Chefsache: Wo stehen Sie eigentlich in Ihrem Team?

Mehr als 14 Jobs bis zum 40sten Lebensjahr, Work-Life-Integration statt Work-Life Balance, Generation Y und Z und immer mehr Digitalisierung – die Art, wie wir arbeiten, ändert sich mehr und mehr. Das hat auch für Praxischefs und ihre Teams große Auswirkungen.

Wer auf der richtigen Position steht, kann viele Bälle besser zurückspielen. Foto: Shutterstock.com/vectorfusionart

Wer auf der richtigen Position steht, kann viele Bälle besser zurückspielen. Foto: Shutterstock.com/vectorfusionart

Werner Katzengruber, Gründer und Geschäftsführender Gesellschafter der KHD Group, betrachtet seit mehr als 20 Jahren die Auswirkungen der technologischen Veränderungen auf Unternehmen. Daraus entwickelt er zukunftsfähige Arbeitsmodelle und Lösungen für resultierende Führungskonzepte, die eine tragfähige Basis für Organisationen bilden.

Hier erläutert er das Thema Führungsstile und -modelle – und wo man als Führungskraft am besten steht.

Ich nehme oft den sogenannten Kreis der Führung, um Führungskräften zu zeigen, wo sie sich in ihrem Team am wirkungsvollsten positionieren.

Angenommen, Sie stellen ein Team als Kreis dar, dann können sich insgesamt drei Positionen ergeben, in denen die Führungskraft stehen kann.
Die meisten Führungskräfte sehen sich selbst in der Mitte des Kreises. Dann arbeiten sie aber nicht am Team, sondern im Team. Ich empfehle, als Führungskraft eine Position am Rande des Kreises einzunehmen. Das nenne ich die „No-Problem-Zone“: Dort haben Sie in der Regel die Möglichkeit, Einfluss auf das Team zu nehmen und gleichzeitig Schnittstelle nach außen zu sein.

  1. Positionierung in der Mitte des Teams

Führungskräfte, die auf diese Art und Weise im Mittelpunkt ihres eigenen Universums stehen, müssen mit der Konsequenz leben, dass sich alles nur um sie dreht. Sie bilden einen einzigen festen Bezugspunkt innerhalb des Teams und damit gleichzeitig eine ideale Projektionsfläche für die Erwartungen der Mitarbeiter. Im Mittelpunkt zu stehen bedeutet auch, permanent beobachtet zu werden. Das gute Gefühl, gebraucht zu werden, wird dann zur Last, wenn es keine Rückzugsmöglichkeiten mehr gibt. Die Mitarbeiter lernen in dieser Position sehr schnell kontraproduktive Verhaltensweisen: Sie werden sich in Sachen Problemlösungskompetenz nicht weiterentwickeln und auch nicht mehr Verantwortung übernehmen wollen. Schließlich kümmert sich ja die Führungskraft um alles Wichtige selbst. Das permanente Verharren in dieser Position kann im schlimmsten Fall krankmachen und zu Erschöpfungssyndromen wie Burnout führen.

„Nur, wenn Mitarbeiter lernen, ihre Probleme selbst zu lösen, oder zumindest einige Alternativen für einen Lösungsvorschlag selbst zu erarbeiten, werden sie sich innerhalb ihrer Gruppe weiterentwickeln.“
Werner Katzengruber

Zwischen Herausforderung und Frust

Um Mitarbeiter zu entwickeln, müssen diese vor Aufgaben gestellt werden, deren Schwierigkeitsgrad herausfordernd, aber nicht frustrierend ist. Nur wenn Mitarbeiter lernen, ihre Probleme selbst zu lösen, oder zumindest einige Alternativen für einen Lösungsvorschlag selbst zu erarbeiten, werden sie sich innerhalb ihrer Gruppe weiterentwickeln. Auf diese Weise kann die Führungskraft auch feststellen, welcher Mitarbeiter über die Fähigkeiten und Kompetenzen verfügt, die für einen weiteren Karriereschritt oder die Übernahme von mehr Verantwortung geeignet sind.

Der Kreis der Führung (Grafik: KHD – Katzengruber Human Development Group GmbH)

Der Kreis der Führung (Grafik: KHD – Katzengruber Human Development Group GmbH)

Es gibt natürlich Situationen, in denen sich die Führungskraft in den Mittelpunkt stellen muss. Zum Beispiel, wenn es darum geht, Konflikte und Probleme zu lösen, die für die Mitglieder der Gruppe selbst nicht lösbar sind. Steht die Führungskraft im Mittelpunkt der Gruppe, ist sie jederzeit informiert und an den Entscheidungen der Gruppe beteiligt. Sie hat einen großen Einfluss und die Kontrolle über die Aktivitäten innerhalb des Teams. Wenn sich alles um die Führungskraft dreht, wird sie mit allen Themen konfrontiert. Das Team konzentriert sich auf die Führungskraft und sieht keine Notwendigkeit, sich selbst zu organisieren oder Verantwortung zu übernehmen.

  1. Positionierung an der Schnittstelle zum Team: am Rande des Kreises

An der Schnittstelle zum Team, also am Rand des Kreises, hat die Führungskraft Verantwortung delegiert. Es dreht sich nicht mehr alles nur um die Führungskraft, sie bildet nicht mehr den Mittelpunkt des Universums. In dieser Position muss die Führungskraft sicherstellen, dass die Gruppe über genügend Kompetenz verfügt, Probleme zu erkennen und eigenverantwortlich zu lösen. Vertrauen ist in dieser Position ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Aspekt. Die Gruppe muss sich sicher sein, dass ihr die Führungskraft vertraut und sie für fähig hält, eigene Entscheidungen zu treffen.

Die Führungskraft wiederum muss sich gewiss sein, dass das Vertrauen der Gruppe zu ihr so groß ist, dass sie bei Problemen, die sie selbst nicht lösen kann oder bei deren Lösung sie Unterstützung benötigt, die Führungskraft um Hilfe bittet.

Die Fähigkeiten und Grenzen der eigenen Mitarbeiter erkennen

Diese Form der Führung bedeutet, die Fähigkeiten und Begrenzungen der eigenen Mitarbeiter sehr genau zu kennen, sie über einen längeren Zeitraum zu beobachten und richtig zu beurteilen. Diese Position kann eine Führungskraft nur einnehmen, wenn sie sicher ist, die richtigen Mitarbeiter in der jeweiligen Position zu haben, die in der Lage sind, sich selbst zu organisieren und zu führen.

„Standardisierte Beurteilungsbögen und jährliche Feedback-Gespräche reichen nicht aus: Esrt ein kontinuierlicher Dialog und eine gelebte Feedback-Kultur bieten eine solide Grundlage für Entscheidungen.“
Werner Katzengruber

Sind diese Mitarbeiter nicht vorhanden, ist das Risiko, dass es zu Fehlern kommt, entsprechend hoch. Standardisierte Beurteilungsbögen und jährliche Feedback-Gespräche reichen dafür nicht aus. Ein kontinuierlicher Dialog und eine gelebte Feedback-Kultur bieten eine solide Grundlage für Entscheidungen. Dafür wird Zeit benötigt, die knappste Ressource aller Führungskräfte.

  1. Positionierung außerhalb des Teams

Häufig wird der Führungskreis von Führungskräften aus Angst nicht verlassen. Die größte Angst ist dabei, dass ohne die Führungskraft die Abteilung oder das gesamte Unternehmen nicht mehr funktionieren. Die Regenerationsphase außerhalb der Gruppe ist für jede Führungskraft wichtig, denn nur dort findet sie die Ruhe, um neue Ideen und Visionen zu entwerfen, ohne durch die Gruppe beeinflusst zu werden. Die meisten Innovationen oder neuen Ideen entstehen sowieso nicht während der Arbeitszeit. Sie sind oft das Ergebnis von Entspannung und Kontemplation. Fehlen diese Auszeiten, führt das Ungleichgewicht zwischen Be- und Entlastung unweigerlich in eine Überlastungssituation und im schlimmsten Fall zu Krankheiten. Und das sollte man in jedem Fall vermeiden.
Werner Katzengruber, Baierbrunn bei München

 

Werner Katzengruber zum Weiterlesen in Chance Praxis:

  • Schöne neue Arbeitswelt? Alles im Wandel – wie wir künftig leben und arbeiten (CP1/2017)
  • Die größten Führungsfehler (CP 3/2017)

Zu unserem Autor:

 

Werner Katzengruber (Foto: KHD – Katzengruber Human Development Group GmbH)

Werner Katzengruber (Foto: KHD – Katzengruber Human Development Group GmbH)

Werner Katzengruber, geboren 1963 im österreichischen Hall/Tirol, wurde nach seinem psychologischen und betriebswirtschaftlichen Studium in den USA, Deutschland und der Schweiz in den USA zum Coach qualifiziert. Er verfügt über Moderations-, Trainer- und Mediationsausbildungen und ist als zertifizierter Personaldiagnostiker ein anerkannter Experte. Er ist Autor zahlreicher Publikationen und Fachbücher und gefragter Keynote-Speaker und Vortragsredner.

Kontakt:
www.khd-group.com | www.transolution-institute.com | www.if-pd.com | www.globalgg.net |

 

 

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