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Streit in der Gemeinschaftspraxis – oft hilft eine Mediation

Streit unter den Partnern ist sehr verbreitet. Nicht selten eskaliert er zu schweren Auseinandersetzungen unter Einschaltung von Rechtsanwälten und Gerichten. (Foto: Gerd Altmann / pixelio.de) [1]

Streit unter den Partnern ist sehr verbreitet. Nicht selten eskaliert er zu schweren Auseinandersetzungen unter Einschaltung von Rechtsanwälten und Gerichten. Foto: Gerd Altmann / pixelio.de [2]

Wenn sich Zahnärzte zusammenschließen, hat das viele Vorteile. Es gibt aber auch erhebliche Risiken – das größte ist Streit unter den Partnern. Auf der IDS stand unser Autor Dr. med. dent. Wieland Schinnenburg Rede und Antwort – sehen Sie dazu auch unser Video auf www.dzw.de [3]! Dr. Schinnenburg ist Zahnarzt, Rechtsanwalt und Mediator und beschäftigt sich viel mit der Gründung von zahnärztlichen Gemeinschaftspraxen – und dem Streit unter den Partnern.

Rund 70 Prozent der deutschen Zahnärzte sind immer noch in einer Einzelpraxis niedergelassen. Der Anteil nimmt jedoch laufend ab, und manche halten die Einzelpraxis schon für ein Auslaufmodell. Tatsächlich bietet eine Gemeinschaftspraxis eine ganze Reihe von Vorteilen: Man kann längere Sprechzeiten anbieten, die Partner können sich spezialisieren, die Kosten können gesenkt werden, und mehr Freizeit und Urlaub sind auch drin.
Seit einigen Jahren gibt es auch eine große Zahl an Formen der Zusammenarbeit: Örtliche Berufsausübungsgemeinschaft, überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft, Zweitpraxis, Praxisgemeinschaft. Oder es bleibt bei einem Chef, der aber einen oder mehrere Zahnärzte anstellt. Im Grunde ist heute für fast jedes Bedürfnis eine Gestaltungsform dabei.

Allerdings gibt es auch einige Nachteile: In einer Gemeinschaft muss ein Zahnarzt Rücksicht auf Kollegen nehmen, statt, wie in der Einzelpraxis, alleine entscheiden zu können. Auch betreffend seiner Arbeitszeiten und seines Urlaubs kann er nicht mehr alleine entscheiden. Hinzu kommt einiger Aufwand für die Abstimmung untereinander: Das fängt schon mit der nicht ganz einfachen Abfassung des Praxisvertrags an und hört bei der gemeinsamen Entscheidung über die Einstellung von Mitarbeitern oder Anschaffungen noch längst nicht auf.

Streit unter Partnern
Die größte Gefahr ist aber der Streit unter den Partnern. Es wird wenig darüber geredet, tatsächlich ist Streit unter den Partnern sehr verbreitet. Nicht selten eskaliert ein solcher Streit zu schweren Auseinandersetzungen unter Einschaltung von Rechtsanwälten und Gerichten. Dies kann schwere wirtschaftliche Folgen haben, denn der Streit als solcher kostet nicht selten viel Geld – vor allem aber spüren die Patienten die Spannungen in der Praxis und bleiben weg.

Der Fall:
Dr. A und Dr. B sind etwa gleich alt und arbeiten seit vielen Jahren erfolgreich in einer Gemeinschaftspraxis zusammen. Sie haben durch längere Sprechzeiten und innovative Behandlungskonzepte ihren Patientenstamm deutlich vergrößert. Außerdem haben sie es durch Schichtbetrieb erreicht, dass sie nicht mehr als ca. sechs Stunden pro Tag in der Praxis verbringen müssen. Allerdings führt der Schichtbetrieb dazu, dass sich die Zahnärzte nur selten persönlich sehen.

Die Sichtweise von Dr. A:
Dr. A sieht gute Chancen, den finanziellen Ertrag aus der zahnärztlichen Tätigkeit weiter zu steigern. Entsprechend einer Empfehlung eines Dentalberaters will er auch am Samstag Sprechstunden abhalten und außerdem eine überörtliche Gemeinschaftspraxis mit Dr. C bilden, der eine Einzelpraxis rund 50 Kilometer vom Sitz der bisherigen Gemeinschaftspraxis betreibt. Dr. A möchte dann sowohl am Standort als auch am neuen Standort arbeiten.

Die Sichtweise von Dr. B:
Dr. B, der anders als Dr. A verheiratet ist und Kinder hat, möchte an seinem bisherigen Arbeitseinsatz festhalten. Außerdem will er nicht einer überörtlichen Gemeinschaftspraxis angehören und so unabsehbare Haftungsrisiken eingehen. Zwar will er Dr. A es grundsätzlich nicht verwehren, auch an einem anderen Standort zu arbeiten, jedoch fürchtet er, dass Dr. A dies nicht nur während der freien Zeit am bisherigen Standort tut und außerdem eventuell wegen Verkehrsstaus entlang des langen Weges nicht rechtzeitig wieder da ist. Dann stünde er – Dr. B – vor der Wahl, entweder seine eigene Behandlungszeit zu verlängern oder Patienten lange warten zu lassen.

Die Verhärtung
Als Dr. B auch nach längeren Gesprächen nicht einlenkt, droht Dr. A ihm mit Kündigung und harter Konkurrenz. Außerdem teilt er mit, dass er entsprechend der Empfehlung seines Dentalberaters schon an einem weiteren Standort für mehrere Hunderttausend Euro eine exklusive Privatpraxis eröffnet habe, in der er nun arbeiten werde. Entweder solle Dr. B am gemeinsamen Sitz mehr arbeiten oder man könne einen Zahnarzt anstellen. Dr. B lässt sich anwaltlich beraten und verlangt von Dr. A mit einer einstweiligen Verfügung, seine anderweitige zahnärztliche Tätigkeit zu unterlassen.

Es kommt zu abfälligen Bemerkungen über den jeweils anderen gegenüber Mitarbeitern und Patienten sowie den entsprechenden Folgen. In dieser dramatischen Situation konnte die Einschaltung eines Mediators helfen. Es stellte sich der Hintergrund des Streits heraus:

Die Hintergründe
Dr. A hatte, anders als Dr. B, keine Familie, sondern nur regelmäßig neue Freundinnen. So fühlte er sich nicht ausgelastet, insbesondere wusste er nichts mit der Zeit anzufangen, wenn Dr. B die Praxis führte und er frei hatte. Dr. A wurde im Lauf der Zeit immer unruhiger und hatte Angst, etwas zu versäumen. Deshalb wollte er beim anderen Geschlecht keine Chance auslassen. Er kam meist zuerst auch gut an, jedoch hielten die Beziehungen meist nicht lange: Entweder war er der jeweiligen Frau zu unruhig oder ihm war die Frau zu langweilig. Irgendwann fiel Dr. A auf, dass ihn diese Affären auf Dauer nicht befriedigten und dass der einzige Bereich, in dem er seit vielen Jahren konstant Erfolg hatte, seine zahnärztliche Tätigkeit war. Deshalb wollte er in diesem Bereich mehr tun. Hinzu kam die Einflussnahme mehrerer Dentalberater, die ihm einen erheblichen Einnahmenzuwachs vorrechneten. Auch diese Offenbarung des Dr. A kam erst nach Einzelgesprächen mit dem Mediator.

Im Gespräch zu dritt wurde Dr. A klar, dass es eigentlich nicht die Zahnmedizin als solche war, die ihm über Jahre Halt gab, sondern die Zusammenarbeit mit Dr. B. Nachdem Dr. A dies erkannt hatte, kam auch von Dr. B ein Eingeständnis: Er habe Dr. A schon während des Studiums sehr bewundert, da er nicht nur alle Prüfungen souverän gemeistert hatte, sondern auch damals schon beim anderen Geschlecht sehr erfolgreich war. Dieses Bekenntnis beeindruckte Dr. A, der umgekehrt Dr. B für seine Ausgeglichenheit bewunderte und im Grunde neidisch war, dass dieser Kinder hat.

Die Lösung
Schließlich kamen beide überein, dass Dr. A seine frisch erworbene, weit entfernt gelegene Privatpraxis verkauft. In der Gemeinschaftspraxis wurden zusätzliche Sprechstunden am Samstag eingeführt und ein Zahnarzt eingestellt. Vor allem vereinbarten beide, dass sie künftig gemeinsam etwas unternehmen, insbesondere gemeinsam Sport treiben wollen. Außerdem wollen sie für mehr gemeinsame Sprechzeiten sorgen. Weiter will Dr. A Vorträge über innovative Behandlungsmethoden halten. Der wirtschaftliche Erfolg blieb nicht aus, durch die Sprechstunden am Samstag konnten weitere Patienten gewonnen werden.

Fazit
Dieser Fall ist nicht untypisch, oft steckt hinter einem Streit zwischen Zahnärzten ein versteckter Konflikt. Wenn dieser nicht aufgedeckt und gelöst wird, nützt die Schlichtung des aktuellen Streits wenig, es wird bald zu neuem Streit kommen. Wenn es den beteiligten Zahnärzten nicht gelingt, den zugrundeliegenden Konflikt aufzudecken, benötigen sie professionelle Hilfe durch einen Mediator. Sie sparen damit nicht nur viel Stress, sondern auch viel Geld.
RA Dr. Wieland Schinnenburg, Hamburg

 

RA Dr. Wieland Schinnenburg [4]

RA Dr. Wieland Schinnenburg

RA Dr. med. dent. Wieland Schinnenburg studierte in Hannover, Münster und Los Angeles Zahnmedizin und in Hamburg und Washington D.C. Rechtswissenschaften. Außerdem war er an Zahnkliniken in Haiti, Thailand und Kanada tätig. Er ist seit 1987 als Zahnarzt und seit 1998 als Rechtsanwalt niedergelassen. Seit 2006 ist er Fachanwalt für Medizinrecht. Er berät Zahnärzte in allen Rechtsfragen, die ihre Praxis betreffen und ist vielen Zahnärzten aus zahlreichen Veröffentlichungen und Vorträgen bekannt. Nach einer Ausbildung an der Universität Bielefeld führt er seit 2007 den Titel Mediator und ist auf Streitigkeiten in zahnärztlichen Praxen spezialisiert. Er ist Autor des Buches Gemeinschaftspraxis & Co. Alternativen zur zahnärztlichen Einzelpraxis [5], das 2010 im Zahnärztlichen Fachverlag erschien.