den Kündigenden, also dem Praxisinhaber oder Angestellten, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann.

Der in der Praxis wichtigste Beendigungstatbestand eines bestehenden Arbeitsverhältnisses ist hingegen die ordentliche Kündigung. Für diese Form der Kündigung gelten besondere Kündigungsfristen. Die Kündigungsfristen ergeben sich aus Paragraf 622 BGB, soweit sich nicht zugunsten des Angestellten günstigere Kündigungsfristen aus dem Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag ergeben.

VI. Kündigungsschutz

Ungeachtet der beschriebenen Formalien, die zu jeder Kündigung gehören, hat der Gesetzgeber zum Schutz bestimmter Arbeitnehmergruppen deren Kündbarkeit durch gesetzliche Hürden verboten oder erheblich eingeschränkt (besonderer Kündigungsschutz). Die im Berufsleben besonders geschützten Personengruppen sind insbesondere Frauen während der Schwangerschaft und nach der Geburt (Mutterschutz), Arbeitnehmer in der Elternzeit, Schwerbehinderte, Auszubildende, Wehr- und Zivildienstleistende sowie Arbeitnehmervertreter.

Neben dem besonderen Kündigungsschutz ist der allgemeine Kündigungsschutz zu beachten, den jeder Arbeitnehmer in Anspruch nehmen kann, wenn ihm fristgerecht gekündigt worden ist und er – wie die Mehrheit der Arbeitnehmer – unter den Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes fällt. Für den Arbeitgeber bedarf der Ausspruch einer Kündigung im Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) grundsätzlich einer „sozialen Rechtfertigung“. Andernfalls ist sie unwirksam. Das KSchG greift allerdings nicht bei allen Arbeitsverhältnissen ein, sondern vielmehr nur dann, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Das KSchG galt bis zum 31. Dezember 2003 nur in Betrieben/Praxen, in denen regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt waren. Nach der nunmehr geltenden Gesetzeslage wurde diese Grenze auf zehn Arbeitnehmer erhöht; dies gilt jedoch nur für die Arbeitnehmer, die nach dem 31. Dezember 2003 angestellt worden sind.

VII. Pflichten kennen – Streit vermeiden
Vor dem Hintergrund der beschriebenen Ausführungen sollten die wichtigsten arbeitsrechtlichen Strukturen jedem Zahnarzt geläufig sein, sei es um Streitigkeiten zu vermeiden oder im Rahmen der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses die vorhandenen Strukturen optimal nutzen zu können.

RA Dr. Karl-Heinz Schnieder, Münster

Zur Person:
Rechtsanwalt Dr. Karl-Heinz Schnieder ist seit 1994 niedergelassener Rechtsanwalt; 1994 erfolgte die Promotion. Der Fachanwalt für Medizinrecht und Sozialrecht ist darüber hinaus auch als Lehrbeauftragter der Universität Münster tätig. Dr. Schnieder ist außerdem als Referent wie auch als Autor zahlreicher Publikationen aktiv. So ist er Mitherausgeber und Autor der Bücher Arztrecht, Zahnarztrecht und Tierarztrecht.
Dr. Schnieder ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen Anwaltsverein, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Kassenarztrecht e.V., Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Recht und Politik im Gesundheitswesen sowie Mitglied im Deutschen Netzwerk Neue Versorgungsformen der Apotheker- und Ärztebank Düsseldorf. Er ist außerdem Initiator und Gründer der Gesundheitsregion-Stadt e.V., medizinische Netzwerke in Deutschland.