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Alles im Aufbau – Fragen rund um Praxis- und Lebensplanung

Es gibt Phasen im Leben, da kommt alles zusammen. Da ist der Kopf gefragt, um eine Struktur in die Entscheidungsebenen zu bringen, aber auch der Bauch, denn der entscheidet sowieso mit. Am Runden Tisch zum „Projekt ICH“ sind also beide gleichberechtigt. Die Reihenfolge, in der man seine eigene Kaskade an Entscheidungen anlegt, ist vermutlich bei jungen Zahnärztinnen und Zahnärzten leicht differenziert. Eine ausgeglichene Work-Life-Balance ist zwar heute generell ein wichtiges Thema – wo aber Familiengründung mit allen Konsequenzen auf dem Lebensplan steht, baut sie die Hierarchie der Kriterien oft um.

Birgit Dohlus [1]

Birgit Dohlus

Fangen wir also bewusst mit der Lebensplanung an. Und skizzieren wir doch mal zwei Persönlichkeitsbilder, wie sie Studien zeichnen. Männer definieren sich demnach vor allem über Leistung, auch im Sport, besonders aber über beruflichen Erfolg, wobei „das Leben“ nicht zu kurz kommen soll. Männer sind gerne Chef, sie möchten beruflich expandieren, und sie schätzen Anerkennung in einer gesellschaftlichen Hierarchie. Frauen sind demnach eher sozial eingestellt, wollen helfen, in Harmonie und „im Team“ leben und etwas Sinnvolles leisten. Sie wollen neben dem Beruf gleichberechtigt Familie, und Erfolg ist, wenn alle glücklich sind – die Familie, die Freunde, das Praxisteam, die Patienten, die Nachbarn, wer auch immer. Wenn eine bestimmte Praxisgröße erreicht ist, wird sie eher gehalten als ausgebaut. Wenn zwei solche Persönlichkeiten unter einem Praxisdach zusammenkommen, erfordert dies einiges an Konzept.

Keine Zeit für Mr. Right?

Für Zahnärztinnen ist die Lebens- und Berufsplanung schwieriger als für Männer, da sie meist auf einer Wenn-Dann-Wippe planen müssen: Wenn ein Mr. Right für die Familiengründung vorhanden ist, dann müssen Kinder, Betreuung, Partnerzeit und Praxisleben vereinbar werden. Wenn ein Mr. Right erst noch gefunden werden muss, dann ist der Platz auf der Wippe ungemütlich, weil man nicht konkret planen kann. Wenn der ominöse Mr. Right überhaupt nie auftaucht, hat man vielleicht kostbare Jahre falsch angelegt, sich die eigene Praxis verkniffen und die eigene Entfaltung dann auch. Wer generell Spaß an einer eigenen Praxis hat, sollte das also dezidiert in den Vordergrund stellen und für „den Fall der Fälle“ das Thema Praxis & Familie bedarfsgemäß regeln. Und bei der Praxiseröffnung potenzielle Möglichkeiten rund um die Kinderbetreuung, auch im Krankheitsfall, im Auge behalten. Wer eine eigene Praxis hat und diese allein führt, wird sich entspannte Startmonate mit dem Kind oft abschminken müssen – die Praxis ruft, und die Bank, die Einnahmen sehen will, auch. Ein Trugschluss ist, bei Gruppenpraxen auf die Unterstützung von Kollegen zu bauen: So manche BAG ist schon am Thema „Kind“ gescheitert. Der Geduldsfaden auch sympathischer Kolleginnen und Kollegen kann kürzer ausfallen, als man sich das erhofft hat.

Mit dem ersten Schritt beginnen

Bei der Praxisplanung spielt die Lebensplanung also eine deutliche Rolle. Wer seinen Ausgleich im Bergwandern findet, sollte seine Praxis vielleicht nicht unbedingt in der Flachlandebene ansiedeln, und wer Philharmoniker braucht, nicht zwingend in der Einöde. Oder bereit sein für neue Hobbies. Es gibt ein Leben außerhalb der Praxis, und das bestimmt die berufliche Zufriedenheit mit. Wer genug Zeit für die Familie haben möchte, könnte eine Teilzeitpraxis planen und mit einer Kollegin oder einem Kollegen zusammengehen. Wer hohe berufliche Lebensziele hat, fängt vielleicht mit der Frage an: Wo habe ich dafür beste Startmöglichkeiten, und kann ich wachsen mit der Praxis? Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt, man kann sich auch steigern und entwickeln – und zum richtigen Zeitpunkt an die perfekte Adresse umziehen. Das eigene „Implantatzentrum“ steht selten am Beginn der Berufskarriere.

Erfolgsfaktor Patientenumfeld

Für alle Starter wichtig ist die Frage nach dem passenden Patientenumfeld. Die Betonung liegt auf „passend“: Man kann mit einer kleinen Praxis und passendem Leistungspaket erfolgreicher sein als eine Nobelpraxis mit reinem Privatklientel. Der Dentista-Club hat kürzlich das IDZ und die apoBank dazu befragt. Laut IDZ-Daten führen die männlichen Praxisinhaber bei den Patienten mit höherem Einkommen (34,7 Prozent im Vergleich zu 22,4 Prozent bei den weiblichen Praxischefs). Dagegen führen die Zahnärztinnen bei der Patientenklientel „mittlere Einkommen“ (48,3 Prozent, Zahnärzte: 37,8 Prozent) und bei den Patienten mit geringerem Einkommen (rund 30 Prozent, Zahnärzte: 27,5 Prozent). Laut apoBank geraten trotz des geringeren Einkommens aber keineswegs mehr weiblich als männlich geführte Zahnarztpraxen in wirtschaftliche Schieflage. Die Wirtschaftslage einer Praxis ist ohnehin eher selten Grund für eine „Pleite“ – meist sind es private Umstände, die die Praxis mit in die Tiefe reißen.

Geodatenanalysen nutzen

Zurück zum passenden Patientenumfeld: Hier sind Geodatenanalysen hilfreich, wie sie zum Beispiel die Health AG (www.healthag.de; ehemals EOS Health AG, Anm. de. Red.) anbietet, aber auch ein Blick in Benchmark-Listen, also Markerdaten rund um den Wettbewerb, wie bei BestPrax (www.bestprax.de [2]). Auch Banken am Standort, die einen eigenen Bereich für Heilberufe haben, sind oft gut informiert, ebenso etablierte Dental-Depots.

Wer wissen will, wie es die anderen machen, findet interessante Daten auch in der aktuellen IDZ-Studie „Investitionen bei der zahnärztlichen Existenzgründung 2008“ (www.idz-koeln.de [3]), darunter auch geschlechterspezifisch ausgewertete Analysen. Auch hilfreich: die beiden IDZ-Studien „Entwicklung und wirtschaftlicher Erfolg von zahnärztlichen Existenzgründungen“ und „Rollenverständnisse von Zahnärztinnen und Zahnärzten in Deutschland zur eigenen Berufsausübung“. Es schadet zudem nicht, sich schon mal umzuhören, ob in der geplanten Region bereits Praxisnetzwerke bestehen, in die man sich mit einem eigenen Schwerpunkt einbringen könnte.

Den richtigen Praxispartner finden

Ein vermeidbares Dilemma und leider ein typischer Anfängerfehler: der falsche Praxispartner und die falschen Verträge. Banken und Medizinrechtskanzleien berichten übereinstimmend von vielen Crashs fröhlich gestarteter Kooperationen. Man kam zusammen, weil man sich sympathisch war – und trennte sich, weil die Vorstellungen von Praxisführung letztlich nicht unter einen Hut passten. Sympathie ist nicht wirklich der beste Grundstein für ein gemeinsames Unternehmen. Den Kopf sollte man also nicht vergessen, wenn der Runde Tisch zum „Projekt ICH“ einberufen wird.
Birgit Dohlus, Berlin