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Praxisgründer drängen in die Städte – ländliche Regionen suchen Nachwuchs

Auf dem Lande keine Seltenheit: Viele Praxen finden keinen Nachfolger. Foto: Monia Geitz [1]

Auf dem Lande keine Seltenheit: Viele Praxen finden keinen Nachfolger. Foto: Monia Geitz

Eine Zahnarztpraxis erfolgreich zu verkaufen, wird immer schwieriger. Zum einen ist seit dem Jahr 2007 die Anzahl der Zahnärzte in freier Praxis rückläufig, während die Zahl der angestellten Zahnärzte im Gegenzug spürbar zugenommen hat. Zum anderen ist mit der Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen auch die Wahl des Praxisstandorts frei. Viele Praxisgründer drängen in die Städte, Praxen in ländlichen Regionen haben es schwer, Nachfolger zu finden.

Dr. David Klingenberger [2]

Dr. David Klingenberger

„Die Veräußerung einer Zahnarztpraxis ist unter diesen Rahmenbedingungen deutlich erschwert. Das wirkt sich insbesondere auf den ideellen Wert der Zahnarztpraxen aus“, konstatieren nun die Autoren einer Studie des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ). Der empirisch recht enge Zusammenhang zwischen ideellem Wert und der Entwicklung des durchschnittlichen Einnahmenüberschusses sei in den vergangenen Jahren sukzessive zurückgegangen. „Dies ist ein Hinweis darauf, dass es neben den harten betriebswirtschaftlichen Erfolgsgrößen noch andere Faktoren gibt, welche die Höhe des ideellen Wertes beeinflussen“, so Dr. David Klingenberger (IDZ) und Prof. Dr. Thomas Sander (MHH). Sie beleuchteten daher die gängigen Bewertungsverfahren für die Kaufpreisfindung kritisch vor dem Hintergrund der Faktoren, die sich in der Praxis als relevant erwiesen.

Der ideelle Wert einer Zahnarztpraxis werde im Wesentlichen durch die persönlichen Beziehungen und das langjährige Betreuungsverhältnis zwischen Zahnarzt und Patient sowie durch die soziale Praxislage und -organisation beeinflusst. Daher fordern die gängigen Verfahren zu Recht, dass bei der Praxisbewertung immer auch die Stellung der Zahnarztpraxis als „Organisationseinheit und als Teil einer gewachsenen Infrastruktur in der betreffenden Region“ (Bundesärztekammer 2008) einbezogen werden sollte. Die Wirkungen der Einbettung der Praxis in eine soziale Beziehungsstruktur werden in dem Begriff des „Sozialkapitals“ zusammengefasst.

In der Untersuchung zeigte sich, dass vor allem die Praxisverkäufer dem Sozialkapital einen großen Einfluss auf die Goodwill-Berechnung zusprachen, vor allem der langjährigen Bindung der Patienten an die Praxis und das Team, dem persönlichen Kontakt und der Vertrauensbasis zum Patienten, dem Ansehen der Praxis und der Arbeitsatmosphäre im Team. Für die Verkäufer kam das Sozialkapital beim Thema Kaufpreisbildung auf Platz 2, bei den Käufern dagegen nur auf Platz 4. Für diese war allerdings das Klima der Kauf-/Verkaufsverhandlungen selbst wichtig (Platz 2, Verkäufer nur Platz 8).

An erster Stelle stehen bei beiden die betriebswirtschaftlichen Einnahmen der Praxis. Die „betriebswirtschaftlichen Kosten und Stabilität“ landeten dagegen bei beiden nur im Mittelfeld: „Es kann vermutet werden, dass sowohl Verkäufer als auch Käufer nicht über genügend betriebswirtschaftliches Know-how verfügen, um die Bedeutung der betriebswirtschaftlichen Kostengrößen fundiert beurteilen zu können. Insbesondere scheint die Bedeutung der Abschreibungen für den Praxiswert im Rahmen der Kaufpreisverhandlungen nicht ausreichend gewürdigt zu werden“, heißt es dazu in der Studie.

Wichtig ist beiden der Patientenstamm, aber schon bei der Praxisorganisation liegt die Einschätzung bezüglich des Einflusses auf den Preis deutlich auseinander: Für den Verkäufer steht sie auf Platz 5, für den Käufer nur auf Rang 8.

Als eine der Forderungen aus ihrer Studie formulieren die Autoren, dass Praxisbewertungsverfahren, die auch zukunftsorientiert analysieren wollen, dem Sozialkapital stärker Rechnung tragen müssen: „Mit dem Übergang der Praxis auf den Erwerber verändert sich prozesshaft auch die Struktur, in die die Praxis eingebettet ist. Die Verbindung zu den Patienten kann andauern beziehungsweise erneuert werden oder aber sich lösen. Entscheidend ist, dass die über den Sozialkapitalansatz erfasste Patientenbindung über den Zeitpunkt des Praxisübergangs hinaus fortwirkt. Da die Praxisbewertungsverfahren mittlerweile nicht mehr rein gegenwartsbezogen, sondern zukunftsorientiert analysieren wollen, muss dieser sozialstrukturelle Veränderungsprozess zwingend in die Prognose und Bewertung einbezogen werden. Ohne Kenntnis des in einer Praxis angesammelten und gebundenen Sozialkapitals sind die zukünftigen Erträge einer Zahnarztpraxis nicht verlässlich prognostizierbar.“

Der Stellenwert des Sozialkapitals in den Praxisbewertungsverfahren müsse insofern als zentral bezeichnet werden. Während der Verkäufer vergangenheitsbezogen seine „Investitionen in den guten Ruf der Praxis“ honoriert haben möchte, interessiere den Käufer primär das zukünftige „Ertragspotenzial der Praxis“. „Der Sozialkapitalansatz bringt die beiden Perspektiven zusammen und löst damit zugleich den Anspruch der modernen Praxisbewertungsverfahren ein, zukunftsorientiert zu bewerten“, so die Autoren.

Die IDZ Information 1/14 „Stellenwert des Sozialkapitals in Praxisbewertungsverfahren“ steht in Internet unter www.idz-koeln.de [3] zum Herunterladen zur Verfügung.