ApoBank-Studie „Zukunftsbild Heilberufler 2030“

Die zunehmende Feminisierung der Heilberufe, der Trend zur Teilzeitbeschäftigung und Kooperationen, verbunden mit dem demografischen Wandel und dem technologischen Fortschritt verändern die Patientenversorgung. Die Deutsche Apotheker- und Ärztebank (ApoBank) hat rund 400 Ärzte, Zahnärzte und Apotheker befragt, wie sie selbst die künftigen Entwicklungen im Gesundheitswesen einschätzen. Die Ergebnisse werden in der repräsentativen Studie „Zukunftsbild Heilberufler 2030“ dargestellt, die gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut Forsa durchgeführt wurde.

Das Rollenverständnis des Heilberuflers wird sich künftig hin zum Berater, Dienstleister und Gesundheitsmanager wandeln. Foto: shutterstock.com/Sergey Nivens

Das Rollenverständnis des Heilberuflers wird sich künftig hin zum Berater, Dienstleister und Gesundheitsmanager wandeln. Foto: Shutterstock.com/Sergey Nivens

Die Rolle des Heilberuflers verändert sich

Über alle Heilberufsgruppen hinweg geht die überwiegende Mehrheit der Befragten davon aus, dass der Heilberufler im Jahr 2030 als Dienstleister wahrgenommen (83 Prozent), während das Image als „Halbgott in Weiß“ endgültig überholt sein wird (79 Prozent). Insgesamt aber zeichnen die Heilberufler ein selbstbewusstes Bild von ihrem Berufsstand: 71 Prozent sind sich sicher, dass sie auch im Jahr 2030 hohes Vertrauen in der Bevölkerung genießen werden.

Methodik

Onlinebefragung von über 400 Ärzten, Zahnärzten und Apothekern im Alter von 25 bis 40 Jahren, mit mindestens drei und maximal neun Jahren Berufserfahrung nach Abschluss des Studiums – also diejenigen, die 2030 eine tragende Rolle in der Gesundheitsversorgung spielen werden.

Der Patient wird anspruchsvoller

91 Prozent der Ärzte, Zahnärzte und Apotheker rechnen damit, dass der Patient in Zukunft höhere Ansprüche an ihre Leistungen stellen wird. Nicht zuletzt dadurch, weil er im Jahr 2030 informierter sein wird als heute, davon sind 85 Prozent der Befragten überzeugt. Zudem halten es 59 Prozent für wahrscheinlich, dass der Patient auch häufiger bereit sein wird, für Gesundheitsleistungen selbst zu zahlen.

Die Praxis oder Apotheke „um die Ecke“ wird seltener

Die Mehrheit (55 Prozent) der Befragten sieht in der Einzelpraxis beziehungsweise der Einzelapotheke ein Auslaufmodell. Demnach wird sich auch in Zukunft der Trend zu Anstellung und Kooperation weiter fortsetzen. Die Versorgungslücke im ländlichen Bereich füllen nach Ansicht von zwei Dritteln der Heilberufler künftig Krankenhäuser, die als „Allrounder“ sowohl die stationäre als auch die ambulante Versorgung übernehmen werden.

Die Heilberufler-Patienten-Bindung bröckelt

65 Prozent der Befragten fürchten, dass es 2030 eine geringere Bindung zwischen dem Heilberufler und seinen Patienten beziehungsweise Kunden geben wird. Dazu trägt auch die sich wandelnde Struktur der ambulanten Versorgung mit weniger Einzelpraxen und mehr Kooperationen bei: Sie führt häufiger zu einem Wechsel des Arztes und infolgedessen auch zu einer geringeren sozialen Verbundenheit mit diesem. Jeder zweiter Heilberufler geht zudem davon aus, dass der Patient künftig aktiv mehr Eigenverantwortung für seine Gesundheit übernehmen und vermehrt Präventionsmaßnahmen betreiben wird als heute.

Spezialisierung und Kapitalisierung prägen das künftige Gesundheitswesen

Die Heilberufler sind sich weitgehend einig (90 Prozent), dass Spezialisierung künftig in allen Bereichen – ob Studium, Praxis oder Apotheke – eine notwendige Voraussetzung für den eigenen Erfolg darstellt. Zusätzlich erwarten mehr als 80 Prozent der befragten Ärzte, Zahnärzte und Apotheker eine zunehmende Kapitalisierung der Versorgungsstrukturen, bei der Praxen und Apotheken durch private Investoren aufgekauft und in bundesweiten Kettenkonzepten integriert werden.

Digitalisierung: evolutionär bis revolutionär

86 Prozent aller Heilberufler gehen davon aus, dass die Digitalisierung ihre Arbeit in Zukunft sinnvoll unterstützen wird. Lösungen bei der Verwaltung, die die „Zettelwirtschaft“ abnehmen – wie zum Beispiel digitale Abrechnungen zwischen Apotheken und Krankenkassen, elektronische Rezepte, computergestützte Diagnostik, digitales Management der Medikamenteneinnahme oder die Online-Gesundheitsakte – gehören 2030 nach Ansicht der überwiegenden Mehrheit zum Standard. 40 Prozent der Befragten glauben sogar, dass die Digitalisierung künftig den Heilberufler in Teilen ersetzen wird.

Vom Halbgott in Weiß zum Dienstleister mit Vertrauen

„Die Studie offenbart, dass sich das Rollenverständnis des Heilberuflers hin zum Berater, Dienstleister und Gesundheitsmanager wandelt. Ein neues Image entsteht, das durchaus positiv besetzt und eine adäquate Antwort auf das gesteigerte Anspruchsverhalten der zu Gesundheitskunden emanzipierten Patienten sein kann“, sagt Daniel Zehnich, Direktor des Bereichs Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik und Leiter der Studie. „Im Ergebnis sehen wir, dass Faktoren wie Digitalisierung, Spezialisierung, Kapitalisierung oder eben ein sich wandelndes Heilberufler-Patient-Verhältnis das ‚System Gesundheitsmarkt‘, wie wir es heute kennen, in den nächsten Jahren deutlich verändern werden.“

Wie sehen die einzelnen Heilberufsgruppen ihr unmittelbares berufliches Umfeld in Zukunft?

Die Befragung der Zahnärzte zeigt, dass sowohl Frauen als auch Männer die Selbständigkeit künftig als die attraktivste Berufsausübungsform sehen – am ehesten werden dabei Kooperationen gewählt: Sowohl Zahnärzte (35 Prozent) als auch Zahnärztinnen (23 Prozent) wollen vorrangig selbständig in einer BAG arbeiten. Ähnlich wie die Ärztinnen gehen über 60 Prozent der weiblichen Zahnärzte davon aus, dass sie 2030 in Teilzeit arbeiten werden. Drei Viertel der Männer planen in Vollzeit tätig zu sein. Größere Abweichung zeigen sich auch bei den in 2030 erwarteten Gehältern: Zahnärztinnen schätzen – ähnlich wie die Ärztinnen – das Einkommen im Median mit 81.000 bis 100.000 Euro deutlich niedriger ein als ihre männlichen Kollegen mit 121.000 bis140.000 Euro.

Die Befragung der Ärzte ergab vor allem unterschiedliche Präferenzen bei der Berufsausübung zwischen den Geschlechtern: So arbeitet die „typische“ Ärztin im Jahr 2030 als Angestellte im ambulanten Sektor: Die am häufigsten gewählte Berufsform bei den Frauen ist die Anstellung im MVZ (23 Prozent) – gefolgt von der Anstellung in einer Praxis (14 Prozent). Dabei hat Teilzeitarbeit eindeutig Vorrang (66 Prozent). Anders bei den männlichen Ärzten: Sie sehen sich vor allem selbständig in der BAG (20 Prozent). Doch fast genauso viele Mediziner wollen auch im Krankenhaus angestellt sein (19 Prozent). Dies sind in der Regel die fachärztlichen Kollegen. Immerhin ein Drittel der Männer kann sich vorstellen, im Jahr 2030 in Teilzeit zu arbeiten. Eine geschlechterspezifische Lücke tut sich auch bei den künftig erwarteten Gehältern auf: Frauen schätzen ihr Einkommen im Jahr 2030 im Median von 81.000 bis 100.000 Euro. Damit liegen sie um einiges niedriger als Männer mit 141.000 bis 160.000 Euro.

Die Befragung der Apotheker offenbart ein alarmierendes Zukunftsbild: 49 Prozent der Apothekerinnen und 43 Prozent der Apotheker sehen sich im Jahr 2030 in einer nicht kurativen Tätigkeit außerhalb der Apotheke, zum Beispiel in der Forschung oder Industrie. Wird doch eine Tätigkeit als Apotheker in Betracht gezogen, präferieren Frauen 2030 eine Anstellung in einer Apotheke (23 Prozent). Nur 9 Prozent von ihnen geben an, sich künftig mit einer Einzelapotheke selbständig machen zu wollen. Männer hingegen zieht es eher in die Selbständigkeit, dann aber mit einem Apothekenverbund (20 Prozent). Befragt nach den Gehältern, geben Apotheker niedrigere Werte an als die übrigen Heilberufsgruppen. So sehen sowohl Männer als auch Frauen im Median ein Einkommen zwischen 61.000 und 80.000 Euro für das Jahr 2030.

„Die vorliegende ApoBank-Studie zur Zukunft des Gesundheitswesens verdeutlicht einmal mehr, dass Deutschland mit Blick auf das Jahr 2030 in eine Versorgungslücke hineinläuft“, kommentiert Ulrich Sommer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der ApoBank. „Zwar gehen wir davon aus, dass ein Mehr an Digitalisierung Prozesse künftig effizienter und effektiver gestalten hilft, heilberufliche Leistungen von morgen sicher in Teilen auf andere Berufe im medizinischen Umfeld delegiert und sich an der Schnittstelle von ambulanter beziehungsweise stationärer Versorgung neue Arbeitsfelder für angehende Mediziner auftun werden. Dies allein wird jedoch unseren steigenden Bedarf an Gesundheitsleistungen nicht decken – zu sehr treiben die Demografie, die steigende Multimorbidität und die Ansprüche der ‚Gesundheitskunden‘ die Nachfrage. Speziell für die Apothekerschaft gilt es hier angesichts der Studienergebnisse rasch gegenzusteuern, wenn sich diese Versorgungslücke morgen nicht auftun soll. Wir brauchen also mehr Köpfe in den Heilberufen. Wenn wir die gewinnen möchten, müssen Politik und Standesorganisationen schon heute an anderen Rahmenbedingungen und Versorgungsstrukturen arbeiten.“

 

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