O du fröhliche – oder: Gerechtigkeit geht vor Geschenk

Travel-Stock / shutterstock.com

Urlaub ist etwas Schönes. Aber wohl nicht für jeden. Wie ich so die Urlaubstage von allen ZFAs durchsehe, fällt mir auf, dass einige noch ein paar freie Tage für dieses Jahr haben. Da Weihnachten naht, ist es eigentlich eine vernünftige Sache, den Resturlaub kurz vor den Feiertagen zu nehmen – weniger Hektik und mehr Zeit für den alljährlichen Wahnsinn, um Geschenke und Weihnachtsessen zu organisieren.

So denkt jeder, dachte ich – und war mit meiner Logik einsam und allein. „In meinem Urlaub möchte ich etwas tun und nicht nur rumsitzen. Ich brauche keine freien Tage mehr“, meinte eine „Helferin“. Was soll man darauf antworten, ohne gleich böse angestarrt zu werden? Nach minutenlanger Stille kam dann: „Darf ich den Urlaub ins nächste Jahr mitnehmen?“

In mir bahnt sich ein Schneesturm an. Sätze wie „Sei doch froh, dass du so viel Urlaub hast“ oder „Was ändert sich denn nächstes Jahr? Hast du da mehr Dinge zu tun?“ schießen mir durch den Kopf. Nein, es gibt kein Rumgeschiebe von Urlaubstagen ins nächste Jahr.

Im Urlaub muss man schließlich nicht jedes Mal ein Haus bauen oder um die Welt reisen. Es genügt, sich etwas mehr seinen Liebsten zu widmen, seinen Hobbys nachzugehen oder einfach mal Ordnung in seinem Leben zu machen. Füße hochlegen und ausschlafen sind natürlich auch attraktive Optionen.

Seit wann muss man denn sein Personal zu seinem Glück zwingen? Irgendwie komisch, die Welt. Besonders zu Weihnachten ist doch fast jeder im Engpass, was freie Stunden angeht. Vielleicht haben meine „Helferinnen“ ein Zeitmanagement entdeckt, das ich nicht kenne. Vielleicht gehe ich zu „old school“ an die Weihnachtsgans und Co. heran. Schenkt man sich nichts mehr? Zelebriert man das Zusammensein überhaupt noch? Diese Fragen machen mich nachdenklich und auch etwas ratlos. Wer sich keine Mühe macht, der benötigt auch keine Zeit dafür. Wer keine Zeit braucht, dem ist Urlaub unwichtig.

Positiv betrachtet, spricht es auch für meine „Mädels“, keine freien Tage haben zu wollen. Denn ich weiß nun, dass sie sich in unserer Praxis wohlfühlen. Wahre Streicheleinheiten für die Chefs und das Praxiskonzept. Zumindest gefällt mir die Theorie, und ich will an sie glauben. Eigentlich sollte ich froh sein, dass sie lieber Patienten behandeln, als daheim fernzusehen. Es gibt doch nichts Schöneres, als in ruhiger, andächtiger Atmosphäre Füllungen zu legen, anstatt sich in Hysterie draußen um die letzte Baumkugel zu streiten.

Manchmal ist der Mikrokosmos Praxis eben viel kuscheliger als der Makrokosmos Welt – besonders in der Konsum-Weihnachtszeit. Deswegen sollte man den Urlaub vielleicht lieber rund um unspektakuläre Feiertage aufbewahren? Irgendwie kann ich das nachvollziehen. Trotzdem gibt mir das auch zu denken. Dient die Praxisfamilie als Ersatz für die eigentliche Familie? Vermutlich ein absurder Gedanke. Wer weiß …?

Da sich nun positive und negative Erkenntnisse zum Thema Resturlaub in mir vereinen, entsteht ein Kompromiss. Einen Großteil der übrigen Tage müssen meine „Mädels“ noch in diesem Jahr verbrauchen und ein paar Überbleibsel dürfen sie Huckepack mit ins nächste nehmen. Ein Mini-Geschenk – schließlich ist ja bald Weihnachten.

Dennoch muss ich hart bleiben. Nur weil besinnliche Zeiten anstehen und alle motiviert arbeiten, sind keine Extrawürste drin. Wenn jeder ein anderes Extra bekommt, hängt ganz schnell der Haussegen so schief, dass es egal ist, ob es weihnachtet oder nicht. Jede wird gleichbehandelt – Gerechtigkeit geht vor Geschenk. Wenn aber jede gleich viele Resttage bekommt, passt es auch nicht – individuelles Arbeiten wird dann nicht individuell belohnt. Also, am besten nichts schenken. – Diese Theorie macht mir aber keine Freude.

Also: Geschenke annehmen und nicht meckern!

This page as PDF

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

*