Telemedizin: Das sollten Zahnmediziner beachten

Oliver Weger Foto: Weger

Rechtsanwalt Oliver Weger warnt: „Schnell ist die Grenze zur unzulässigen Fernbehandlung überschritten.“ Foto: Weger

Der Kontakt zwischen Zahnarzt und Patient ist über eine wachsende Zahl von Kommunikationsmitteln möglich. Für Zahnärzte ergeben sich daraus nicht nur Chancen, sondern auch Risiken. Das sollten Zahnmediziner beachten:

In den vergangenen Jahren haben sich Kommunikationsmittel und Medizintechnik rasant weiterentwickelt. Konzepte der „Telemedizin“ sind immer leichter möglich und umsetzbar, dazu zählt unter anderem auch die zahnärztliche Diagnostik und Behandlung unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln.

Neben Telefon und Fax können Patienten vermehrt über E-Mail oder Internet-Tools mit Zahnmedizinern in Kontakt treten. Zudem nutzen immer mehr Menschen Gesundheitsportale im Internet: Sie holen über Online-Angebote eine zweite Meinung oder fachlichen Rat ein. Angebote der Telemedizin rücken verstärkt in den Fokus der zahnärztlichen Leistungserbringung. Zahnärzte sollten sich daher dringend mit der Zulässigkeit der zahnärztlichen Diagnostik und Behandlung via Fernkommunikationsmittel beschäftigen. Schnell ist die Grenze zur unzulässigen Fernbehandlung überschritten.

Das darf der Zahnarzt
Grundsätzlich erlaubt ist die Erteilung allgemeiner Informationen zu Gesundheitsfragen, sofern kein konkreter Patientenbezug beziehungsweise kein Bezug zu einer konkreten Krankheitsgeschichte besteht. Auch Anschlussberatungen via Fernkommunikationsmittel sind zulässig, wenn zuvor in einem persönlichen Gespräch eine Untersuchung erfolgt ist und eine Diagnose gestellt wurde.

Ist eine zahnärztliche Diagnose und Behandlung über Fernkommunikationsmittel prinzipiell erlaubt, bestehen inhaltlich keine Beschränkungen. Bei schwerwiegenden oder folgenreichen Diagnosen empfiehlt sich aber in jedem Fall ein persönliches Gespräch. Benötigt der Patient nach Mitteilung der Diagnose voraussichtlich eine unmittelbare Unterstützung durch den behandelnden Zahnarzt, kann eine persönliche Unterredung sogar Pflicht sein.

Der Zahnarzt darf prinzipiell auch Familienangehörige mitbehandeln, etwa wenn eine Frau die Gesundheitsprobleme ihres Ehemannes schildert. Vorsicht: Der Erkrankte muss den Zahnarzt zunächst von der zahnärztlichen Schweigepflicht gegenüber dem Gesprächspartner entbinden und in die Übermittlung von Daten via Fernkommunikationsmittel wirksam einwilligen. Die Schweigepflichtentbindung und die Einwilligung in die Übermittlung von Daten sollten beim Patienten zum besseren Nachweis schriftlich eingeholt werden.

Wo Vorsicht geboten ist

Auf der Webseite www.hochschulstart.de/dosv können Studieninteressenten Informationen über den Verfahrensablauf sowie die teilnehmenden Hochschulen abrufen.

Die Ausübung des zahnärztlichen Berufs ist nach berufsrechtlichen Vorschriften an die Praxis gebunden. Foto: Monia Geitz

Zwar ist das Verbot, die zahnärztliche Behandlung und Beratung ausschließlich über Fernkommunikationsmedien durchzuführen, in der Musterberufsordnung der Zahnärzte nicht ausdrücklich aufgenommen. Das Gleiche gilt nach Überblick des Verfassers auch für die einzelnen Landesberufsordnungen. Nach den berufsrechtlichen Vorschriften ist die Ausübung des zahnärztlichen Berufs jedoch an die Praxis gebunden. Aus dieser Regelung leitet sich die standesrechtliche Verpflichtung ab, dass die Behandlung des Patienten grundsätzlich persönlich, das heißt in gleichzeitiger Anwesenheit des Zahnarzts zu erfolgen hat.

Dies wird damit begründet, dass der behandelnde Zahnarzt im Rahmen der zahnärztlichen Diagnostik und Behandlung nicht nur die körperliche Untersuchung zu gewährleisten hat; er muss sich zugleich einen eigenen Eindruck von dem Patienten verschaffen. Eine Ausnahme bilden akute Notfälle, bei denen keine andere Form der zahnärztlichen Hilfe möglich ist. Bedingung ist, dass die Telemedizin allein als „Notmaßnahme“ erfolgt und die Einleitung erforderlicher Maßnahmen nicht zeitlich verzögert. In jedem Fall muss der Zahnarzt den Patienten zum nächstmöglichen Zeitpunkt in seine Praxis einbestellen. Alternativ ist er an eine Notfallpraxis oder an die Notaufnahme einer stationären Einrichtung zu verweisen.

Selbst eine zulässige Telemedizin kann auf Dauer problematisch sein. Eine feste zeitliche Grenze, nach deren Ablauf ein zuvor via Fernkommunikationsmittel behandelter Patient wieder persönlich untersucht werden muss, existiert nicht. Doch bei jeder neuen Erkrankung, die nicht durch eine persönliche Untersuchung diagnostiziert wurde, ist der Patient erneut in die Praxis einzubestellen. Das gleiche gilt, wenn sich im Rahmen der Beratung per Telefon oder E-Mail herausstellt, dass sich die diagnostizierte Erkrankung verschlechtert hat. Als Faustregel gilt: Eine persönliche Untersuchung ist dann zu wählen, wenn die medizinische Sorgfaltspflicht eine Einbestellung des Patienten in die eigene Praxis erfordert.

Eine monatelange Behandlung via Fernkommunikationsmittel birgt erhebliche Risiken. Entsteht dem Patienten ein Schaden, kann dies als zahnärztlicher Behandlungsfehler gewertet werden. Zahnärzte sollten daher genau abwägen, wann ein Patient in die eigene Praxis wieder einbestellt werden sollte.

Was bei Verstößen droht
Die Konsequenzen einer unzulässigen Behandlung über Fernkommunikationsmittel können erheblich sein. Es drohen zivil-, berufs- und strafrechtliche Folgen. Verletzt der Zahnarzt mit der Behandlung via Fernkommunikationsmittel seine Sorgfaltspflicht, kann der Patient gegen den behandelnden Zahnarzt gegebenenfalls einen Anspruch auf Schadenersatz geltend machen.

Wird die zahnärztliche Beratung via Fernkommunikationsmittel als ein Verstoß gegen die Regelung der Berufsordnung angesehen, drohen dem Zahnarzt berufsrechtliche Konsequenzen. Auch strafrechtliche Folgen sind nicht ausgeschlossen. Im Falle einer unzulässigen Fernbehandlung können unter Umständen die Straftatbestände der fahrlässigen Körperverletzung bzw. der Verletzung von Privatgeheimnissen erfüllt sein. Dem Zahnarzt drohen dann eine Geldstrafe oder sogar eine Freiheitsstrafe.
Oliver Weger, Mönchengladbach

 

Zum Autor:
Oliver Weger ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht der Kanzlei WWS Wirtz, Walter, Schmitz & Partner in Mönchengladbach (www.wws-gruppe.de). Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der Beratung von niedergelassenen Zahnärzten bei der Gründung, Übernahme und Abgabe von Praxen, dem ärztlichen Gebührenrecht und Berufsrecht. Die WWS-Gruppe ist eine überregional tätige, mittelständische Wirtschaftsprüfungs-, Steuerberatungs- und Rechtsberatungskanzlei. Sie ist an drei Standorten am Niederrhein vertreten (Aachen, Mönchengladbach, Nettetal).

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