Gemeinschaftspraxis oder Praxisgemeinschaft – ist doch egal? (2)

Die selbstständige ärztliche Tätigkeit in Kooperation mit Kollegen ist mittlerweile eine weit verbreitete Alternative zur Einzelpraxis oder Kliniktätigkeit. Die Entscheidung, in Kooperation mit anderen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Kollegen tätig zu werden, wirft die grundlegende Frage auf, in welcher Form dies erfolgen soll. Im ersten Teil des Beitrags stellte Rechtsanwalt Dr. Karlheinz Schnieder die Unterschiede zwischen 1. Praxisgemeinschaft und 2. Berufsausübungsgemeinschaft (früher Gemeinschaftspraxis) vor. Im zweiten Teil geht es um deren Vor- und Nachteile sowie um rechtliche Konsequenzen.

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Sowohl Praxisgemeinschaft als auch Gemeinschaftspraxis werden sehr häufig in der Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) geführt. Foto: Aka / pixelio.de

3. Berufsausübungsgemeinschaft oder Praxisgemeinschaft – ihre Vor- und Nachteile
Die Frage nach der geeigneten Kooperationsform lässt sich nur unter Berücksichtigung der konkreten Vorstellungen und Ziele der einzelnen Vertragspartner beantworten. So bieten die jeweiligen Kooperationsmöglichkeiten verschiedene Vor- und Nachteile.

Vertragsarztrechtliche Vorgaben und Rechtsform
Gemäß Paragraf 33 der Zulassungsverordnung für Zahnärzte muss die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) über die Gründung einer Praxisgemeinschaft lediglich unterrichtet werden. Für die Gründung einer Berufsausübungsgemeinschaft bedarf es demgegenüber einer Genehmigung des Zulassungsausschusses.
Sowohl Praxisgemeinschaft als auch Gemeinschaftspraxis werden sehr häufig in der Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) geführt. Die Praxisgemeinschaft wird dabei als GbR-Innengesellschaft betrieben, die nach außen nur insoweit in Erscheinung tritt, als es für die Unterhaltung der gemeinschaftlichen Personal- und Sachmittel erforderlich ist. Die Praxisgemeinschaft kann nicht in Form einer Partnerschaftsgesellschaft betrieben werden, da gerade kein Zusammenschluss zur gemeinsamen Berufsausübung erfolgt.
Eine Berufsausübungsgemeinschaft kann in der Rechtsform der GbR, zusätzlich aber auch in Form einer Partnerschaftsgesellschaft nach dem Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger freier Berufe (PartGG) gegründet werden. Für Verbindlichkeiten wird mit dem Gesellschaftsvermögen der Partnerschaft oder der GbR gehaftet. Daneben haften sowohl bei der Partnerschaft als auch bei der GbR die Partner auch persönlich.

Haftung für fehlerhafte Behandlung
In der Praxisgemeinschaft haftet jeder Arzt nur für seine eigenen etwaigen Behandlungsfehler. Bei der Berufsausübungsgemeinschaft in Form der GbR oder Partnerschaft haftet dagegen primär die Gesellschaft als solche und daneben auch die Gesellschafter und Partner persönlich als Gesamtschuldner für Behandlungsfehler eines anderen Partners. Für die Rechtsform der Partnerschaft besteht allerdings eine Einschränkung dahingehend, dass die Haftung für (Schadensersatz-)Verpflichtungen gegenüber Dritten für die Partner ausgeschlossen ist, die nicht an der Behandlung des geschädigten Patienten beteiligt waren. Damit wird deren Privatvermögen geschützt. Im Falle erheblicher Haftungsrisiken oder einer Unterversicherung der Partnerschaft kann somit eine Insolvenz sämtlicher Gesellschafter vermieden werden.
Bei der GbR kann zwar vertraglich im Innenverhältnis ebenfalls eine Ausgleichspflicht des verantwortlichen Gesellschafters gegenüber den anderen Gesellschaftern vereinbart werden. Diese Pflicht läuft aber ins Leere, wenn der Verantwortliche insolvent ist und seine Ausgleichspflicht daher nicht erfüllen kann. Insbesondere in Fällen der Unterversicherung kann dies zur Insolvenz sämtlicher GbR-Gesellschafter führen.

Paragraf (Foto: Gerd Altmann, pixelio.de)

In der Praxisgemeinschaft haftet jeder Arzt nur für seine eigenen etwaigen Behandlungsfehler. Foto: Gerd Altmann / pixelio.de

Zahnärztliche Verschwiegenheitspflicht
In einer Berufsausübungsgemeinschaft ist die Führung einer gemeinsamen Patientenkartei üblich und zulässig, da die Patienten nicht Patienten des einzelnen Zahnarztes, sondern Patienten der Berufsausübungsgemeinschaft sind.
In einer Praxisgemeinschaft werden Behandlungsverträge dagegen ausschließlich zwischen den Patienten und dem jeweiligen behandelnden Zahnarzt geschlossen. Jede Praxis der Praxisgemeinschaft hat daher einen eigenen Patientenstamm. Folglich gilt die zahnärztliche Schweigepflicht auch unter den Zahnärzten der Praxisgemeinschaft. Jeder in der Praxisgemeinschaft tätige Zahnarzt ist daher verpflichtet, eine eigene Patientenkartei zu führen. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Patientenunterlagen so aufbewahrt werden, dass die übrigen Zahnärzte ohne entsprechende Einwilligung des Patienten keinen Zugriff auf diese haben. Aufgrund der gemeinsamen Raumnutzung erfolgt in vielen Praxisgemeinschaften keine ordentliche Trennung der Patientenkarteien der einzelnen Praxen. Hier besteht die Gefahr einer Verletzung der in Paragraf 203 Absatz 2 Nr. 1 StGB normierten (zahn-)ärztlichen Schweigepflicht mit entsprechenden strafrechtlichen Sanktionen.

Persönliche Leistungserbringung und Vertretungsregelungen
Die Partner einer Berufsausübungsgemeinschaft können sich bei der Behandlung von Patienten jederzeit vertreten. In der Praxisgemeinschaft ist eine Vertretung nicht unbegrenzt möglich, da jeder Zahnarzt seine Tätigkeit selbstständig ausübt und eigene Verträge mit seinen Patienten schließt. Die gegenseitige Vertretung ist damit nur begrenzt im Rahmen und unter den Voraussetzungen der jeweiligen kassenzahnärztlichen Bestimmungen möglich.

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Bei der Gründung einer Berufsausübungsgesellschaft ist es zulässig und durchaus üblich, vertraglich eine Konkurrenzschutzklausel zu vereinbaren. Foto: Gerd Altmann / pixelio.de

Nachvertraglicher Konkurrenzschutz
Bei der Gründung einer Berufsausübungsgesellschaft ist es zulässig und durchaus üblich, vertraglich eine Konkurrenzschutzklausel zu vereinbaren. Mit einer solchen wird dem ausscheidenden Gesellschafter untersagt, sich innerhalb eines bestimmten Zeitraums und eines bestimmten Umkreises vom Praxissitz der Berufsausübungsgemeinschaft zur Ausübung einer eigenen vertrags- oder privatzahnärztlichen Tätigkeit niederzulassen. Die Konkurrenzschutzklausel kann sich auf die Tätigkeit des Ausscheidenden als angestellter Zahnarzt in einer Konkurrenzpraxis im geschützten Gebiet sowie die Tätigkeit im Rahmen eines medizinischen Versorgungszentrums erstrecken. Für den Fall eines Verstoßes kann eine Vertragsstrafe des ausscheidenden Partners vereinbart werden.
Bei Praxisgemeinschaften wird die Vereinbarung eines Konkurrenzschutzes regelmäßig als unzulässig angesehen. Da eine Praxisgemeinschaft nicht über einen gemeinsamen Patientenstamm verfügt, besteht hier gerade nicht die Gefahr, dass Patienten der verbleibenden Praxis in die neue Praxis des Ausscheidenden wechseln. Die Vereinbarung einer Konkurrenzschutzklausel dahingehend, dass der ausscheidende Partner für das Verbot, sich nicht in unmittelbarer Umgebung des Standorts der Praxisgemeinschaft niederzulassen, dennoch einen finanziellen Ausgleich erhält, wird nur vereinzelt als möglich erachtet. Es besteht mithin die Gefahr, dass eine derartige Klausel gerichtlich für unwirksam erklärt wird.

Die „faktische Berufsausübungsgemeinschaft“
Problematisch wird es, wenn der Außenauftritt der kooperierenden Zahnärzte nicht mit dem vereinbarten Innenverhältnis übereinstimmt. So treten einige Zahnärzte nach außen als Praxisgemeinschaft auf, während im Innenverhältnis tatsächlich eine Gemeinschaftspraxis mit gemeinsamer Gewinnverteilung und gemeinsamem Patientenstamm verabredet ist und „gelebt“ wird. In diesem Falle spricht man auch von einer „faktischen Berufsausübungsgemeinschaft“.

• Indizien einer „faktischen Berufsausübungsgemeinschaft“
Die Ankündigung einer Praxisgemeinschaft, die tatsächlich in Form einer Berufsausübungsgemeinschaft betrieben wird, stellt einen Gestaltungsmissbrauch und einen Verstoß gegen vertragszahnärztliche Pflichten dar, da die für die gemeinsame Berufsausübung notwendige Genehmigung des Zulassungsausschusses nicht vorliegt. Ob eine „faktische Berufsausübungsgemeinschaft“ vorliegt, wird vorwiegend an folgenden Indizien entschieden: Zahl der gemeinsam behandelten Patienten, Führung der Patientenkarteien und Vereinbarungen bezüglich eines Gewinnpoolings.
Die gemeinsame Patientendokumentation ist ein wichtiges Indiz für eine „faktische Berufsausübungsgemeinschaft“, da in einer Praxisgemeinschaft die Dokumentation korrekterweise eigenständig durch die einzelnen Praxen erfolgen müsste. Auch die vertraglich vereinbarte gemeinsame Realisierung von Gewinnen („Gewinnpooling“) spricht für das Vorliegen einer Berufsausübungsgemeinschaft. So ist die Vereinbarung eines „Gewinnpoolings“ unter den Zahnärzten einer Praxisgemeinschaft zwar nicht per se verboten. Gleichwohl sieht insbesondere die Rechtsprechung das Gewinnpooling als wichtiges Indiz für das Vorliegen einer Berufsausübungsgemeinschaft an, da es kaum mit dem berufsrechtlichen Verbot vereinbar ist, einem anderen Arzt Patienten gegen Entgelt zuzuweisen.

• Abrechnungsrelevante Folgen der „faktischen Berufsausübungsgemeinschaft“
Zudem hat die Ankündigung einer tatsächlich nicht ausgeübten Kooperationsform meist auch abrechnungsrelevante Folgen, da in der Berufsausübungsgemeinschaft jeder Behandlungsfall pro Quartal nur einmal abgerechnet werden darf. Bei der Praxisgemeinschaft rechnet dagegen der jeweilige behandelnde Zahnarzt eigenständig ab. Dementsprechend können innerhalb einer Praxisgemeinschaft gegebenenfalls einzelne Patienten von mehreren Zahnärzten behandelt und die entsprechenden Gebühren auch mehrfach abgerechnet werden.
Bei „fehlerhaften“ Kooperationsformen gehen KZVen und Krankenkassen regelmäßig von einer unrichtigen Abrechnung aus und fordern die Honorare ganz oder teilweise bis zu vier Jahre rückwirkend von der Praxis zurück.

• Straf-, berufs- und vertragszahnrechtliche Konsequenzen der „faktischen Berufsausübungsgemeinschaft“
Schwerwiegende Konsequenzen drohen allerdings dann, wenn innerhalb einer Praxisgemeinschaft Behandlungsfälle mehrfach pro Quartal abgerechnet werden, obwohl im Innenverhältnis eine Berufsausübungsgemeinschaft vereinbart ist. Zunächst besteht hier eine Rückzahlungspflicht der unberechtigterweise erhaltenen Gebühren gegenüber der KZV.
Daneben ist bei falscher Abrechnung regelmäßig der Tatbestand eines Abrechnungsbetrugs gegenüber der KZV gemäß Paragraf 263 Absatz 1 StGB erfüllt. Soweit sich mehrere Zahnärzte als Berufsausübungsgemeinschaft zusammenschließen, im Rahmen der Abrechnung gegenüber der KZV aber bewusst als Praxisgemeinschaft auftreten, kann sogar der Straftatbestand eines bandenmäßigen Abrechnungsbetruges im Sinne von Paragraf 263 Absatz 5 StGB erfüllt sein. Bei diesem handelt es sich um ein Verbrechen, das mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr (in minder schweren Fällen von sechs Monaten) bedroht ist. Neben den strafrechtlichen Konsequenzen drohen als weitere Rechtsfolgen die Entziehung der kassenzahnärztlichen Zulassung und/oder sogar die Rücknahme der Approbation.
Zur Vermeidung derartiger Risiken sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass der Außenauftritt der Praxis und die Abrechnungstechnik gegenüber der KZV mit der im Innenverhältnis vereinbarten Kooperationsform übereinstimmen.

Datenschutz in der Zahnarztpraxis

RA Dr. Karlheinz Schnieder

Fazit
Die verschiedenen Modelle der zahnärztlichen Zusammenarbeit bieten ein breites Spektrum an Möglichkeiten für die gemeinsame Berufsausübung. Die Wahl der Kooperationsform sollte allerdings gründlich überlegt sein. Jede Kooperationsform bietet Besonderheiten und ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Welche Kooperation die beste oder sinnvollste ist, kann nicht pauschal beantwortet werden, sondern richtet sich nach den Vorstellungen und Zielen der Beteiligten im konkreten Einzelfall. Es empfiehlt sich insoweit auch, eine entsprechende anwaltliche und steuerrechtliche Beratung einzuholen. Sobald die Wahl auf eine bestimmte Kooperationsform gefallen ist, sollte mit professioneller Hilfe ein entsprechender Kooperationsvertrag erstellt werden. Hier ist besonders darauf zu achten, dass der Inhalt des Vertrags auch wirklich der gewählten und intendierten Kooperationsform entspricht. Zur Vermeidung empfindlicher straf- und berufsrechtlicher Sanktionen ist unbedingt dafür Sorge zu tragen, dass der Außenauftritt der Praxis, insbesondere auch gegenüber den KZVen, mit den im Innenverhältnis getroffenen vertraglichen Vereinbarungen korrespondiert.

Ausblick: „Lokale Praxisketten“
Unter anderem wird die „Feminisierung“ oder der „Work-Life-Balance-Aspekt“ dazu führen, dass ein freiberufliches Tätigwerden nicht mehr die erste Wahl der zahnärztlichen Berufsausübung sein wird. Folglich wird die „Mehr-Standort-Praxis“ an Bedeutung gewinnen in Form von Zweigpraxen, überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaften oder auch lokalen Praxisketten. (Überregionale Praxisketten [siehe McZahn] lassen sich nur schwer im Zahnarztberuf realisieren.) Lokale Praxisketten können von einem Betreiber oder einer entsprechenden Gesellschaft gegründet werden und stellen selbstständige Zahnärzte, Praxis, Geräte, etc. zur Verfügung. Eine lukrative und interessante Aufgabe für erfahrene und noch motivierte Zahnarztsenioren.

Rechtsanwalt Dr. Karl-Heinz Schnieder, Münster

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