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Praxisübernahme und Praxiskaufvertrag – Sechs Punkte, die Sie wissen müssen

RA Dr. Karl-Heinz Schnieder [1]

RA Dr. Karl-Heinz Schnieder

Preis, materielle und ideelle Werten, Zahlungsmodalitäten – beim Kauf oder der Übernahmen einer Praxis muss man zahlreiche Aspekte bedenken. Denn die Interessen des abgebenden Zahnarztes sind niemals deckungsgleich mit denen des Praxisübernehmers. Von diesen Tipps profitieren beide Seiten.

Haben sich Praxisabgeber und Praxisübernehmer über die wesentlichen Vertragsbestandteile wie das Kaufobjekt, hier die Praxis mit ihren materiellen und ideellen Werten, über den Kaufpreis und die Zahlungsmodalitäten etc. geeinigt, gilt es, einen schriftlichen Praxiskaufvertrag abzuschließen. Wenngleich ein schriftlicher Kaufvertrag gesetzlich nicht vorgeschrieben ist und auch die mündliche Kaufabrede Gültigkeit hat, empfiehlt es sich nicht zuletzt auch aus Beweisgründen immer, einen schriftlichen Kaufvertrag zu formulieren.

Die seitens der Kammern oder aber auch im Internet erhältlichen Muster können wertvolle Orientierungshilfe sein, insbesondere im Hinblick auf die wichtigsten zu regelnden Vertragspunkte, ersetzen aber niemals eine fundierte Rechtsberatung, vornehmlich durch versierte und erfahrene Fachanwälte. Kammer-Musterverträge sind regelmäßig auf Neutralität ausgerichtet, wobei das Leben niemals neutral ist. Die Interessen des abgebenden Zahnarztes sind niemals deckungsgleich mit den Interessen des übernehmenden Zahnarztes. Am offenkundigsten wird dieser Umstand am zu vereinbarenden Kaufpreis. Es gibt zwar landläufig die Vorstellung, dass die Erstellung eines Praxiswertgutachtens notwendig sei, um einen „objektiven Kaufpreis“ zu ermitteln. Dies ist aber mitnichten so. Ein Praxiswertgutachten kann durchaus sinnvoll sein, um Anhaltspunkte für eine Wertfindung zu geben. Letztlich bestimmen aber Angebot und Nachfrage, Reputation und Ausstattung, Marktanteil und weitere Punkte den zwischen den Kaufvertragsparteien zu bestimmenden Kaufpreis. Aus den vorgenannten Umständen ist die dringende Empfehlung sowohl an den Abgeber als auch an den Übernehmer zu geben, die gesamte Abwicklung mit der Hilfe sowohl eines rechtlichen als auch eines steuerlichen Beraters durchzuführen.

Das sind die wichtigsten Punkte und Umstände, die man bei einer Praxisübernahme beachten sollte:

1. Kaufpreisfindung
Um einen fundierten und umfassenden Einblick in die zu übernehmende Praxis zu erhalten, ist es unerlässlich, sich vom Abgeber umfangreiches Datenmaterial aushändigen zu lassen. Dazu gehören unter anderem die letztjährigen Jahresabschlüsse, die letzten Quartalsabrechnungen, hier insbesondere auch immer die Quartalsabrechnungen aus dem IV. Quartal, da hier in der Regel die KZVen ihre Jahresabrechnung vornehmen, um sich ein umfassendes Bild über Budgetauslastung, Gefahren von Wirtschaftlichkeitsprüfungen, Plausibilitätsprüfungen etc. zu machen. Nicht selten werden in der Praxis abzugebende Praxen „marktfein“ gemacht, oder aber, wie man auch sagen kann „die Braut geschmückt“, was im Ergebnis nichts anderes heißt, als dass die Leistungsvolumina nach oben gefahren werden, um entsprechend vorzeigbare Abrechnungswerte zu präsentieren. Hier ist es immer vonnöten, nach anstehenden Regressen, Budgetüberschreibungen oder Wirtschaftlichkeits- oder Plausibilitätsprüfungen zu fragen, um diesen „geschmückten Bräuten“ auf die Spur zu kommen. Ferner ist es im Zusammenhang mit der Kaufpreisfindung notwendig zu prüfen, ob die Wertzusammensetzung, das heißt die Aufsplittung in materiellen und ideellen Werten ordnungsgemäß ist.

Bei den materiellen Werten helfen häufig auch sogenannte Wertgutachten, die von den Depots erstellt werden. Im ideellen Bereich ist es notwendig, sich die Patientenstruktur etwas genauer anzusehen, um besondere Praxisspezifika herauszufiltern, die möglicherweise durch den Übernehmer der Praxis nicht mehr gewährleistet werden können. Ein Beispiel bildet hier eine Praxis, die aufgrund ihrer besonderen Sprachkenntnisse ihrer Mitarbeiter auch ein besonderes Patientengut rekrutieren konnte und über Jahre behandelt hat. Ist nun der Praxisnachfolger nicht in der Lage, die Sprachkenntnisse anzubieten, ist es mit hoher Wahrscheinlichkeit so, dass sich die Patienten an vielen Stellen praxismäßig umorientieren werden, da sie sich in der Nachfolgerpraxis möglicherweise nicht mehr verstanden fühlen.

Zu betonen ist noch einmal, dass es einen objektivierbaren und gerechten Kaufpreis nicht gibt. Die Kaufpreisfindung obliegt damit dann dem Verhandlungsergebnis des Abgebers und des Übernehmers.

2. Kaufobjekt/Gewährleistung
Im schriftlichen Vertrag sollte das Kaufobjekt genau bezeichnet werden. Güter, die nicht zu der Praxis gehören oder aber das Privateigentum des Abgebers sind, sollten ebenfalls in einer Anlage aufgenommen werden, damit es im Nachgang keinen Streit über die gekauften Objekte gibt.

Ferner sollten die Kaufvertragsparteien vereinbaren, in welchem Zustand die materiellen Werte übernommen werden beziehungsweise wer bis zu welchem Zeitpunkt die Gewährleistung oder aber auch die Haftung für die Funktionsfähigkeit der übernommenen materiellen Güter übernimmt.

3. Die eigene Zulassung als Wirksamkeitsbedingung
Von besonderer Bedeutung und Wichtigkeit ist der Umstand, dass die Wirksamkeit des Praxiskaufvertrags in einen unmittelbaren Zusammenhang mit der eigenen Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung gestellt wird. Ein Praxiskauf einer Kassenpraxis macht in unserem Land in der Regel nur dann Sinn, wenn der Käufer ebenfalls in den Besitz einer vertragszahnärztlichen Zulassung kommt. Allein auf privater Ebene lassen sich Kassenpraxen in aller Regel auch nicht weiter fortführen. Vor diesem Hintergrund muss eine Verknüpfung der Wirksamkeit des Kaufvertrags mit der rechtskräftigen Zulassung des Praxiskäufers hergestellt werden. Geschieht der Praxisverkauf übergangslos, das heißt, liegen zwischen der Abgabe und der Übernahme keine längeren Zeiträume, handelt es sich formaljuristisch um einen sogenannten Betriebsübergang. Mit dieser Systematik sichert der Gesetzgeber den Arbeitnehmern der Abgabepraxis das Fortbestehen ihrer Arbeitsverträge zu. Diese gehen kraft Gesetz auf den Praxisübernehmer über. Dieser Umstand ist von besonderer Bedeutung, insbesondere in den Fällen, in denen der Praxisübernehmer bestimmte Mitarbeiter nicht übernehmen möchte oder aber auch bloß die Anzahl der Mitarbeiter reduzieren möchte. In diesem Fall muss der Praxisabgeber durch entsprechende Kündigungen vor dem Übergang der Praxis dafür Sorge tragen, dass die nicht übernahmefähigen Arbeitsverhältnisse im Zeitpunkt des Betriebsübergangs keinen Rechtsbestand mehr haben. Der Praxisübernahmevertrag sollte hierzu entsprechende Regelungen enthalten, insbesondere auch Regelungen über die Arbeitsbedingungen und Arbeitsverträge des zu übernehmenden Personals, was sowohl im Hinblick auf die schriftlichen Arbeitsbedingungen als aber auch im Hinblick auf mündliche Zusagen und Abreden gilt und zu beachten ist.

4. Rechnungsabgrenzung
Da zahnmedizinische Behandlungen häufiger über einen längeren Zeitraum stattfinden, ist die Rechnungsabgrenzung vonnöten und schriftlich zu fixieren. In der Regel finden Praxisübernahmen zum Monatsanfang statt, idealerweise zum Quartalsanfang. Die Vertragsparteien sollten sich über die Abrechnungsmodalitäten bereits angefangener Behandlungsfälle und deren Abrechnung verständigen.

5. Telefon, E-Mail, Internet
Sofern der Praxisübernehmer die Telefonnummer und die E-Mail-Adresse oder Internetadresse weiter fortführen will, sollte dies ebenfalls Gegenstand der schriftlichen Vereinbarung sein.

6. Mietvertrag
Befindet sich die zu übernehmende Praxis in einem Mietobjekt, ist zwingend auch der Mietvertrag mit in den Blick zu nehmen. Der Vermieter hatte bis dato einen Mietvertrag mit dem Praxisabgeber und wird sich nicht jeden Praxisübernehmer „vor die Nase setzen lassen“. Weiterhin wird er regelmäßig einen Mietertausch auch für veränderte Mietkonditionen nutzen wollen. Vor diesem Hintergrund ist es zwingend erforderlich, sich auch über die Mietvertragskonditionen zu verständigen und die Zustimmung des Vermieters zum Mieterwechsel einzuholen.

Die aufgezeigten Regelungen zeigen deutlich auf, dass der Praxiskauf sowohl im Hinblick auf seine Werthaltigkeit als auch im Hinblick auf seine Komplexität eine bedeutsame und oft auch schwierige Angelegenheit ist. Fehlende schriftliche Verträge oder schlecht formulierte oder ausgehandelte Kaufverträge sind nicht selten Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Um dies zu vermeiden, sollte auf eine qualifizierte und fachkundige frühzeitige rechtliche Beratung besonderen Wert gelegt werden.
RA Dr. Karl-Heinz Schnieder, Fachanwalt für Medizinrecht und Sozialrecht, Münster • Berlin • Hamburg

Zu unserem Autor:
Rechtsanwalt Dr. Karl-Heinz Schnieder, Münster, ist seit 20 Jahren als Rechtsanwalt niedergelassen und Partner und Mitinhaber der kwm, Kanzlei für Wirtschaft und Medizin mit Niederlassungen in Münster, Berlin, Hamburg, Bielefeld, Essen und Hannover. Der Fachanwalt für Medizinrecht und Fachanwalt für Sozialrecht sowie seit 2013 auch Mediator war vor seiner Niederlassung auch zwei Jahre Referatsleiter Recht bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe.

Dr. Schnieder ist Lehrbeauftragter der Universität Münster und der SRH Hamm und unter anderem Mitglied der Netzwerkpartnerschaft Neue Versorgungsstrukturen der ApoBank und Initiator und Entwickler der Netzwerkinitiative „Gesundheitsregion-Stadt e.V.“ mit zurzeit elf gegründeten Gesundheitsregionen. Er ist zudem Autor zahlreicher Fachbeiträge, unter anderem zum Patientenrechtegesetz (erschienen im zfv, Herne), sowie Zahnarztrecht, Praxishandbuch für Zahnmediziner (erschienen im Springer-Verlag).