Existenzgründung – (k)ein Abenteuer

Markus Schreiner

Markus Schreiner

… so begann der Titel eines Fernseh-Dreiteilers, der 1972 vom NDR produziert und ausgestrahlt wurde. Erzählt wurde – so der zweite Teil des Titels – die „Geschichte eines Eigenheims“, das die Familie Semmeling für sich bauen (lassen) wollte. Der Dreiteiler wurde ein Straßenfeger. Denn der Bau des Eigenheims war und ist für viele eins der größten Abenteuer in ihrem Leben. Erstens, weil teuer, und zweitens: Man weiß nie, wie es endet. Es wurden nahezu alle Schwierigkeiten, die sich beim Hausbau einstellen können, in die Dramaturgie eingebaut. Trotz aller widrigen Umstände kann Familie Semmeling am Ende doch glücklich in das eigene Haus einziehen. Happy End!

Es gehört nicht viel Phantasie dazu, um sich die dramaturgischen Versatzstücke für einen entsprechenden Film über die Niederlassung als Zahnärztin oder Zahnarzt auszumalen. Wie beim Hausbau steht auch bei der Existenzgründung anfangs die Entscheidung an: Altpraxis kaufen oder Praxis neu gründen? Und: Stürze ich mich allein in das Abenteuer oder gemeinsam mit einem oder mehreren Partnern, also in eine sogenannte Berufsausübungsgemeinschaft (BAG)?

Entscheidungshilfen werden benötigt
Bewährt hat sich Folgendes: Man schaue vom Anfang her aufs Ende und treffe dann eine Entscheidung. Und dabei nehme man vielleicht die eine oder andere Zahl ins Visier. Um damit gleich zu beginnen: Berufsausübungsgemeinschaften halten durchschnittlich nur drei bis vier Jahre! Zum Vergleich: Eine Ehe hält durchschnittliche rund 14 Jahre. Was sagt uns das? Es findet sich eher der passende Lebens(abschnitts)partner als der passende Praxispartner. Auch wenn dieser Schluss zwar messerscharf, jedoch mit einem Augenzwinkern gezogen ist: Er enthält ein gutes Stück Wahrheit. Denn die Gründung einer BAG hat nicht nur das Risiko der gemeinsamen Haftung (!) zur Folge. Vielmehr: Damit das Ziel, gemeinsam ein funktionierendes Unternehmen Zahnarztpraxis zu gründen, erreicht wird, muss man sich über das Praxiskonzept, die Praxisführung, die Organisation und vor allem: die Behandlungs- und Praxisphilosophie auch im Detail einig sein. Bei diesem Bemühen kommen höchstpersönliche Ansichten auf den (Verhandlungs-)Tisch.

Bei genauerer Betrachtung zeigt sich also, dass der vermeintliche Vorteil der Aufgabenteilung in der Gemeinschaft auch viel Konfliktstoff in sich birgt. Und die Lösung solcher Konflikte „kostet“ viel Zeit und Energie. Also noch einmal: „Es prüfe, wer sich (ewig) bindet!“ Auch wenn die Ewigkeit nur wenige Jahre dauert.

Nehmen wir also an, Sie haben sich für eine Niederlassungsform entschieden, einen passenden Standort gefunden und Sie haben einen Depot-Partner gefunden, mit dem Sie Ihre Traum-Praxis realisieren können und wollen. Der Tag der Eröffnung rückt immer näher, die Nervosität steigt: Wird das Unternehmen Praxis gelingen? Funktioniert alles so, wie man es sich vorstellt?

Zahnarztpraxis – eine Herausforderung für Jungunternehmer/innen

Rückblende: Mit der Approbation wurde nach dem Studium die Zulassung als Zahnarzt erworben und mit der Kassenzulassung die Berechtigung zur Teilhabe an der gesetzlichen Gesundheitsversorgung. Doch die Zeiten, in denen Zahnärzte allein mit den Einnahmen aus der Gesetzlichen Krankenversicherung ein ordentliches Einkommen erzielen konnten, sind längst vorbei. In den alten Bundesländern (ABL) wurden im Jahr 2008 nur noch 48,5 Prozent der Praxiseinnahmen über die KZV vereinnahmt; in den neuen Bundesländern (NBL) betrug der Anteil immerhin noch 64,8 Prozent (laut KZBV-Jahrbuch 2009).
Im Umkehrschluss: Im Westen wird mehr als jeder zweite Euro (in Ostdeutschland mehr als jeder dritte Euro) entweder mit privat Versicherten oder aber direkt mit dem Kassenpatienten abgerechnet. Die Botschaft dieser Zahlen ist eindeutig: Sie qualifizieren die Zahnarztpraxis als Wirtschaftsunternehmen, das sich im Wettbewerb bewähren muss. Doch wodurch qualifiziert sich der/die junge Praxisgründer/in als Unternehmer/in?

Unternehmensführung steht (noch) nicht auf dem Ausbildungsplan der medizinischen Hochschulen. Dabei ist dies eine komplexe Aufgabe mit vielfältigen Herausforderungen auf den Gebieten Abrechnungswesen, Betriebswirtschaft, Delegation der Prophylaxe, Hygienekonzept der Kommunikation, Marketing, Organisation, Personalführung und Qualitätsmanagement. Nicht zuletzt Recht und Steuern – um die Aufzählung zu komplettieren – sind für viele echtes Neuland.

Es geht um viel: Die Investition für Praxisneugründungen lag 2008 laut KZBV-Statistik durchschnittlich bei 334.000 Euro (ABL) beziehungsweise bei 215.000 Euro (NBL). Hinzu kamen die Betriebsmittelkredite von 86.000 Euro beziehungsweise 60.000 Euro. Die Finanzierung dieser Verbindlichkeiten muss regelmäßig bedient, Mieten, Leasingraten, Löhne und Gehälter etc. bezahlt werden – oder die Praxis wird bald unter die Kuratel der Bank gestellt. Eine anspruchsvolle Herausforderung.

Coachingangebot für Praxisgründer

Man weiß: Guter Rat ist teuer. Doch noch teurer kann es werden, schlecht beraten zu sein. Um fehlendes eigenes Know-how zu ersetzen, bieten sich externe Berater an. In Sachen Recht und Steuern war dies schon immer üblich, weil unumgänglich. Doch in Sachen Unternehmensführung?

Fünf Bereiche scheinen hierfür besonders sensibel zu sein, in denen guter Rat nicht teuer ist, sondern ein Coaching dem Praxisgründer Geld nicht nur einspart, sondern einbringt: An erster Stelle ist zu nennen die Einrichtung einer Abrechnungssystematik. Denn hier gilt die scheinbar triviale Logik: Nur eine abgerechnete Leistung kann auch zur Einnahme werden. Die Erfahrung zeigt, dass hier die häufigsten Fehler gemacht werden.

Zweitens: Ein Marketingkonzept zum Praxisstart inklusive Internetpräsenz schafft raschere Bekanntheit und hilft, schnell die ersten Patienten zu gewinnen, damit es nach der Eröffnung auch gleich losgehen kann. Denn in einem gesättigten Markt gilt: Auf eine weitere Zahnarztpraxis hat keiner gewartet.

Drittens: Aufbau eines gelebten Qualitätsmanagements, das die Praxisorganisation steuert. Hier ist anzumerken: Laut KZBV ist bereits bei der Praxiseröffnung ein Qualitätsmanagementsystem Pflicht!

Viertens: Beratung bei der Personalauswahl. Hier helfen Erfahrung und eine neutrale Sicht, um Fehlurteile zu vermeiden und ein gut funktionierendes Team zusammenzustellen. Denn Praxis ist Teamarbeit! (Oder mit Berti Vogts: „Die Mannschaft ist der Star.“)

Und schließlich: Aufbau eines funktionierenden Prophylaxe-Konzepts. Denn die Prophylaxe ist der Königsweg, um Patienten zu begeistern und langfristig an die Praxis zu binden. Außerdem ist Prophylaxe die einzige Leistung, die der Behandler an entsprechend ausgebildete, nichtzahnärztliche Mitarbeiterinnen delegieren und daraus unmittelbar Praxisumsätze generieren kann. Konzeptionell richtig aufgesetzt, entwickelt sich die Prophylaxeabteilung bald zum echten Profitcenter in der Praxis.

Der Aufwand von ein paar Tausend Euro in Beratungsdienstleistungen rund um den Themenkomplex Unternehmensführung ist die vielleicht beste, weil rentierlichste Investition überhaupt. Denn sie hilft nicht nur kostspielige (Anfänger-)Fehler zu vermeiden, ihr Nutzen liegt vor allem in der Nachhaltigkeit.
Markus Schreiner, Offenbach

Zu unserem Autor:
Markus Schreiner, Jahrgang 1958, ist Spezialist für Praxismarketing. Seit Mitte der 1990er-Jahre berät er Zahnarztpraxen und Dentallabore. Er verantwortet den Bereich Marketing im Beratungsunternehmen prodent consult GmbH. prodent consult berät Zahnärzte ab der Existenzgründungsphase. Mehr Informationen erhalten Sie unter www.prodent-consult.de.

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