Irrweg Multitasking

Wer kennt das nicht: Man setzt sich morgens an den Schreibtisch, schiebt die Unterlagen von gestern zur Seite und fährt erst mal den Rechner hoch. Firefox und Outlook sind offen. Nun mal schauen, was es Neues gibt. Die Zeit verrinnt, dabei sollte doch ein neues Konzept entwickelt werden. Nach der Mittagspause geht es dann aber los. Ganz sicher … Strukturcoach Martin Krengel erklärt, warum Multitasking im Büroalltag ein Mythos ist und wie fokussiertes Arbeiten gelingt.

Martin Krengel

Martin Krengel

Der Grund, weshalb es so schwierig ist, den Anfangsschwung zu finden und sich in eine Sache hineinzudenken, ist wissenschaftlich längst bekannt. Jeder gedankliche Prozess verbraucht Körperenergie. Bereits im Ruhestand verbrennt das Gehirn 20 Prozent der Energie, beim Nachdenken und bei der intensiven Konzentration sind es bis zu 50 Prozent der eigenen „Akkuleistung“, die benötigt werden, um klare Gedanken zu fassen. Deshalb ist es so fatal, andere Aufgaben zwischen die eigentlich zu erledigende Aufgabe zu schieben. Denn mit jeder Störung sinkt die Konzentrationsfähigkeit, bis sie ganz perdu ist.

Das Umschalten auf neue Aufgaben aktiviert nämlich jeweils andere neuronale Netze und verbraucht viel Energie. Daher ist nicht gerade förderlich, wenn Büroarbeiter durchschnittlich acht Programmfenster offen haben, das Telefon ständig summt und im Schnitt alle zehn Minuten von einem Kollegen aus den Gedanken gerissen werden.
Einzelne Störungen, die stets ein gedankliches Umschalten bedeuten, sind kein Problem. Wer aber zwölf Browserfenster geöffnet und Whats-app im Hintergrund laufen hat oder alle drei Minuten Mails checkt, ist entweder Social-Media-Manager oder auf dem falschen Pfad.

Ablenkungen ablenken
Dabei lässt sich der innere Schweinehund überlisten und können Störquellen beim Arbeiten eingedämmt werden. Wer es einmal schafft, mehr Ruhe in seinen Tag und Kopf zu bekommen, kann sich hinterher entspannt ablenken lassen und den Kollegen helfen.
Kleine Signale erhalten die Produktivität im Kollegenkreis: Ein Fähnchen auf Halbmast oder ein Kuscheltier, das einem dem Hintern zudreht, könnte heißen: „Jetzt bitte nicht ansprechen, es sei denn, der Hausflur brennt.“

Auch Kopfhörer signalisieren dem Umfeld: „Der arbeitet gerade oder tut zumindest so.“ Das erhöht die Hemmschwelle des Kollegen, der einem nebenbei mal erzählen will, was er über einen Kunden denkt. Ideal sind Kopfhörer, die Umgebungsgeräusche aktiv herausfiltern. Diese Kopfhörer sind praktisch beim Arbeiten im Großraumbüro, im Zug oder im Café. Nur im wöchentlichen Meeting mit dem Chef kommen sie nicht ganz so engagiert rüber.

Fokus-Zeit vereinbaren
Eine weitere Möglichkeit ist es, mit seinem Chef und Kollegen eine tägliche Zeit zu vereinbaren, in der man in Ruhe an einem Konzept oder einer Kalkulation arbeiten kann – und geistig abtaucht. Ideal natürlich, wenn das für das gesamte Team gilt und der Chef das respektiert. Die Fokus-Zeit sollte sogar aktiv gefördert werden, immerhin gibt es so mehr Brain-Power aus dem Team.

Foto: Krengel

Foto: Krengel

Vielleicht versucht man es erst mal mit einer Stunde am Morgen, zum Beispiel von 10 bis 11 Uhr, und weitet das dann aus oder macht eine weitere Fokus-Session am Nachmittag, zum Beispiel vor Dienstschluss 16 bis 18 Uhr, in der alle ihre Projekte fokussiert abarbeiten können.

Eine flexiblere Lösung ist der strategische Rückzug. So werden das Café um die Ecke, das Home-Office oder der Konferenzraum zum Wächter der Konzentrationszeit. Jeder, außer SOS-Techniker und Kundenservice, sollte sich täglich mindestens eine Stunde auf diese Art rar machen dürfen – um geistig voll anwesend zu sein. Ein „Silent-Room“ – ein kompletter Arbeitsraum, an dem weder Telefon noch Gespräche erlaubt sind, ist eine sehr wirkungsvolle Alternative.

Zeitweise offline
Gerade denjenigen, denen beim Gedanken, das Internet komplett abzustöpseln, Schweißperlen über die Stirn laufen, sollten ernsthaft über diese (temporäre) Option nachdenken. Es gilt: Je wichtiger und schwieriger die Aufgabe, desto rabiatere Konzentrationsmittel sind erlaubt. Und: Je denkintensiver und/oder unangenehmer die Aufgabe, desto höher ist das Prokrastinations-Schweinehund-Potenzial. Also, das Telefon auf Flug- oder Productivity-Modus stellen, den W-Lan-Stecker ziehen oder Produktivitätsprogramme installieren, die das Internet teilweise oder komplett blockieren.

Es mag etwas ungewohnt sein, sich derart „asozial“ zu verhalten, schließlich sollen Teams zusammenarbeiten, sich gegenseitig unterstützen und die Kommunikation gefördert werden. Alles richtig, aber bitte nicht rund um die Uhr.

Wer geistig einschalten will, muss externe Reize abschalten! Es sind ja nur wenige Stunden am Tag. Wer in einem Meeting sitzt, geht ja auch nicht ans Telefon. Warum aber lassen wir uns stören, wenn wir im „Meeting“ mit einem wichtigen Konzept, der Kalkulation oder einer kreativen Idee sind?

Weitere Informationen erhalten Interessenten im Web unter www.studienstrategie.de.

Martin Krengel, Berlin

Zur Person:
Martin Krengel ist Zeitmanagement-Experte und Strukturcoach. Er studierte Wirtschaft und Psychologie an den Universitäten Witten/Herdecke, St.Gallen (CH), UCLA (US) und an der London School of Economics (UK). Kürzlich hat er das Buch Golden Rules veröffentlicht – die alles enthalten, was man zum erfolgreichen Lernen und Arbeiten wissen sollte. Vom Bestsellerautor sind zudem die Bücher Bestnote – Lernerfolg verdoppeln, Prüfungsangst halbieren und der Studi-Survival-Guide erschienen.

Buch-Tipp:
Martin Krengel: „Golden Rules. Erfolgreich lernen und arbeiten: Alles, was man braucht“, Midas Management Verlag AG 2013, 192 Seiten, Broschur, 15.95 Euro, ISBN: 978-3-907100-48-6


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Eine Antwort auf Irrweg Multitasking

  1. Tobias 20.6.2013

    Ich kann dem Artikel nur zustimmen. Geht mir selbts oft ähnlich.
    Das Buch klingt interessant, werde ich mir bei Gelegenheit bestellen!
    Tobi

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