Generation Y – selbstbestimmt, aber nicht mit dem Ziel „selbstständig“

Rudolf Weiper (Management Support Weiper) moderiert die „Bonner Runde“ in bewährter Form und bringt Zukunftsszenarien auf den Punkt. (© DZW/Pick)

Rudolf Weiper (Management Support Weiper) moderierte die „Bonner Runde“ in bewährter Form und brachte Zukunftsszenarien auf den Punkt. (© DZW/Pick)

Mehr als ein Viertel der heute tätigen Zahnärzte wird bis zum Jahr 2020 altersbedingt aus dem Markt ausscheiden. Ebenso viele rücken nach. Sie sind Ende der 1980er-Jahre geboren und mit digitalen Medien aufgewachsen und ausgebildet. Dass die Generation Y zum Teil andere Lebensentwürfe verfolgt als ihre Eltern, ist heute eine Binsenweisheit eines jeden Feuilletons. Aber welche Ausrichtung haben diese neuen Kolleginnen und Kollegen –Gründer, Übernehmer, Praxispartner und angestellten Zahnärzte wirklich?

Um dies gemeinsam zu diskutieren, zu analysieren und zu konkretisieren, wie sie sich, ihren Beruf und ihr berufliches Umfeld sehen, hatte die DZW-Redaktion Assistenten, junge Praxisinhaber oder -partner und in der Klinik tätige Zahnärzte am 5. April 2014 zu einem intensiven Konstruktiv-Workshop – dem siebenten der „Bonner Runde“ – mit dem Baseler Unternehmensberater Rudolf Weiper (Management Support Weiper) exklusiv eingeladen. Elf junge Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie Vorbereitungsassistenten waren der Einladung gefolgt und haben das neue Rollenbild des Zahnarztes diskutiert, haben erzählt, warum sie Zahnarzt oder Zahnärztin werden wollten, welche Schwerpunkte sie setzen und wo sie sich im Vergleich mit etablierten Kollegen sehen. Auch Herausforderungen oder Unsicherheiten im Beruf und die Bedeutung der vielzitierten Work-Live-Balance haben sie angesprochen.

Möchten Sie – Assistenten, junge Praxisinhaber oder -partner und in der Klinik tätige Zahnmediziner – in der „Bonner Runde“ am 23. August 2014 Vertretern der Standespolitik Ihre Erwartungen vorstellen und diskutieren, wohin eine gemeinsame Reise gehen könnte? Dann melden Sie sich bis zum 11. August 2014 mit dem Stichwort „Bonner Runde“ an unter E-Mail leserservice@dzw.de, denn die Teilnehmerzahl ist begrenzt. Weitere Informationen erhalten Sie ebenfalls unter leserservice@dzw.de.

Generation Me, Myself and Selfie
In von Weiper eingangs vorgestellten Auszügen aus aktuellen Studien zum Thema werden die nach 1980 Geborenen als besser ausgebildet, einkommensstärker, weder mit einer Partei noch mit einer Religionszugehörigkeit verbunden, als institutionen-avers sowie als später verheiratet charakterisiert. Ebenso lasse sich ein starker Trend zur Ungebundenheit erkennen wie auch eine massive Zunahme virtueller Netzwerke. Die Generation Y zeichne sich im Vergleich zur Babyboomer-Generation durch einen übersteigerten Individualismus aus und habe kein dauerhaftes Interesse an kollektiven Aktionen, so die Analysen der Studien. Dennoch gebe es in der „Generation Ich“, die sich vermehrt mit „Selfies“, Schnappschüssen von sich selbst, inszeniert, trotz Krise und weltweit zunehmender gesellschaftlicher Ungleichheit einen hohen Optimismus, daher auch häufig die Bezeichnung „Generation Why not“.

Ganz oben auf der Prioritätenliste in dieser Generation: die Selbstbestimmtheit im Beruf – nicht aber unbedingt die Selbstständigkeit. Das Vertrauen in das Gegenüber ist bei der jungen Generation dagegen drastisch gesunken: Bejahten noch 40 Prozent der Babyboomer den Satz „Ich kann den Menschen in der Regel vertrauen“, waren es nur noch 31 Prozent der Generation X und lediglich 19 Prozent der Generation Y.

Entwicklung Dental Deutschland 2020
Rund 25 Prozent der Babyboomer, die derzeit noch am dentalen Markt tätig sind, werden im Jahr 2020 ausscheiden. Die Tendenz geht schon heute erkennbar zu

  • mehr Frauen,
  • mehr angestellten Zahnärztinnen und Zahnärzten,
  • mehr Teilzeitbeschäftigten,
  • mehr Partnerpraxen und Netzwerken,
  • digitalen Praxen,
  • mehr Spezialisierungen,
  • mehr Web-Shopping und E-Commerce,
  • mehr jungen Zahnärztinnen, die sich mit CAD/CAM und Implantologie auseinandersetzen.
  • Diese Trends werden sich wohl noch verstärken.

Frauenpower und Work-Life-Balance – das kommt
„Die Millennium-Elite ist ein Treiber des Wandels“, so Weiper, „und zwar kurzfristiger, als man denkt.“ Dies bestätigten auch die Teilnehmer. Heute seien Zahnärzte eher an einer individualisierten Karriere interessiert, brachte es ein Zahnarzt auf den Punkt. „Mal möchte man ins Ausland, dann wieder zurück, vor allem möchte man aber neben dem Beruf auch noch andere Dinge tun können.“

Die viel zitierte Work-Life-Balance trenne auch nicht mehr „Life“ von „Work“, sondern heute gelten Teile von „Work“ als „Life“: Hierunter versteht die Generation Y die Selbstverwirklichung durch den Spaß an der Arbeit. Dazu gehört zum Beispiel auch, sich fortzubilden, Zertifikate und damit neue Kompetenzen zu erlangen.

Dahinter steht auch ein gefühlter Zwang, es werden generell mehr Fortbildungen absolviert, ohne wenigstens eine fühlen sich junge Zahnärzte nicht konkurrenzfähig. Denn von der Fortbildungsindustrie werde verstärkt suggeriert, „nur noch Doktor zu sein“, sei nicht mehr möglich. Als schlecht erachteten die Teilnehmer, dass Spezialisierungen außer dem MSc nicht geschützt seien. Insgesamt empfinden die jungen Zahnärzte das Ausbildungsangebot als sehr differenziert, fast schon diffus. Dies führt dann häufig zu Zickzack-Lebensläufen.

Zu viele Modelle – zu viele Möglichkeiten
Nicht nur bei Fortbildungen wird gerne auf Exklusivität geachtet. „Wer behauptet, er möchte Dorfzahnarzt werden, hat die Loser-Attitüde – obwohl das Modell Dorfzahnarzt sehr erfolgreich ist“, so ein Zahnarzt. „Bereits in der Uni müssen Sie der Beste sein.“ Wer dagegen erzähle, dass er sich selbstständig machen möchte, „wird als jemand angesehen, der nur aufs Geld aus ist,“ berichtete eine Zahnärztin.

Heute gibt es zahlreiche Alternativen für den Berufsweg und zur Niederlassung. Dies sei ein Grund, so die Erfahrung der Teilnehmer, dass sich viele junge Zahnärztinnen und Zahnärzte nicht entscheiden könnten, sich niederzulassen, weil es noch so viele andere Möglichkeiten gibt – mit der Niederlassung könne man diese nicht mehr realisieren. Eines der größten Probleme: zu viele Modelle lassen zu viele Möglichkeiten offen.

Ausbildung statt Ausbeutung
Das Problem mit der Niederlassung beginnt oft bereits in der Vorbereitungsassistenz, für viele der erste Kontakt mit der realen Praxiswelt, so die Erfahrung vieler Workshop-Teilnehmer. Es gebe leider nicht nur Zahnärzte, die einen hohen Wert auf die gute Ausbildung ihrer Assistenten legen, sondern auch solche, die den Assistenten ohne Anleitung lassen und leider auch solche, die den Assistenten ausbeuteten statt ausbildeten – sowohl in der Art der Arbeit als auch in der Vergütung. So bekomme der Assistent dann nur die Fälle, die der Chef nicht selbst machen will – schlimmstenfalls nur PZR. Hier sind der Ausbildungs- und Lerneffekt infrage gestellt und die Koffer schnell gepackt. Probleme gebe es auch, wenn die Qualität der Arbeit des Chefs nicht dem entspreche, was man in der Ausbildung gelernt hat und selbst vertreten will.

Bei der Assistentenausbildung in größeren Praxen oder Praxisgemeinschaften sahen die Teilnehmer Vorteile. Da die universitäre Ausbildung aufgrund ihrer Breite heute wenig Tiefe und Praxis bietet, hat das strukturierte Lernen in der Assistenzzeit für die jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte einen besonders hohen Stellenwert. Die Teilnehmer erachteten die Kombination der drei Ansätze „Praxis-Lehrplan an der Universität“, „Ausbildungsplan in der Praxis“ und „Qualifizierung der Lehrpraxis“ als ideal.

Motivation für den Zahnarztberuf 3.0
Früher war der Zahnarztberuf geprägt durch die Einzelpraxis, den Zahnarzt, der dort wenig Kontakt nach außen hatte, um sich Anregungen für seine Arbeit zu holen, und ein hohes persönliches Risiko. Die Beziehung zum Team war oft familiär, fast eine Art Ersatzfamilie. Standen noch in der Babyboomer-Generation die Selbstständigkeit und der finanzielle Aspekt bei der Wahl des Zahnarztberufs im Fokus, überwiegt heute bei der Generation Y das praktische und vielseitige Arbeiten – „auch mal basteln“. Jobsicherheit, der Aspekt, Menschen zu helfen und eine gute Work-Life-Balance folgen dicht in der Beliebtheitsskala.

Heute ist der Umgang mit dem Praxisteam für junge Zahnärzte eher professionell geprägt. Die persönliche Sicherheit steht im Vordergrund, man achtet darauf, was einem gut tut und dass sich mit dem Beruf auch noch weitere Interessen verbinden lassen. Man weiß, was man will – und was nicht.

Auch wird die Tätigkeit mehr als Beruf denn als Berufung angesehen. Die Praxis muss nach betriebswirtschaftlichen Kriterien geführt werden. Die Zusammenarbeit mit Team, Lieferanten oder Zahntechniker läuft weitgehend kooperativ, allerdings sind junge Zahnärzte auch bereit, schneller Konsequenzen zu ziehen, wenn die Zusammenarbeit nicht funktioniert. Die Bindungen sind nicht mehr so stark wie früher. Deshalb besteht auch ein höherer Anspruch an Praxisteam und Teamführung.

Angestellt tätig zu sein empfinden junge Zahnärzte als mobiler und günstiger als die Praxisgründung, Angst vor fehlenden Stellenangeboten gibt es nicht. „Wir werden ja eigentlich überall gebraucht“, so eine Teilnehmerin. Dabei gibt es wenige Berührungsängste gegenüber Praxisketten, Filialpraxen und Franchise-Modellen. Junge Frauen scheinen oft mit der Niederlassung warten zu wollen, bis sich ein Standort durch Familienplanung herauskristallisiert hat. Häufig gehen junge Zahnärzte erst nach fünf oder sechs Jahren in eine Einzelpraxis, wenn sie eine ideale Praxis finden. Durch die Möglichkeit, Praxen zu pachten, und andere flexible Modelle ist es einfacher, selbstständig zu werden.

Kein Doppelstress mit der Einzelpraxis
Die Verantwortung einer Einzelpraxis schreckt aus verschiedenen Gründen eher ab. Zum einen gibt es ein deutlich höheres finanzielles Risiko beim Neustart, zum anderen bedeutet die Einzelpraxis auch Doppelstress bei Familiengründung und der Kombination von Praxis und Familie.

Junge Zahnärzte wollen heute auch nicht mehr allein, sondern im Team arbeiten, so wie sie es aus der Projektarbeit im Studium kennen. „Ich möchte nicht in einer Einzelpraxis mit nur einer Stuhlassistenz verblöden, ich möchte auch nach rechts und links schauen können, mit anderen reden und mich austauschen“, brachte es ein Teilnehmer auf den Punkt.

Darüber hinaus scheuen sich viele junge Zahnärzte, sich von Dritten abhängig machen zu müssen wie Betriebswirtschaftler, Banker, Steuerberater oder Zahntechniker, sondern wollen lieber selbstbestimmt arbeiten. Außerdem steht die Einzelpraxis aus Sicht der jungen Zahnärzte gegen die forcierte Leistung und Werbung der großen Zentren, und auch die Politik fördere indirekt Mehrbehandlerpraxen – zum Beispiel durch immer neue Auflagen, etwa bei der Praxishygiene.

Ein weiterer Grund – interessanterweise gerade von „Zahnarztkindern“ – gegen die Einzelpraxis ist die Befürchtung, nicht an den Praxiserfolg der Eltern anknüpfen zu können. „Ich weiß nicht, ob ich so eine Praxis aufbauen kann wie meine Eltern“, so eine Teilnehmerin. Andere dagegen wollen nicht so zeitintensiven Einsatz, wie die Eltern ihn für den Erfolg ihrer Praxis leisten mussten. Letztlich aber fehlen auch Rollenvorbilder, die den Anforderungen und Zielen der Generation Y entsprechen. Auch das „große Geldverdienen“ ist nicht mehr vorrangig, obwohl Zahnärzte sich mehr und mehr zu Verkäufern entwickelt haben: „Wenn man Geld verdienen möchte, geht man nicht in die Medizin, sondern in die Wirtschaft“, so ein Teilnehmer zum Thema Finanzen.

Geringes Vertrauen in Standespolitik und Fachgesellschaften
Das Vertrauen in politische Institutionen und Verbände lässt bei der Generation Y im Gegensatz zu den Vorgängergenerationen deutlich nach. In KZVen und Kammern fehlt es an Nachwuchs, der Altersdurchschnitt steigt, die aktiven Mitglieder werden immer älter. Politische Verbände bestehen für den Nachwuchs aus alten Männern, wirken spröde und unnahbar, Frauen sind hier unterrepräsentiert. Auch hier finden junge Zahnärzte keine Rollenvorbilder und fühlen sich nicht vertreten. Einige Stimmen aus der Runde: „Zahnärztekammern und KZVen machen nichts anderes, als ihre Blätter zu versenden und Geld abzubuchen“, „Ich lese keinen Artikel, in dem diese alten Männer abgebildet sind“, „Mein erster Gedanke beim Thema Kammer war: Wie kann man da austreten?“.

Das Misstrauen gilt auch den wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Verbänden (speziell die der Fachbereiche Implantologie, Endodontie oder Parodontologie), sie werden von den jungen Zahnmedizinern auch wegen ihrer vielfach engen Verbindungen zur Industrie kritisch betrachtet.

Fazit
Insgesamt, so hat der Workshop gezeigt, finden sich ähnliche Probleme bei allen jungen Zahnärztinnen und Zahnärzten. Allen Teilnehmern war es wichtig zu hören, wie andere junge Kollegen denken und fühlen, welche Ängste sie haben und wie sie Herausforderungen meistern. Allen tat es gut zu sehen, dass sie nicht allein mit ihren Sorgen sind. Sie konnten das eigene Denken besser einordnen und die eigenen Pläne abgleichen. Gleichzeitig erhielten die Workshop-Teilnehmer aber auch zahlreiche Anregungen und Denkanstöße für die eigene zahnärztliche Zukunft.

Die „Bonner Runde“ der DZW und die anschließende redaktionelle Berichterstattung sollen ein Startschuss für die Auseinandersetzung mit den Themen der Generation Y sein. Weitere Diskussionsrunden und -plattformen – etwa mit jungen Zahnmedizinern der Generation Y und Standespolitikern am 23. August 2014 – sollen folgen und zeigen, wohin die Reise geht.
MG, MW

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Eine Antwort auf Generation Y – selbstbestimmt, aber nicht mit dem Ziel „selbstständig“

  1. elisabeth 31.10.2014

    Ein wirklich sehr interessanter Artikel! Vielen Dank!
    In manchen Punkten stimme ich absolut mit dem Artikel überein. Besonders der Ansatz…“…Ganz oben auf der Prioritätenliste in dieser Generation: die Selbstbestimmtheit im Beruf – nicht aber unbedingt die Selbstständigkeit…“ da mit Selbständigkeit auch immer wieder ein großes Risiko verbunden ist.

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