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Parodontitis – Tsunami oder Herausforderung? Schnell und sicher zur Diagnose, professionellen Dokumentation und Auswertung

SylviFresmann (Foto: Fresmann) [1]

Sylvia Fresmann (Foto: Fresmann)

Die gute Nachricht zuerst: Mit einem konsequent und strukturiert durchgeführten parodontalen Risikomanagement können parodontale Erkrankungen frühzeitig erkannt und gezielte Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Die Chance, dass auch bereits erkrankte Patienten langfristig ihre Zähne erhalten und damit auch ihre Allgemeingesundheit schützen können, ist groß. Einzelmaßnahmen mögen kurzfristige (Teil-)Erfolge zeigen. Der bestmögliche und angestrebte Langzeiterfolg kann jedoch nur auf der Grundlage eines individuellen und umfassenden Behandlungskonzepts erzielt werden. Doch was heißt das genau?

Die letzte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS IV) belegt, dass fast 75 Prozent aller 35- bis 44-Jährigen von einer mittelschweren beziehungsweise schweren Parodontitis betroffen sind. Realistischerweise muss davon ausgegangen werden, dass das Erkrankungsrisiko mit steigendem Durchschnittsalter der Bevölkerung, bei gleichzeitig längerem Zahnerhalt, noch deutlich zunehmen wird. Im Ergebnis gilt es, die Erkrankung möglichst frühzeitig und sicher zu diagnostizieren. Zielrichtung ist es, mit aller Konsequenz Zahn- und Implantatverluste sowie Wechselwirkungen mit der Allgemeingesundheit zu vermeiden.

Gesundheitsrisiken erkennen und gezielt bekämpfen

Ablauf einer Prophylaxesitzung (Foto: Fresmann) [2]

Ablauf einer Prophylaxesitzung (Foto: Fresmann)

Fakt ist, dass für eine Erfolg versprechende Behandlung die individuellen Risikofaktoren des Patienten systematisch und umfassend erhoben werden müssen. Unabdingbar ist die intensive Mitarbeit des Patienten, die immer wieder individuell zu erarbeiten ist.
So einfach, wie sich das anhört, ist es jedoch nicht. Die Schwierigkeiten liegen in der konkreten Umsetzung. Die Vielschichtigkeit der Erkrankungsursachen und deren Erscheinungsformen stehen dabei im absoluten Spannungsfeld mit der zur Verfügung stehenden knapp bemessenen Zeit, die zusätzlich von der Compliance des Patienten beeinflusst wird.

Konzeptstrukturen und Organisation des parodontalen Risikomanagements
Das Zeitgerüst für ein Behandlungskonzept zur Bekämpfung der „Volkskrankheit Parodontitis“ ist nicht definiert und orientiert sich individuell am Einzelfall. Neben fachlichen Aspekten ist es auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten absolut geboten, den Behandlungsprozess durchzustrukturieren, die erforderlichen Arbeitsschritte klar zu beschreiben und mit grundsätzlichen Zeitvorgaben und Personalressourcen zu belegen.

Eingabe der Daten ohne Assistenz (Foto: Fresmann) [3]

Eingabe der Daten ohne Assistenz (Foto: Fresmann)

Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Die Handlungssicherheit der Behandler wird gefördert, flexible Zeitfenster können ohne Qualitätsverlust eingebaut werden. Recall- und Behandlungsplanung werden optimiert und sorgen für eine bessere Auslastung der Prophylaxeabteilung. Die Chance, dass der Patient sich als Teil eines durchgeplanten professionellen Prozesses versteht und sich an die Praxis bindet, ist groß.
Ein professionelles Hilfsmittel für dieses anspruchsvolle Vorhaben ist das Programm ParoStatus.de (www.parostatus.de [4]). Von Praktikern für Praktiker führt dieses von Zahnärzten und Dentalhygienikerinnen entwickelte Programm computerunterstützt durch den Behandlungsprozess. Die Arbeitsschritte sind von der Anamnese bis zur abschließenden Terminvereinbarung standardisiert und werden vom Programm begleitet und dokumentiert. Ein wichtiger Fortschritt in Zeiten knapper Personalressourcen ist die „Einbedienerfunktion“: Für die Erhebung und Dokumentation beziehungsweise Eingabe der Befunde ist nur noch eine Person nötig. Der Einsatz einer Assistenzkraft ist nicht erforderlich.

Parodontales Risikomanagement in der praktischen Umsetzung
Parodontales Risikomanagement ist als systematischer Ablauf zu verstehen, der mit einer umfassenden Anamnese beginnt. Orale und allgemeingesundheitliche Beschwerden oder Besonderheiten, Medikationen, persönliche und familiäre Dispositionen, Allergien, Unverträglichkeiten, Vorerkrankungen etc. werden ebenso erhoben und dokumentiert wie der Konsum von Genussmitteln (Nikotin, Alkohol) und sonstige die Gesundheit beeinflussende Lebensgewohnheiten. Das ParoStatus-Programm gibt hier bereits viele Fragen vor, sodass im Grunde eine Art Checkliste abgearbeitet werden kann und keine wesentlichen Details vergessen werden.

Befundansicht im ParoStatus (Foto: Fresmann) [5]

Befundansicht im ParoStatus (Foto: Fresmann)

Im Rahmen der anschließenden Befunderhebung wird der parodontale Status des Patienten erfasst. Klinische Parameter und die bereits festgestellten persönlichen Risikofaktoren bilden dabei die Grundlage für die individuelle Einschätzung des Erkrankungsrisikos des Patienten. Auf der Basis dieser Befunde werden die individuelle Therapie und Behandlung festgelegt.
Im Rahmen der Befunddokumentation und der Einschätzung des parodontalen Risikos sind, neben den zahnbezogenen (Furkationsbeteiligung, iatrogene Faktoren, partielle Attachmentverluste) und stellenbezogenen Faktoren (ST/PSI, Suppuration, subgingivale Mikroflora), die patientenbezogenen Faktoren von besonderer Bedeutung:

  • Rauchen (Nikotin ist der stärkste extrinsische Risikofaktor für Parodontitis.)
  • Systemische und genetische Faktoren
    – Diabetes
    – Leukämie
    – Autoimmunerkrankungen
    – Candidiasis
    – Herpesviruserkrankungen
    – Schleimhautpemphigoid
    – Familiäre Neutropenie
    – Interleukin-1-Polymorphismuskomplex
  • Medikamente
    – Antiepileptika
    – Immunsuppressiva
    – Kalziumantagonisten
Ablauf einer Prophylaxesitzung (Foto: Fresmann) [2]

Ablauf einer Prophylaxesitzung (Foto: Fresmann)

Die Komplexität der Parodontitis sowie das zu berücksichtigende ständige Gegenspiel von Noxen und Immunantwort machen die Bedeutung der Bewertung des individuellen Risikos deutlich. Je nach Ergebnis wird der Patient einer von drei Risikogruppen zugeordnet. Die Skalierung der Parameter in den Stufen „niedriges“/„mittleres“ und „hohes Risiko“ ermöglicht die Ableitung von Empfehlungen für individuelle Recallfrequenzen und Therapiemaßnahmen.

Niedriges Risiko UPT (unterstützende Parodontitistherapie) einmal im Jahr
Mittleres Risiko UPT zweimal im Jahr
Hohes Risiko UPT drei- bis viermal im Jahr

Zur zusätzlichen optischen Orientierung können die Risikogruppen farblich differenziert dargestellt werden (Ampelfunktion). Nach etwa einem Jahr empfiehlt sich eine erneute Risikoeinstufung, um Krankheitsverlauf und Behandlungserfolg nachvollziehen zu können. Auf Grundlage dieser erneuten Risikoeinstufung können dann, im Sinne eines kontinuierlich anzupassenden Risikomanagements, Behandlungsschritte, Maßnahmen zur Verbesserung der Patientencompliance sowie Recallabstände individuell angepasst werden. Bei konsequenter Durchführung der UPT in risikoorientierten Abständen können bei den meisten Patienten die parodontalen Verhältnisse über längere Zeiträume stabilisiert werden.

Parodontales Risikomanagement: „Wie sage ich es meinem Patienten?“

Automatische Darstellung des entzündeten Gewebes auf einer Hand (Foto: Fresmann) [6]

Automatische Darstellung des entzündeten Gewebes auf einer Hand (Foto: Fresmann)

Erfolgreiches Risikomanagement erfordert Kommunikations- und Überzeugungsfähigkeiten. Patienten verständlich zu informieren und zu überzeugen ist insbesondere im Alltagsstress eine anspruchsvolle Aufgabe. Eine Informationsüberflutung kann Patienten ebenso leicht überfordern wie die häufige Verwendung von Fachbegriffen. Zeitraubende, wiederholte Rückfragen und Erklärungen sind häufig die Folge.

Das ParoStatus-Programm stellt dem Behandler eine überzeugende Kommunikationsunterstützung zur Verfügung: Informationen über erhobene Befunde, deren Bewertung und die darauf basierende Einschätzung des individuellen Erkrankungsrisikos werden von dem Programm auf Grundlage wissenschaftlicher Standards errechnet und in patientenverständlicher Sprache übersichtlich und komprimiert zusammengestellt.

Patientenausdruck (Foto: Fresmann) [7]

Patientenausdruck (Foto: Fresmann)

Der Patient erhält einen farbigen Papierausdruck mit allen wichtigen Informationen und Empfehlungen zur häuslichen Mundhygiene, mit denen er sich zu Hause auseinandersetzen und gegebenenfalls auch auf die Recallsitzung vorbereiten kann.

ParoStatus.de-System mit App (Foto: Fresmann) [8]

ParoStatus.de-System mit App (Foto: Fresmann)

Technikaffinen Patienten können die Ergebnisse auch per kostenloser App auf das Smartphone übertragen werden. Positive Patientenrückmeldungen belegen eine enorm motivierende Wirkung. Die Bandbreite motivationsfördernder Maßnahmen erhöht sich durch das ParoStatus-Programm deutlich. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Compliance der Patienten verbessert, nimmt zu.

Parodontis ist und bleibt eine Herausforderung

Die Prävalenz der Parodontitis wird nach derzeitiger Erkenntnislage mit steigendem Alter der Bevölkerung deutlich zunehmen, nicht nur in Deutschland. Gut ausgebildetes, kompetentes Personal, professionelle Praxisstrukturen und Behandlungskonzepte sind die Basis für langfristigen Zahnerhalt der Patienten und eine belastungsfähige Grundlage, mit der den kommenden Herausforderungen begegnet werden kann.
Sylvia Fresmann, Dülmen


SylviFresmann (Foto: Fresmann) [1]

Sylvia Fresmann (Foto: Fresmann)

Sylvia Fresmann hat sich in ihrer Praxistätigkeit neben der Betreuung von Parodontalpatienten auf Präventionsbehandlungen bei Kindern und Erwachsenen spezialisiert. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Referenten- und Fortbildungstätigkeit in Deutschland, Österreich, Spanien und den Niederlanden. Zahlreiche Fachartikel und Buchbeiträge im In- und Ausland wurden von ihr veröffentlicht. Sie ist Mitautorin der Fachbücher „Die Einführung der Prophylaxe in die Zahnarztpraxis [9]und „Zahnaufhellung mit Konzept“, beide erschienen im ZFV-Verlag in Herne. Seit vielen Jahren berät sie außerdem erfolgreich Zahnarztpraxen in Deutschland und Österreich auf dem Weg zur serviceorientierten Prophylaxepraxis. Im April 2010 gründete sie mit dem Zahnarzt Dr. Kossack die ParoStatus.de GmbH und entwickelte mit ihm zusammen die Software ParoStatus.de [10], ein System zur Befunddokumentation und Qualitätssicherung in der Parodontologie, weiter.
 Sie ist Mitglied in verschiedenen Fachgesellschaften und erste Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Dentalhygieniker/-innen und leitet die Prophylaxeabteilung der Zahnarztpraxis Dr. Strenger in Dortmund (www.dr-strenger.de [11]).

Kontakt:
Deutsche Gesellschaft für DentalhygienikerInnen e.V.
Sylvia Fresmann
Fasanenweg 14
48249 Dülmen
E-Mail: Fresmann@t-online.de [12]
Web: www.dgdh.de [13]