Praxis-Controlling & Co.– die ungenutzten Potenziale der Praxis entdecken

Dr. Gerhard Brodmann

Dr. Gerhard Brodmann

Die „goldenen“ Zeiten der Zahnheilkunde in Deutschland sind vorbei. Zahnärztliche Praxen heutzutage sind moderne Dienstleistungsunternehmen mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen. Ein qualitativ hochwertiges Behandlungsangebot ist zunächst die Grundvoraussetzung für den Erfolg einer Praxis, doch genügt dies längst nicht mehr. Die langfristige Sicherung des wirtschaftlichen Erfolgs steht heute im Vordergrund. Professionelles Praxismanagement wird zu einem Muss freiberuflicher Berufsausübung.

 

Was assoziieren Sie mit Controlling?

Bei vielen Kolleginnen und Kollegen ist dieser Begriff negativ belegt. Verbinden wir doch häufig mit Controlling die Vorstellung von „Kontrolle“, den Eingriff in die eigene Erfahrung und Kompetenz, mit Beaufsichtigung und Maßregelung, mit der Suche nach Fehlern und Schuld. Oder aber wir assoziieren mit „Controlling“ unsere – meistens kostspieligen – Erfahrungen mit einer zunehmenden Zahl von Beratern, die uns mit den unterschiedlichsten „Analyse- und Praxissteuerungs-Instrumenten“ (angefangen von einfachen Computerprogrammen bis hin zur Balanced Scorecard) glücklich machen wollen.

 

(Foto: Gerd Altmann,pixelio.de)

Viele Faktoren haben Einfluss auf den Erfolg einer Zahnarztpraxis. (Foto: Gerd Altmann / pixelio.de)

Was bedeutet Controlling überhaupt?

Controlling stammt aus dem amerikanischen Sprachgebrauch und bedeutet Steuerung, Regelung, Beherrschung. Praxis-Controlling bedeutet die (pro-)aktive und definierte, zielorientierte Einflussnahme des Zahnarztes auf die Entwicklung und das Ergebnis – das heißt, auf den Erfolg – des „Unternehmens Zahnarztpraxis“. Im Kern soll Controlling leisten, dass der Zahnarzt als Unternehmer seine Praxisziele nicht aus den Augen verliert, sie regelmäßig im Hinblick auf Realisierung und Erreichungsgrad überprüft, gegebenenfalls notwendige Korrekturmaßnahmen einleitet, die die Zielerreichung gewährleisten. Oder anders formuliert steht Controlling dafür, dass Planungswerte, die aus den Zielen des Praxisinhabers abgeleitet sind, durch steuerndes Eingreifen erreicht werden. Controlling, einmal als Methode verinnerlicht, ist die einfachste und effektivste Form des Praxismanagements.

 

Strategisches Controlling

Grundsätzlich unterscheidet man beim Praxis-Controlling die strategische von der operativen Komponente. Das strategische Controlling/Management beschäftigt sich im Wesentlichen mit der Stellung des Unternehmens Zahnarztpraxis im Markt beziehungsweise im Wettbewerb. Grob skizziert hat der Praxisinhaber – mit seinem individuellen Angebot an „Gesundheitsdienstleistungen“ – die richtigen Antworten zu finden auf Fragen wie

  • Warum sollen die Patienten ausgerechnet in meine Praxis kommen?
  • Welchen Patientennutzen bietet meine Praxis wirklich
  • Welche Stärken hat meine Praxis, und wie werden sie eingesetzt?
  • Wo liegen die ungenutzten Potenziale meiner Praxis?

 

Operatives Controlling

Das operative Controlling/Management umfasst einmal die klassischen betriebswirtschaftlichen Basisgrößen Rentabilität und Liquidität des Unternehmens Zahnarztpraxis. Die Frage nach der Rentabilität zielt auf die Wirtschaftlichkeit beziehungsweise die Ergiebigkeit der Leistungsprozesse, das heißt, welches Ergebnis (welcher Gewinn) wird mit welchem Mitteleinsatz erreicht, und ist dieser Mitteleinsatz gerechtfertigt? Die Frage nach der Liquidität zielt auf die Fähigkeit und Bereitschaft des Unternehmens, seinen Zahlungsverpflichtungen vollumfänglich und termingerecht nachzukommen.

Sind nun diese beiden Ergebnisgrößen einerseits von elementarer Bedeutung für das Unternehmen Zahnarztpraxis, so stehen sie doch andererseits am Ende beziehungsweise sind das Ergebnis einer Anzahl verschiedener Prozessstrecken. Früherkennung als zentrales Element der Praxissteuerung lautet die Geheimformel. Die Ursachen von Zielabweichungen müssen erforscht und analysiert werden. Geeignete Maßnahmen zur Ursachenausschaltung müssen anschließend definiert und durchgeführt werden. Im betriebswirtschaftlichen Sinne verbirgt sich zusammenfassend an dieser Stelle hinter dem Begriff des Controlling, ein Frühwarn- und Steuerungssystem für das Unternehmen Zahnarztpraxis.

 

(Foto: Simone Hainz, pixelio.de)

Was man nicht messen kann, lässt sich auch nicht kontrollieren – so lautet ein Leitsatz aus der Managementlehre. (Foto: Simone Hainz / pixelio.de)

You cannot control what you cannot measure

So lautet ein häufig zitierter Leitsatz der klassischen Managementlehre. Unverzichtbar zur objektiven Betrachtung der Unternehmensleistung ist die Einführung messbarer Größen – sogenannter Kennzahlen –, die als Zielvorgabe definiert werden müssen. Der Anzahl und der Definition von Kennzahlen sind (fast) keine Grenzen gesetzt, denn „die“ Kennzahl per se gibt es nicht. Die Fachliteratur unterscheidet Liquiditätskennzahlen, Rentabilitätskennzahlen, Wirtschaftlichkeitskennzahlen, Produktivitätskennzahlen usw. Bekannte Kennzahlen sind zum Beispiel Umsatz, Umsatzrendite, Liquidität, Return on Invest (ROI), Patientenentwicklung.

Die Schwierigkeit bei Praxisneugründungen liegt darin, realistische Zielvorgaben in absoluten Zahlen zu definieren, also zum Beispiel den erwarteten Umsatz und die anzunehmenden Kosten des Praxisbetriebs im Vorfeld abzuschätzen. Im laufenden und etablierten Unternehmen ist das verhältnismäßig einfach, da Vergleichszahlen aus den Vorjahren vorliegen beziehungsweise auch Vergleiche mit anderen Praxen (Benchmarking) möglich sind.

 

Handlungsempfehlungen

Controlling im Unternehmen Zahnarztpraxis bedeutet nicht „nice to have“, Praxis-Controlling ist als „conditio sine qua non“ zu betrachten. Welches Konzept und welcher Umfang für die einzelne Praxis sinnvoll sein können, ist von der individuellen Strategie des Praxisinhabers/der Praxisinhaberin abhängig. Bei allen Systemen ist die Erhebung von Kennzahlen ein gemeinsames Merkmal. Doch es müssen praxisspezifische Kennzahlen sein, und sie dürfen keinesfalls überbewertet werden. Ein ausschließliches Zahlencontrolling ist noch kein Garant für den Praxiserfolg – entscheidend sind die Menschen, die dahinterstehen. Kennzahlen alleine sind zunächst Hilfsmittel zur Entscheidungsfindung. Die Interpretation und die Wertung bleiben immer Chefsache.

Ob der Einzelne sich zu einem speziellen Computerprogramm hingezogen fühlt, zu einer ausgefeilten Balanced Scorecard oder zu blinkenden Ampelsystemen für die Praxiszielkontrolle, mit den Basics muss man sich in jedem Fall beschäftigen. Einfaches betriebswirtschaftliches Kow-how beginnt beispielsweise damit,

• die Ergebnisse der Finanzbuchhaltung („Betriebswirtschaftliche Auswertung/BWA“) zu verstehen und richtig zu interpretieren,

• eine Break-Even-Analyse (Mindest-Honorar-Umsatz-Kalkulation) durchzuführen,

• den Kosten-Stunden-Satz betriebswirtschaftlich zu kalkulieren,

• betriebswirtschaftlich stimmige Preise für alle Praxisleistungen zu kalkulieren.

 

„Gerade zahnärztliche Existenzgründer sollten im Sinne einer strategisch angelegten Praxisführung die Möglichkeiten des systematischen Einsatzes von betriebswirtschaftlichen Managementverfahren (Kostenmanagement, Qualitätsmanagement etc.) und Steuerungsinstrumenten (Controllingverfahren, Soll-Ist-Vergleiche etc.) verstärkt nutzen.“[ 1]

Dr. Gerhard Brodmann, Bad Dürkheim

 

Literatur:

[1] Klingenberger, D., Becker, W.: Entwicklung und wirtschaftlicher Erfolg von zahnärztlichen Existenzgründungen – Ergebnisse empirischer Analysen auf der Basis von Paneldaten. Zeitschrift Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement (Gesund ökon Qual manag) 15, 2010, S. 91-98

 

Zu unserem Autor:

Dr. Gerhard Brodmann ist Zahnarzt mit Arbeitsschwerpunkt Gesundheitsökonomie. Neben der Niederlassung in eigener Praxis war Dr. Brodmann in verantwortlichen Positionen bei der Gesetzlichen Krankenversicherung, der Privaten Krankenversicherung sowie als Berater des Bundesministeriums für Gesundheit tätig.

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Eine Antwort auf Praxis-Controlling & Co.– die ungenutzten Potenziale der Praxis entdecken

  1. Martin Hark 7.9.2013

    Ein wirklich sehr interessanter Artikel. Ich habe mich jüngst intensiv mit diesem Thema, vor allem jedoch mit Unternehmenscontrolling befasst. In der Vergangenheit wurden das Management / die Unternehmensführung und das Controlling meist separat betrachtet. Diese Betrachtung ist jedoch nicht mehr zeitgemäß. Unternehmen wurden in der Vergangenheit immer größer und komplexer und schwieriger zu steuern. Diese Tatsache stellte die herkömmliche Unternehmensführung vor eine Herausforderung – welche nur mit einer informationsorientierten Managementtheorie – nämlich dem Controlling lösbar ist. Das Controlling / ein Controller ist heutzutage beinahe in jedem Unternehmen anzutreffen. Das Controlling besitzt aktuell viele Fassetten. So kann es ein Beschaffungs-, Organisations-, Vertriebscontrolling uvm. im Unternehmen anzutreffen sein. Die Grundlagen für das Controlling werden von anderen Abteilungen (Informationen aus der Buchhaltung / Rechnungswesen, Aufträge von der Geschäftsleitung) bereit gestellt. Eine Controllingabteilung muss deshalb sehr gut in einem Unternehmen integriert werden. Vor allem im Bereich der Unternehmenssteuerung wird das Controlling in Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnen.

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