Nicht zu viel bezahlen – So erzielen Sie bei der Praxisbewertung einen fairen Preis

Hans-Josef Lohr (Foto: Pluradent)

Hans-Josef Lohr (Foto: Pluradent)

Die Praxiseröffnung ist einer der wichtigsten Meilensteine in der beruflichen Laufbahn eines Zahnarztes. Aufgrund der insgesamt sehr guten zahnärztlichen Versorgung und hoher Investitionskosten entscheiden sich heute die meisten Existenzgründer für die Übernahme einer bestehenden Praxis.

Neben sehr vielen Fragen rund um die Übernahme steht zunächst die Ermittlung des Kaufpreises, also des Werts der zu übernehmenden Praxis, im Vordergrund. Subjektiv oder nach den Gesetzen der Marktwirtschaft lässt sich diese Frage sehr leicht beantworten: Eine Praxis ist so viel wert, wie ein Käufer bereit ist, dafür zu zahlen.

Um zu einem objektiven Wert zu gelangen, gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Kriterien, Bewertungsansätze und Methoden – und ebenso eine Vielzahl von Experten, die sich mit dieser Thematik befassen. Der Praxiskäufer benötigt einen kompetenten Partner, dem er vertraut, und der sich mit allen Belangen der zahnärztlichen Praxis auskennt: angefangen bei den betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen über die abrechnungsrelevanten Fragen bis hin zum Behandlungsspektrum.

Materieller und immaterieller Praxiswert
Grundsätzlich sind zwei unterschiedliche Teilwerte zu ermitteln: Der Gesamtwert einer Zahnarztpraxis setzt sich aus dem Wert des Inventars, also dem materiellen Praxiswert, und dem immateriellen Wert, auch Goodwill genannt, zusammen.

Der materielle Wert ergibt sich aus dem Gebrauchs- beziehungsweise dem Verkaufswert, abhängig vom Alter, Anschaffungswert und Zustand sowie der Veräußerbarkeit jedes einzelnen Praxisinventars. Hierzu zählen nicht nur zahnmedizinische Geräte und Möbel, sondern alle Gegenstände, die sich in der Praxis befinden und die mitveräußert werden. Es werden nicht die steuerlichen Buchwerte herangezogen. Viel eher sollten individuelle Verkaufswerte bestimmt werden.

Zur Ermittlung des immateriellen Praxiswerts werden in der Regel die betriebswirtschaftlichen Daten, häufig in erster Linie Umsatz und Gewinn, herangezogen. Immer noch gibt es Experten, die hier mit einem Prozentsatz vom Praxisumsatz arbeiten. Andere betrachten nur den Gewinn als Bemessungsgrundlage. Hier gibt es Größen zwischen einem halben durchschnittlichen und dem vollen durchschnittlichen Jahresgewinn. Die Frage bleibt: Welcher prozentuale Ansatz ist richtig?

Viele Bewertungen, ein Wert?
Bewertungen, die sich nur am Umsatz oder Gewinn orientieren, sind meist nicht aussagekräftig. Regelmäßig trifft man auf Praxisschätzungen, in denen zwei, drei oder gar vier Bewertungsverfahren angewandt wurden. Aus den teilweise stark differierenden Ergebnissen wird dann ein Durchschnitt gebildet. Doch führt das zu einem richtigen Praxiswert?

Um einen realistischen Praxiswert zu ermitteln, müssen die Einnahmenstruktur der Praxis, die Kostenstruktur und im Ergebnis der Gewinn analysiert werden. Die Ertragskraft einer Praxis ist betriebswirtschaftlich betrachtet entscheidend. Hier greifen nur Ertragswert- oder modifizierte sowie vereinfachte Ertragswertverfahren.

Wichtige Faktoren
Bis dahin sind wir ausschließlich bei der Betrachtung nackter Zahlen. Aber wie sind weitere Faktoren zu bewerten?

  • Wo liegt die Praxis – Stadt, Dorf, Zentrum oder Randlage? Gibt es Parkplätze oder öffentlichen Verkehr?
  • Wie hoch ist der Privatanteil?
  • Wie ist die Altersstruktur der Patienten?
  • Welches Praxisspektrum ist etabliert?
  • Wie ist der Ausbildungsstand des Personals?
  • In welchem Zustand sind die Praxisräume beziehungsweise ist das Mietobjekt?
  • Wie sind die Konditionen des Mietvertrags?

Alle diese Kriterien sind unter Umständen gar nicht objektiv zu bewerten. Der Käufer einer Praxis muss diese in jedem Einzelfall für sich persönlich bewerten. Er muss sich die Frage beantworten, was für ihn wichtig ist. Fragen nach Durchschnittswerten, wie viel eine Praxis kostet oder wie viel der Kollege bezahlt hat, helfen hier nicht weiter. Die Frage lautet viel eher: Kann ich mit dieser Praxis zukünftig mein persönliches und individuelles Praxiskonzept umsetzen?

Um eine gute Entscheidung zu fällen, müssen die Fakten mit Verstand beurteilt werden. Aber auch die Intuition beziehungsweise das Bauchgefühl sollte man mit einbeziehen. Die Entscheidung für oder wider den Kauf einer Praxis kann auf Basis einer Praxisschätzung getroffen werden. Der Käufer muss entscheiden, ob er den Kaufpreis für die gebotene Praxis zahlen möchte. Denn der Preis kann durchaus vom Ergebnis einer Praxisschätzung abweichen. Und dann sind wir wieder bei der Eingangsthese: Eine Praxis ist so viel wert, wie ein Käufer bereit ist, dafür zu zahlen!
Hans-Josef Lohr, Offenbach

 Zu unserem Autor
Hans-Josef Lohr ist Diplom-Betriebswirt und seit 2012 Regionalverkaufsleiter bei der Pluradent. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in den Bereichen Praxisabgabe, Praxisschätzung sowie Existenzgründung.

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