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Zahnärztliche Fort- und Weiterbildung – was darf ich als Titel führen?

Der wissenschaftliche Kenntnisstand in der Zahnmedizin unterliegt einer ständigen Weiterentwicklung. Es kann also aus dem Interesse heraus, die Patienten nach dem jeweils aktuellen Standard behandeln zu können, nur als richtig bezeichnet werden, dass der Zahnarzt sozial- und berufsrechtlich verpflichtet ist, sich ständig fortzubilden. Kenntnisvertiefung und -gewinn eröffnen jedoch auch die Möglichkeit des Führens weiterer Titel, woran jeder Zahnarzt nicht zuletzt aus Gründen steigender Reputation interessiert sein dürfte. Im Folgenden sollen daher die Möglichkeiten zum Erlangen und Führen der verschiedenen Qualifikationsnachweise im Überblick beleuchtet werden.

Dr. Karlheinz Schnieder [1]

RA Dr. Karlheinz Schnieder

I. Weiterbildung
Der Begriff der Weiterbildung bezeichnet ausschließlich die abschließenden Möglichkeiten des Zahnarztes, sich in einem Teilgebiet der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde zu spezialisieren. Seine rechtliche Grundlage findet dies in den Weiterbildungsordnungen der jeweiligen Landeszahnärztekammern. Die Musterweiterbildungsordnung der Bundeszahnärztekammer sieht die Möglichkeit zur Weiterbildung in den Bereichen der Kieferorthopädie, der zahnärztlichen Chirurgie sowie im öffentlichen Gesundheitswesen vor. Die Weiterbildungsordnungen der Länder kennen hier jedoch teilweise auch noch andere Spezialisierungen. 
Analog zum Facharzt darf der Zahnarzt nach Abschluss der Weiterbildung, die sich aus praktischer Berufstätigkeit und theoretischer Unterweisung in mehrjährigem Umfang zusammensetzt, die jeweilige Gebietsbezeichnung (zum Beispiel „Kieferorthopädie“, „Oralchirurgie“) nach außen führen. Da sich die Tätigkeit des weitergebildeten Zahnarztes nahezu auf das jeweilige Fachgebiet beschränkt, besteht hierum auch kein Streit. Zur Erkennbarkeit der Spezialisierung ist dies vielmehr notwendig und in den Weiterbildungsordnungen so vorgesehen.

II. Fortbildung

Die Verpflichtung zur ständigen Fortbildung ist typisch für die freien Berufe, wird also etwa auch mit Architekten, Rechtsanwälten oder Ingenieuren geteilt. Angesichts einer sich stets entwickelnden zahnmedizinischen Wissenschaft dienen Fortbildungen dem Wissenserhalt und der Wissensvertiefung bezogen auf eine bereits erworbene berufliche Qualifikation. Um berufsrechtliche Sanktionen zu vermeiden, sind die notwendigen Fortbildungspunkte bei den Landeszahnärztekammern nachzuweisen. Verdient werden können die Fortbildungspunkte etwa durch die Teilnahme an Vorträgen, Diskussionen, Kongressen und Workshops. 
Die Punkte können jedoch auch in sogenannten strukturierten Fortbildungen erworben werden, welche von den Zahnärztekammern angeboten werden. Bei diesen werden in anerkannten Teilgebieten der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (zum Beispiel Implantologie, Parodontologie, Endodontologie, restaurative Zahnheilkunde) modulare Veranstaltungen mit einem zeitlichen Umfang von 70 bis 140 Stunden angeboten. Nach erfolgreichem Absolvieren einer Abschlussprüfung erteilen viele Kammern entsprechende Zertifikate. Die so zertifizierte Fortbildung hat den Vorteil, auch gegenüber dem Patienten dokumentiert werden zu dürfen. Damit ist etwa die Präsentation des Zertifikats in der Praxis gemeint. 
Fraglich ist jedoch, ob die Kammerzertifikate auch als Titel geführt, also etwa auf dem Praxisschild oder anderen öffentlichen Ankündigungen genannt werden dürfen. Diese Frage wurde vom Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt in einem vielbeachteten Urteil zum Bereich der Kieferorthopädie vom 19. Juli 2012 verneint (Az.: 1 K 75/11).

Entscheidender Grund hierfür war allerdings schlicht, dass eine notwendige Befugnis der Zahnärztekammer zur Erteilung und dem Führen von Zertifikaten nicht existierte. Tendenziell ließ das Gericht jedoch auch erkennen, dass das Führen eines dementsprechenden Titels die Gefahr einer Entwertung des im Rahmen der Weiterbildung zum „Fachzahnarzt für Kieferorthopädie“ erworbenen Titels birgt. Freilich kann dieser Gedanke nur bedingt auf Teilgebiete der Zahnmedizin übertragen werden, bezüglich welcher eine Weiterbildung gar nicht vorgesehen ist. Zudem kann das Urteil auch nur einen unmittelbaren Geltungsanspruch in Sachsen-Anhalt haben. Dennoch dürfte das Ergebnis der Entscheidung auch auf die übrigen Bundesländer und zahnmedizinischen Teilbereiche übertragbar sein, da das Gericht auch betont, dass die Bezeichnung „Zahnarzt“ bereits alle beruflichen Qualifikationen einschließlich der Fortbildungen umfasst. Mithin kann die Berechtigung für das Führen eines zusätzlichen Titels nur dort angenommen werden, wo nicht lediglich der dem zahnärztlichen Beruf inhärenten Fortbildungsverpflichtung nachgekommen, sondern auf freiwilliger Basis eine zusätzliche berufliche Qualifikation in einem Spezialgebiet erworben wird. 
Bleibt zu klären, wie sich weitverbreitete Bezeichnungen wie „Spezialist für …“ oder „Tätigkeitsschwerpunkt …“ legitimieren, oder ob nicht auch diese Bezeichnungen unrechtmäßig getragen werden. Die Musterberufsordnung der Zahnärzte gibt in Paragraf 21 Absatz 2 vor, dass der Zahnarzt auf besondere, personenbezogene Kenntnisse in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde hinweisen darf, insoweit die Gefahr der Verwechslung mit einer Fachgebietsbezeichnung ausgeschlossen ist. Aus diesem Grund ist eine dementsprechende Zusatzinformation grundsätzlich zulässig, muss jedoch nachgewiesen werden können und darf eben keine falschen Assoziationen beim Patienten wecken. So sah etwa das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in der Bezeichnung als „Spezialist für Kieferorthopädie“ eine nicht hinnehmbare Verwechslungsgefahr bezüglich des „Fachzahnarztes für Kieferorthopädie“ (GesR 2007, S. 583). Hingegen sei nach Überzeugung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 4. September 2003, Az.: 3 BN 1/03) eine Verwechslungsgefahr bei Angabe eines „Tätigkeitsschwerpunkts Kieferorthopädie“ nicht zu befürchten, da der Unterschied zur Facharztbezeichnung hinreichend deutlich sei. 
Erkennbar steht also bei einer jeweils notwendigen Einzelfallprüfung immer die Verwechselungsgefahr im Fokus der Auseinandersetzung.
Dabei mag durchaus streitbar sein, ob die Bezeichnung als „Spezialist“ ein Mehr an Verwechslungsgefahr aufwirft als der „Tätigkeitsschwerpunkt“. Auch in Bereichen wie der Parodontologie oder Endodontologie spielt diese Verwechslungsgefahr ein Rolle, da die Rechtsprechung (vgl. etwa Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 1. Juni 2011, Az.: 1 BvR 233/10) davon ausgeht, dass trotz Fehlens einer thematisch vergleichbaren Weiterbildung beim Patienten der irreführende Eindruck erweckt werden könnte, der Zahnarzt habe eine zusätzliche Qualifikation nach Maßgabe der Weiterbildungsordnung erworben. Schließlich gilt es, Anforderungen an die Nachweisbarkeit eines Tätigkeitsschwerpunkts zu erfüllen. Hierbei kann nun insbesondere auch auf die bereits besprochenen Kammerzertifikate zurückgegriffen werden. Vor der Angabe eines Tätigkeitsschwerpunktes sollte dies jedoch mit der jeweiligen Ärztekammer bezüglich etwaiger Bedenken abgestimmt werden.

III. Postgraduiertenstudiengänge 

Abschließend stellt sich die Eingangsfrage noch für den immer häufiger anzutreffenden „Master of Science“. Ein solcher kann im Rahmen eines postgraduierten Aufbaustudiums berufsbegleitend erworben werden. Bezüglich der Zusatzbezeichnung „Master of Science Kieferorthopädie“ hat es der Bundesgerichtshof (Urteil vom 18. März 2010, Az.: I ZR 172/08) für zulässig erachtet, diese auch nach außen zu führen. Nach den vorangegangenen Ausführungen kann dies jedenfalls juristisch nur als folgerichtig gewertet werden, da es sich um eine freiwillige Spezialisierung und den Erwerb einer weiteren beruflichen Qualifikation, vergleichbar eben mit einer Weiterbildung, handelt. Aufgrund des Interesses des Absolventen an der Führung eines rechtmäßig erworbenen Titels müsse nach Ansicht des Bundesgerichtshofs die durchaus anzunehmende Verwechslungsgefahr mit der Bezeichnung des „Fachzahnarzts für Kieferorthopädie“ zurücktreten. Nichts anderes dürfte im Ergebnis gelten, wenn es sich etwa um einen „Master of Science Implantologie“ oder Ähnliches handeln würde, mithin um einen solchen Titel, der zwar keine Verwechslungsgefahr mit Fachzahnarztbezeichnungen aufweist wie vorbeschrieben, aber dennoch zur Irreführung geeignet sei. Denn auch hier dürfte entscheidend zu berücksichtigen sein, dass diese Qualifikation über die zahnärztliche Fortbildungspflicht hinausgeht und ein anerkennenswertes Interesse am Führen eines rechtmäßig erworbenen Titels besteht.

IV. Zusammenfassung

Die zur behandelten Thematik vorliegenden Urteile der obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung zeigen auf, dass die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Führens eines Titels jeweils einer Einzelfallprüfung bedarf, eine letztverbindliche Antwort also nicht gegeben werden kann. Zweifelsohne darf sich der Fachzahnarzt als solcher kenntlich machen. Zudem darf gegenwärtig durchaus angenommen werden, auch einen Master of Science sowie einen belegbaren Tätigkeitsschwerpunkt rechtmäßig nach außen hin kenntlich machen zu dürfen. Dagegen scheint die Ausweisung als Spezialist oder die Nennung eines Kammerzertifikats schwerlich mit der bestehenden Rechtsprechung in Einklang zu bringen. Dass ein mit dem Führen von Titeln befasstes Gericht zukünftig nichts anderes in die eine oder andere Richtung vertritt, kann jedoch angesichts vieler gut vertretbarer Argumente nicht garantiert werden.

RA Dr. Karl-Heinz Schnieder, Münster

Zur Person:
Rechtsanwalt Dr. Karl-Heinz Schnieder ist seit 1994 niedergelassener Rechtsanwalt; 1994 erfolgte die Promotion. Der Fachanwalt für Medizinrecht und Sozialrecht ist darüber hinaus auch als Lehrbeauftragter der Universität Münster tätig. Dr. Schnieder ist außerdem als Referent wie auch als Autor zahlreicher Publikationen aktiv. So ist er Mitherausgeber und Autor der Bücher Arztrecht, Zahnarztrecht und Tierarztrecht.
Dr. Schnieder ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen Anwaltsverein, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Kassenarztrecht e.V., Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Recht und Politik im Gesundheitswesen sowie Mitglied im Deutschen Netzwerk Neue Versorgungsformen der Apotheker- und Ärztebank Düsseldorf. Er ist außerdem Initiator und Gründer der Gesundheitsregion-Stadt e.V., medizinische Netzwerke in Deutschland.