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Interdisziplinarität: Allgemeinmedizin für Zahnärzte

Berlin ist immer eine Reise wert – und zum Mini-Symposium der Neuen Gruppe lohnt sich die Reise gleich doppelt. (Foto: Siebers) [1]

Berlin ist immer eine Reise wert – und zum Mini-Symposium der Neuen Gruppe lohnt sich die Reise gleich doppelt. (Foto: Siebers)

Allgemeinmedizinische Zusammenhänge mit der Zahnmedizin geraten immer mehr in den Fokus des Interesses, und wir erleben sie hautnah täglich in unseren Praxen. Diesem Themenschwerpunkt widmet sich die im Februar 2016 in Berlin stattfindende interdisziplinäre Fortbildung der Neuen Gruppe, www.neue-gruppe.com [2]. Medizinische Referenten aus angrenzenden Fachgebieten sind zum fachlichen Austausch eingeladen.

Die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den jeweiligen Facharztgruppen wird für den Erfolg der Behandlung von vielen multifaktoriell bedingten Erkrankungen immer wichtiger und entscheidend bei der Erzielung des Therapieerfolgs. Denn das zunehmende Alter unserer Patienten und die daraus resultierende Multimorbidität zwingen uns im Arbeitsalltag immer häufiger, allgemeinmedizinisches Wissen zu besitzen und anzuwenden.

Schließlich sind wir „Zahn-Ärzte“ – deshalb ist auch ein erweiterter „Blick über den zahnmedizinischen Tellerrand“ heute zwingend geboten, um nicht den Überblick bei der ständig zunehmenden Spezialisierung zu verlieren. Wir Zahnärzte erleben unsere Patienten „hautnah“ und haben den Blick in die Mundhöhle, den wenige andere Facharztgruppen haben.

Mundhöhle und Zunge sind Spiegel der inneren Veränderungen

Es ist bereits seit vielen Jahrhunderten und in vielen Kulturkreisen bekannt, dass Mundhöhle und Zunge einen Spiegel der inneren Veränderungen darstellen. Insbesondere bei der Erkennung oraler Manifestationen allgemeiner Erkrankungen kommt dem Zahnarzt deshalb eine herausgehobene Stellung zu. Er sieht den Patienten in der Regel zweimal im Jahr und damit häufiger als sein Hausarzt. Somit befindet sich der Zahnarzt – bei entsprechender Ausbildung – in der exponierten Position, eine Erkrankung erkennen zu können und adäquate Maßnahmen einzuleiten. Dies kann geschehen, bevor der Patient Symptome verspürt und einen Arzt aufsucht. Natürlich stellt es eine besondere Verantwortung dar, diese Prävention im Sinne der Patienten exakt und gewissenhaft durchzuführen. Aufgrund unserer großen Erfahrung als Zahnärzte um und über das normale Erscheinen der Mundhöhle und Zunge sowie das gesunde Aussehen von oralen Schleimhäuten (Form, Farbe, Beläge etc.) sind wir prädestiniert für die Erkennung und auch die Früherkennung von vielen Erkrankungen.

Stoffwechselerkrankungen und kardiovaskuläre Erkrankungen können beispielsweise zu deutlichen quantitativen und farblichen Veränderungen der Zunge führen: Makroglossie, violett-zyanotische volumenvergrößerte „Stauungszunge“. Makroglossie und Farbveränderungen der Zunge können aber auch Manifestation von Stoffwechselerkrankungen wie Amyloidose, Akromegalie, Myxödem, Morbus Addison oder Hämochromatose sein. Auch ein Diabetes mellitus kann Veränderungen an der Mund- und Zungenschleimhaut hervorrufen wie Candidiasis, Zungenpapillenatrophie oder Stomatitiden.

Viele Allgemeininfektionen zeigen deutliche Veränderungen in der oralen Kavität. Am bekanntesten ist wohl die „Erdbeerzunge“ als Kardinalsymptom des Scharlachs oder die „Porzellanzunge“ als typisches Symptom der Syphilis.

Natürlich gehen auch fast alle Haut- und Bindegewebserkrankungen mit Alterationen der Schleimhäute der oralen Kavität einher, wie Lichen ruber, Pemphigus und Sklerodermie.

Mangelerkrankungen und Medikamentennebenwirkungen oder auch chronische Vergiftungen lassen sich ebenfalls oft in der Mundhöhle erkennen. Xerostomie, Epithelatrophien, Gingivahyperplasien und farbliche Veränderungen von Schleimhaut und Zunge („schwarze Haarzunge“) können Hinweise auf Vitamin- und Mineralmangel, Nikotinabusus oder medikamentöse Antidepressivatherapie geben.

Früherkennung oraler Karzinome oder anderer Malignome

Nicht zuletzt kommt dem Zahnarzt eine entscheidende Rolle bei der Früherkennung oraler Karzinome oder anderer Malignome zu. Speziell die Differentialdiagnose benigner, potenziell maligner und maligner Alterationen der Mundhöhlenschleimhaut stellt sich oft als durchaus schwierig dar und erfordert großes Wissen und viel Erfahrung.

Therapie nächtlicher Schlafstörungen
Auch die Therapie nächtlicher Schlafstörungen gehört zum interdisziplinären Arbeitsbereich des Zahnarztes. Natürlich setzt sie Wissen um die zahnärztliche Schlafmedizin voraus. Mehr als ein Viertel aller Menschen leidet unter obstruktiver Schlafapnoe. Hierbei handelt es sich um nächtliche Atemaussetzer. Fast alle haben diese Aussetzer, ohne es zu wissen, obwohl es in der Regel zu massiven Einschränkungen der Lebensqualität – wie Schlafstörungen durch fehlende Tiefschlafphasen, Tagesmüdigkeit und Abgeschlagenheit – kommt.

Neben diesen Folgen, die von vielen Patienten gar nicht wahrgenommen werden, wissen wir, dass Menschen, die an Schlafapnoe leiden, ein etwa fünf- bis zehnfach erhöhtes Risiko haben, einen Unfall zu erleiden. Die Lebensqualität ist in der Regel eingeschränkt, und die Gefahr, an Krebs zu erkranken, ist erhöht. Außerdem steigt das Risiko, an einer kardiovaskulären Erkrankung (Herzinfarkt oder Schlaganfall) zu sterben, um den Faktor 2,5. Schnarcher mit OSA entwickeln zu 75 Prozent eine Hypertonie. Nicht zuletzt haben Menschen mit einer moderaten Schlafapnoe eine um zehn Jahre reduzierte Lebenserwartung.

Diese aus der OSA resultierenden Folgeerscheinungen sind mittels spezieller Schienen (UPS – sogenannte Unterkiefer-Positionierungs-Schienen) zu verhindern oder mindestens zu verbessern. So kann die oft als unangenehm empfundene Überdrucktherapie mittels CPAP (Continuous Positive Air Pressure) vermieden werden. Die Herstellung dieser zahngetragenen intraoralen Schienen sollte in speziell qualifizierten Zahnarztpraxen stattfinden, die eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Internisten, HNO und Somnologen pflegen.

Die ständig zunehmende Verflechtung von Medizin und Zahnmedizin führt zu einer immer größeren Herausforderung für uns Zahnärzte; wir sind verpflichtet, unser medizinisches Wissen immer wieder zu trainieren und es zum Nutzen und Wohle unserer Patienten ständig zu erweitern.

Genau dieser Themenschwerpunkt wird in einer interdisziplinären Fortbildung der Neuen Gruppe im Vordergrund stehen. Die Fortbildung bezweckt mit ihren acht Themenschwerpunkten Hämatologie, Infektiologie, Onkologie, Kardiologie, Innere Medizin, Oralpathologie, Hals-, Nasen-, Ohrenmedizin und Schlafmedizin eine Auffrischung und Aktualisierung des heutigen Wissens in diesen eng mit der Zahnmedizin assoziierten Fachdisziplinen. Eine intensive Diskussion über Schnittstellen in der interdisziplinären Behandlung mit den ausgewählten Spezialisten auf ihren Fachgebieten soll dabei nicht zu kurz kommen.
Dr. Derk Siebers, MSc, Berlin

Unser Fortbildungstipp:
Kompetenz nicht nur in der Zahnmedizin – Mini-Symposium

  1. Februar 2016, 9 bis 18. 30 Uhr im Novotel Tiergarten, Berlin

Referenten:
Dr. Harald Ebhardt, Dr. Dr. Andreas Fried, Prof. Dr. Markus Jungehülsing, Dr. Samia Little Elk, Prof. Dr. Georg Maschmeyer

Weitere Termine:

Jahrestagung Neue Gruppe: Implantologie im atrophierten Kiefer
Die diesjährige Jahrestagung der Neuen Gruppe findet vom 29. bis 31. Oktober 2015 in Wiesbaden statt.

Weitere Infos finden Interessenten unter www.neue-gruppe.com [2]oder beim Autor: Dr. Derk Siebers, MSc, mail@zahnarzt-siebers.de [3]

 Zu unserem Autor:

Dr. Derk Siebers, Master of Science in Oral Implantology [4]

Dr. Derk Siebers, Master of Science in Oral Implantology

Dr. Derk Siebers, Master of Science in Oral Implantology, war nach seinem Studium der Zahnmedizin als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der prothetischen Abteilung der Zahnkliniken Nord, Berlin, tätig. 1990 erfolgte die Promotion, 1991 die Niederlassung in Berlin-Charlottenburg. Im Jahr 1993 erfolgte die Spezialisierung auf Parodontologie, Oralchirurgie und Implantologie. Seit 2003 ist Dr. Siebers Spezialist für Implantologie (DGI, BdiZ EDI). Von 2005 bis 2007 absolvierte er ein postgraduales Masterstudium „Master of Science in Oral Implantology“, im November 2007 erwarb er den Master of Science in Oral Implantology (DGI, Steinbeis).

Dr. Siebers engagiert sich in zahlreichen Fachgesellschaften, darunter DGI, DGZMK, BGP, BdiZ und Neue Gruppe, und ist zudem Vorstandsmitglied der Neuen Gruppe sowie weiterer Organisationen.

Darüber hinaus ist Dr. Siebers ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen und hält Vorträge zu den Themen Implantologie, GBR und Augmentationschirurgie sowie ästhetische Zahnmedizin.