Ästhetik von Webseiten – Dr. Meinald Thielsch verrät, worauf es ankommt

CP: Gibt es Betrachtungsunterschiede bei Männern und Frauen?
Thielsch: Nur sehr geringe, selbst Farbpräferenzen sind online weitgehend vergleichbar. Auf Basis unserer bisherigen Forschungen würde ich vermuten, dass Geschlechterunterschiede weitgehend in inhaltlichen Aspekten der untersuchten Website begründet sind – nicht aber im Design selbst. Generell haben individuelle Vorlieben bei der Beurteilung von Websites einen vergleichsweise geringeren Anteil – die meisten Nutzer sind sich über ihre Einschätzung überraschend einig.

modellCP: Sind Baukastensysteme bei Homepages ästhetisch schlechter als individuell programmierte Seiten?
Thielsch: Offen gesagt kann ich diese Frage so nicht beantworten – dafür kenne ich Baukastensysteme nicht umfassend genug, und dort ist die Bandbreite auch riesig. Es gibt eine Studie, die zeigt, dass Farbkombinationen, die von Designern erstellt wurden deutlich besser bewertet werden als über mathematische Algorithmen erzeugte Kombinationen.

CP: Wie kann man Website-Ästhetik messen?
Thielsch: Ästhetik definiert sich über die subjektive Wahrnehmung der Nutzer, dementsprechend werden bei der Bewertung von Ästhetik oft die subjektiven Urteile per Fragebogen erfasst. Weitere Erhebungsverfahren und klassische Methoden wie zum Beispiel Paarvergleiche, Experten- oder Checklisten-Evaluationen sind zwar denkbar, aber bisher nur wenig im Einsatz. Für unsere Forschung haben wir einen eigenen Fragebogen zur Website-Ästhetik erstellt, dieser ist auch für alle Interessenten unter www.visawi.de frei verfügbar.

CP: Warum entscheidet nicht nur der Nutzen einer Seite wie die dort auffindbaren Fachinformationen – wann kommt die Ästhetik ins Spiel?
Thielsch: Man geht nicht online, um eine schöne Website zu sehen – sondern aufgrund bestimmter Inhalte. Dennoch spielt die Ästhetik des Designs eine wichtige Rolle, vor allem für den Ersteindruck. Wenn es allerdings darum geht, eine Seite weiterzuempfehlen oder erneut zu besuchen, dann ist der Inhalt absolut zentral. Gerade bei unbekannten Websites spielt hier die Ästhetik aber auch noch eine Rolle, wenn auch etwas geringer – quasi als indirekter Verstärker. Die Benutzbarkeit der Webseite selber ist auch nicht zu vergessen, ihr kommt aber die größte Bedeutung vorrangig bei der aktiven Nutzung einer Website zu.

Quelle: LiliGraphie_pixelio.de.

Künftig werden Webseiten noch professioneller. Foto: LiliGraphie /pixelio.de.

CP: Müssen 2011 Webseiten ästhetischeren Kriterien folgen als noch vor fünf oder zehn Jahren?
Gibt es eine Entwicklung? Wohin wird sie innerhalb der nächsten fünf Jahre gehen? Gibt es Trends?
Thielsch: Prognosen sind immer schwierig – wir sehen aber im Web, dass gerade technische Entwicklungen auch das Webdesign stark beeinflussen. In der letzten Dekade haben sich Breitbandanschlüsse weitgehend durchgesetzt, die Bildschirme wurden zum einen größer – aber auch im Falle mobiler Endgeräte wieder kleiner. Gerade letzterer Punkt führt zu Herausforderungen und oftmals bieten große Unternehmen noch eine eigene Website für mobile Geräte an. Aufgrund der fortgeschrittenen Möglichkeiten und der immer noch wachsenden Bedeutung werden wir in den nächsten Jahren bestimmt eine weitere Professionalisierung vieler Websites erleben.

CP: Geht der Trend denn überhaupt noch zu eigenen Homepages, oder verlieren diese durch das vermehrte Aufkommen von Social Networks wie Xing, LinkedIn und Facebook mehr und mehr an Bedeutung?
Thielsch: Die Zeitungsanzeige hat auch nicht die eigene Unternehmensbroschüre verdrängt – ich gehe davon aus, dass hier stark parallel gearbeitet werden wird, sowohl über die eigene Website als auch über soziale Netzwerke.

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