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Nesthocker: Junge Erwachsene wohnen lieber zu Hause

Spitzenwerte erreicht die Nesthocker-Quote in den bayerischen Landkreisen Freyung-Grafenau und Straubing-Bogen sowie im thüringischen Eichsfeld. Dort leben in dieser Altersgruppe die Hälfte der Männer und fast ein Drittel der Frauen noch im Elternhaus. In den Stadtstaaten und in Schleswig-Holstein logieren dagegen nur zwischen zehn und 15 Prozent der jungen Erwachsenen im Hotel Mama.

Mehr als ein Viertel der 25- bis 29-Jährigen in In Thüringen, Bayern und im Saarland lebt noch zuhause bei den Eltern. Foto: Shutterstock/PhotoMediaGroup

Mehr als ein Viertel der 25- bis 29-Jährigen in In Thüringen, Bayern und im Saarland lebt noch zuhause bei den Eltern. Foto: Shutterstock.com/PhotoMediaGroup

Auffällig ist in allen Bundesländern der deutliche Stadt-Land-Unterschied. Das liegt vor allem an der Konzentration der Hochschulen in den Städten, denn die Aufnahme eines Studiums ist ein wichtiger Auszugsgrund. Auszubildende bleiben dagegen häufig so lange im Elternhaus, bis sie einen festen Job haben oder eine eigene Familie gründen. Mit deutschlandweit 26 Prozent ist der Anteil der jungen Männer, die noch im Haushalt der Eltern leben, fast doppelt so hoch wie derjenige der jungen Frauen.

Der vollständige Beitrag ist im „Nationalatlas aktuell“ des IfL unter www.aktuell.nationalatlas. de nachzulesen. Hier verö ent licht das Institut regelmäßig Kartenbeiträge zu Themen aus Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur, Politik und Umwelt. Alle Karten, Diagramme und Fotos sind dort online verfügbar und stehen als PDF-Dokumente zum freien Download bereit.

Mehr unter www.ifl-leipzig.de [1].

Zu diesen Ergebnissen kommt Dr. Tim Leibert vom Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL). Der Bevölkerungsgeograph hat für das Webangebot „Nationalatlas aktuell“ des IfL die Statistiken zu Haushalten und Familien erstmals auf Basis der Kreise und kreisfreien Städte ausgewertet. Aktuelle Karten des IfL veranschaulichen die regionalen Unterschiede.

Die Nesthocker-Quote ist bei jungen Mannern deutlich höher als bei jungen Frauen. Grafik: IfL

Die Nesthocker-Quote ist bei jungen Mannern deutlich höher als bei jungen Frauen. Grafik: IfL 2017

„Ein Grund für den Geschlechterunterschied dürfte sein, dass Eltern Töchter oft stärker kontrollieren als Söhne und von ihnen auch mehr Mithilfe im Haushalt erwarten“, erklärt Leibert. Für junge Frauen bedeute der Auszug folglich einen größeren Autonomiegewinn als für junge Männer. Zudem hätten junge Frauen allgemein eine höhere Neigung zum Abwandern, so der Bevölkerungsgeograph. Wie seine Analysen weiter ergaben, ist in den ländlichen Gebieten Ostdeutschlands der Anteil der im elterlichen Haushalt lebenden Frauen zwischen 20 und 24 Jahren besonders niedrig. Verantwortlich sei das niedrigere Erstgeburtsalter in den neuen Ländern und damit ein deutlich höherer Anteil der Frauen, die Anfang 20 allein, als alleinerziehende Mutter oder in einer nichtehelichen Gemeinschaft leben. „Dies unterstreicht die Wechselwirkungen zwischen Auszugsverhalten, Bildungs- und Familienbiographie“, so Leibert.

Der Auszug aus dem Elternhaus markiert indes nicht immer den Beginn einer eigenständigen Wohnbiographie. Laut Schätzungen kehrt in Deutschland jeder Zehnte der 18- bis 32-Jährigen wieder zu den Eltern zurück, nachdem er oder sie eine Zeitlang alleine, mit Partner oder in einer WG gewohnt hat. „In Phasen erhöhter Unsicherheit und des sozialen Abstiegs dient der Haushalt der Eltern als Sicherheitsnetz“, so Leibert. Viel spricht nach seiner Einschätzung dafür, dass die Mehrzahl der Nesthocker aus ökonomischer Notwendigkeit im Hotel Mama residieren und nicht, wie oft behauptet wird, weil sie von Vati und Mutti umsorgt werden.