Ästhetik von Webseiten – Dr. Meinald Thielsch verrät, worauf es ankommt

CP: Beim Design einer Website gibt es ja auch zahlreiche Möglichkeiten. Was oft sofort ins Auge fällt, sind die verwendeten Farben. Gibt es ein psychologische Wirkung hinsichtlich der Farbigkeit?
Thielsch: Auf jeden Fall – alle kennen Signalfarben wie rot, entsprechend wirken auch Farben im Web. Dass Websites oft blaue Elemente nutzen, hängt sicherlich auch mit der oftmals gefunden Präferenz für Blau und der angenehmen Wirkung dieser Farbe zusammen.

CP: Entscheidet die Farbigkeit über Lesbarkeit und Seriosität der Seite?
Thielsch: Entscheidend ist die Passung von Inhalten und Design. Eine Website, die ein aufregendes Thema beinhaltet, sollte auch entsprechend farbig daherkommen, eine Seite über ein sensibles Themengebiet eher bedeckter und zurückhaltender.

CP: Würden Sie eher einen bunten oder einen monochromen und sparsamer Farbeinsatz empfehlen?
Thielsch: Eine Regel aus der Literatur besagt: Die Farbwahl sollte ausgeglichen sein und Pastellfarben mit geringer Sättigung für Hintergründe verwendet werden. Es sollten auf einer Webseite nicht mehr als zwei oder drei intensive (gesättigte) Farben genutzt werden. Aber wie gesagt, es kommt auch auf die thematische Abstimmung an.

CP: Mittlerweile sind ja Bewegtbilder, Multimedia-Elemente, Effekte und Plug-Ins auf zahreichen Webseiten mit eingebunden. Nimmt der User dafür auch die längeren Ladezeiten in Kauf?
Thielsch: Wichtig ist ein strukturiertes und konsistentes Layout mit einer eindeutigen Formsprache. Bildelemente werden von den Nutzern oft erwartet, sollten aber die Ladezeit nicht belasten. Auch dezent eingesetzte bewegte Elemente, beispielsweise mit Flash, können eine positive Wirkung haben. In einer unserer Studien zeigten sich aber auch klare Zusammenhänge zwischen Bildern und dem Websiteinhalt, konkret sollten die Bilder auch inhaltlich zur Seite passen und nicht nur rein aufgrund der Bildästhetik ausgewählt werden.

CP: Bei der Beurteilung von Schönheit werden oft symmetrische Anordnungen positiv empfunden? Gibt es hierzu in Bezug auf die Aufteilung der Seite in Spalten oder die Platzierung der grafischen Elemente Anordnungen, die der Nutzer als angenehm oder ästhetisch empfindet?
Thielsch: Symmetrische Designs werden oft empfohlen, aber auch im Web wird in unserem Kulturkreis von links nach rechts gelesen. Der obere linke Bildschirmquadrant ist also der wichtigste. Eine Website muss damit nicht zwingend symmetrisch sein, gerade Dreispaltenlayouts werden im Moment aber auffallend häufig genutzt und haben sicherlich eine gute Wirkung.

CP: Manche Website haben viel Content zu transportieren. Dienen zahlreiche Unterseiten der Klarheit oder verwirren sie die Nutzer eher? Wie viele Unterseiten oder Unterpunkte in der Menüstruktur sind gangbar?
Thielsch: Natürlich will ein Websurfer schnell zu einer Information gelangen. In einer unser Experimente brauchten die Nutzer bereits dann eine kurze Eingewöhnungszeit, wenn vier Klicks notwendig waren um zu einer relevanten Unterseite zu kommen. Manche Websites wollen aber sehr viele Informationen zu verschiedenen Themen geben, hier ist eine geschickte Informationsarchitektur nötig. Bei einer Website eines kleinen oder mittelständischen Unternehmens wird man aber sicherlich oft mit wenig verschiedenen Ebenen auf der Website auskommen können.

CP: Auch Links werden gerne eingesetzt. Zahlreich oder sparsam; wo sind sie hilfreich, wo weniger?
Thielsch: Das würde ich sagen ist rein vom Inhalt abhängig.

CP: In wieweit muss sich die Sprache der Zielgruppe anpassen? Sind inhaltliche Hilfestellungen wie zum Beispiel ein Glossar nötig?
Thielsch: Auf jeden Fall – gerade bei Websites mit medizinischen Informationen sind die Verständlichkeit für den Laien, aber auch ein Design, was Vertrauen schafft, zentral. Hier lohnt es sich, wichtige Informationen bereits auf der Website zu geben und auch einmal im Vorfeld zu testen, ob meine Zielgruppe auf meine Website versteht.

CP: Eine Praxishomepage sieht ja in vielen Fällen ähnlich aus und hat ähnliche Inhalte. Gleichzeitig dürfen Zahnärzte aus berufsrechtlichen Gründen auch nicht anpreiserisch für sich und ihre Praxis werben. Gelten hier die gleichen ästhetischen Kriterien wie bei „normalen“ Homepages?
Thielsch: Websites von Praxen fallen ja in den Bereich der Selbstdarstellungsseiten. Hier kommt es besonders auf professionelles Auftreten an. Es gelten die gleichen Kriterien wie auch für andere Websites, aber die Konkurrenz ist groß, da gerade in diesem Bereich viel in gutes Webdesign investiert wird.

CP: Wie kann sich ein Zahnarzt von seinen Kollegen positiv absetzen?
Thielsch: Durch die richtige Mischung seriöser Präsentation von verständlichen Inhalten, die sich nahtlos in ein gut zu bedienendes modernes Design einfügen. Klingt nach einer Allgemeinaussage, ist aber viel schwerer, als man denken mag. Wenn die Website gut in Suchmaschinen zu finden ist, die Patienten freundlich anspricht und die wichtigsten Informationen schnell liefert, ist man so manchem Kollegen schon voraus. Kann man dann dem Websitebesucher noch einen Mehrwert bieten, vielleicht anschauliche Vorsorge-Informationen oder FAQs zu typischen Krankheitsbilder zum Download, wird die Webseite sicherlich gut ankommen.

CP: Haben Sie noch weitere Tipps?
Thielsch: Man sollte sich nicht scheuen Zeit, in die eigene Website zu investieren. Dies ist ein wichtiger Informationskanal – und womöglich der erste Eindruck, den jemand von der eigenen Praxis bekommt. Ähnlich, wie man sich bestimmt lange Gedanken über die Einrichtung und Ausstattung der Praxis macht, sollte man auch die Gestaltung der Website überlegt angehen. Ein professioneller Webdesigner kann hier sicherlich gute Dienste leisten und wird sich freuen, wenn man eigene Ideen über den Inhalt der Website einbringen kann. Es lohnt sich immer, auch einen ersten Entwurf einfach mal mit ein paar Personen aus der Zielgruppe zu testen und diese nach ihrer Meinung zu fragen. Eine perfekte Website wird man nicht erreichen können – aber bestimmt eine, die sehr vielen Besuchern gefällt.

CP: Herr Dr. Thielsch, herzlichen Dank für das ausführliche Interview!

Unser Literatur-Tipp:
Moshagen, M. & Thielsch, M. T. (2010). Facets of visual aesthetics. International Journal of Human-Computer Studies, 68 (10), 689-709. doi:10.1016/j.ijhcs.2010.05.006

Zum Autor:
Dr. Meinald T. Thielsch absolvierte ab 1999 das Studium der Psychologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Seit 2004 Diplom-Psychologe, absolvierte er von 2004 bis 2008 das Promotionsstudium Psychologie und Wirtschaftsinformatik und wurde 2008 zum Dr. phil. der Universität Münster. Seit 2004 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Psychologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Arbeitseinheit psychologische Diagnostik.
Als wissenschaftlicher Mitarbeiter im PsyEval-Team ist Dr. Thielsch mit der Koordination der Evaluation und Qualitätssicherung im Fach Psychologie an der Universität Münster beauftragt. Außerdem war er Lehrbeauftragter an der Universität Bonn (WS 2009/10 sowie WS 2010/11) und der Fachhochschule Münster (SoSe 2011). Im WS 2011/12 ist Dr. Thielsch auch im Rahmen des europäischen Erasmus-Programs als Gastdozent an der Université de Fribourg in der Schweiz tätig. Darüber hinaus ist er als Gutachter für mehrere internationale Fachzeitschriften (u. a. International Journal of Human-Computer Studies, Behaviour & Information Technology, Interacting with Computers) aktiv. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind User Experience, Mensch-Computer-Interaktion, Diagnostik und Evaluation sowie Online-Forschung.

Titel der Dissertation von Dr. Meinald Thielsch: Ästhetik von Websites: Wahrnehmung von Ästhetik und deren Beziehung zu Inhalt, Usability und Persönlichkeitsmerkmalen.

Weitere Informationen erhalten Interessenten unter http://www.meinald.de

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