- Chance Praxis - http://www.chance-praxis.de -

Frische Früchtchen vom eigenen Dach – Tomatenanbau in der Großstadt

Schulungs- und Trainingsstandort an der Manhattan School for Children (NY, USA) [1]

Schulungs- und Trainingsstandort an der Manhattan School for Children (NY, USA)

Warum nicht Salat, Bohnen und Tomaten dort herstellen, wo die meisten
Verbraucher leben, also in der Stadt? Flachdächer vieler Gebäude eignen
sich für den Anbau von Gemüse. Dort installierte Gewächshäuser können auch
Abwärme und gereinigtes Abwasser des Gebäudes nutzen.

Frischer geht es nicht. Auf dem Weg vom Büro nach Hause erntet der
Informatiker Tomaten im Gewächshaus auf dem Dach seiner Firma. Die
Pflanzen dort leben von gereinigtem Abwasser und der Abwärme des Gebäudes.
In Deutschland gibt es solche Plantagensysteme noch nicht. Aber vielleicht
bald: „Wir entwickeln in unserem Projekt inFarming – kurz für integrated
farming – Lösungen für die urbane Landwirtschaft, die man rasch umsetzen
kann. Unser Ziel ist es, bestehende Bauten für den Anbau von Gemüse zu
nutzen“, erklärt Dipl.-Ing. Volkmar Keuter, Projektleiter am Fraunhofer-
Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT in
Oberhausen. Grundsätzlich eignen sich für den Anbau in solchen Stadtfarmen
viele Pflanzensorten. „Neben Gemüse und Obst wollen wir auch den Anbau von
Wirkstoffpflanzen untersuchen.“

Die Vorteile: geringerer Flächenverbrauch für die Landwirtschaft, kaum
Transportkosten und dadurch weniger Emissionen sowie frischere Produkte,
denn die Tomaten wachsen direkt beim Verbraucher. Die Abwärme des Hauses
und zusätzliche Solarmodule sollen ausreichen, um die Gewächshäuser mit
Energie zu versorgen. Ideal sind semitransparente Solarzellen, die den
Pflanzen nicht das Licht zum Wachsen nehmen.

Foto: Stephan Teckert,pixelio.de [2]

Lecker: Obst und Gemüse aus eigener Produktion. Foto: Stephan Teckert / pixelio.de [3]

Auch der Wasserverbrauch ist minimal, da in einem geschlossenen Kreislauf
Schmutzwasser gereinigt und wieder zum Gießen genutzt wird.
Multifunktionale Mikrosiebe und fotokatalytische also selbstreinigende
Beschichtungen stellen die Qualität des Wassers sicher. Sogar Nährstoffe
für die Pflanzen können aus Regen- und Abwasser herausgefiltert werden.
„Wir setzen bei unserem Konzept auf hydroponische Systeme, also
Hydrokulturen. Ein dünner kontrollierter Wasserfilm reicht den Pflanzen
aus, um die Nährstoffe aufzusaugen. Der Vorteil: Der Ertrag ist zehnmal
höher. Außerdem ist Erde für viele Hausdächer zu schwer. Darum arbeiten
wir an Systemen, die Pflanzen mit Nährlösungen versorgen“, berichtet der
Forscher.

In Deutschland gibt es rund 1200 Millionen Quadratmeter Flachdächer von
Nichtwohngebäuden. Auf rund einem Viertel der Fläche könnten Kräuter- und
Gemüse gedeihen. Die Pflanzen würden dann in Städten jährlich etwa 28 Mio
Tonnen CO2 binden. Das entspricht 80 Prozent der CO2-Emissionen von
industriellen Betrieben in Deutschland. „Unser Kooperationspartner, die
amerikanische Firma BrightFarm hat in New York bereits einige Projekte
realisiert. Das Unternehmen hat 2005 mit einer kleinen
Forschungseinrichtung auf einem Floß begonnen, dann zu Unterrichtszwecken
Gewächshäuser auf eine Schule gebaut. Dieses Jahr wurden in der South
Bronx und in Brooklyn jeweils 1500 Quadratmeter Dachfläche für den
Gartenbau erschlossen. Hier in Deutschland bauen wir ein Anwendungslabor
im inHaus-Zentrum Duisburg auf. Das ist die Fraunhofer-
Innovationswerkstatt für intelligente Raum- und Gebäudesysteme“, sagt
Dipl.-Geogr. Simone Krause, Kollegin von Volkmar Keuter.

Die Idee für urbane Landwirtschaft ist nicht neu und wird international
intensiv diskutiert. Urban-, Vertical-, Sky- oder Rooftop-Farming nennen
sich die unterschiedlichen Ansätze. Weltweit entwerfen vor allem Designer
und Architekten futuristische begrünte Bauten. Keuter und Krause dagegen
möchten bestehende Gebäude nutzen. Für die Forscher gibt es noch viel zu
tun. „Wir müssen beispielsweise Logistikketten für die regional
produzierten Salate und Kräuter aufbauen. Weitere Fragen sind: Welche
Produkte eignen sich? Wie ist die Akzeptanz von Nährlösungen statt Erde?
Wir setzen auf sehr hochwertiges Gemüse und nicht auf Massenproduktion“,
betont Simone Krause. Noch wachsen nur wenige Tomaten auf Dächern oder in
Hochhäusern, aber die Idee trägt weltweit Früchte, denn frischer geht es
kaum. Weitere Informationen unter www.infarming.de [4].