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Funktionsdiagnostik – Am Anfang steht die Funktion, an zweiter Stelle die Ästhetik

Der Titel „aesthetics follows funktion“ ist dem Gestaltungsanspruch des berühmten Architekten Louis Sullivan (1856 bis 1924) „form follows function“ angelehnt. Übertragen auf die Zahnmedizin wird er auch der Funktionsdiagnostik gerecht: Am Anfang steht die Funktion – an zweiter Stelle die Ästhetik.

Matthias Beck [1]

Matthias Beck (Foto: Pluradent)

Das menschliche Kausystem hat vielfältige Aufgaben. Hierzu gehören in erster Linie die Nahrungszerkleinerung und die Phonetik. Die reflektorische Steuerung des Unterkiefers, die die Kau- und Halsmuskulatur und ihre Korrespondenz mit dem peripheren und zentralen Nervensystem einschließt, ist jedoch mindestens ebenso relevant. Letzteres wird unter dem Terminus der Stressbewältigung zusammengefasst, was sicherlich nur einen Teilaspekt darstellt, in der heutigen Zeit jedoch eine zentrale Bedeutung einnimmt.

Die Funktionsdiagnostik belegt in der angewandten Zahnmedizin eher eine Nische. Vermutlich dadurch bedingt, dass einerseits Patienten mit chronischen Schmerzen noch relativ selten vorkommen, andererseits Zahnärzte bei ihrer Diagnose meistens noch von einem funktionierenden Kausystem ausgehen. Letzteres kann die Initialzündung für ausgedehnte Gesundheitsprobleme werden.

Der CMD-Dachverband geht von sieben Millionen Bundesbürgern aus, die an funktionellen Störungen ihres Kauapparats leiden. Somit hat jeder zehnte Bürger in Deutschland CMD-Symptome, zum Beispiel eine eingeschränkte Mundöffnung, Tinnitus, migräneartige Kopfschmerzen, Bruxismus und Kiefergelenksbeschwerden.

Zurückzuführen sind die Probleme – neben genetischen Voraussetzungen – auch auf patholgische Veränderungen, die durch Zahnverlust oder -fehlstellungen verursacht wurden. Weiterhin können auch neue Versorgungsmaterialien dafür verantwortlich sein, die die natürliche Bisslage und Sensorik aus dem Gleichgewicht bringen. Es entsteht ein Teufelskreis aus okklusalen Störungen mit disharmonischen Kaudruckverhältnissen, die an die Kiefergelenke weitergeleitet werden. Sie veranlassen die Kau-, Kopf- und Schultermuskulatur zu kompensatorischen und unphysiologischen Bewegungen. Diese unnatürlichen Belastungen können sich dann an weiteren Körperstellen fortsetzen.

Abb. 1: Craniomandibuläre Dysfunktionen (CMD) haben viele Symptome – und genau das erschwert die eindeutige Zuordnung zum orofazialen System. (Foto: Pluradent) [2]

Abb. 1: Craniomandibuläre Dysfunktionen (CMD) haben viele Symptome – und genau das erschwert die eindeutige Zuordnung zum orofazialen System. (Foto: Pluradent)

Craniomandibuläre Dysfunktionen (CMD) haben viele Symptome – und genau das erschwert die eindeutige Zuordnung zum orofazialen System. Für Betroffene bedeutet das oft eine erfolglose Odyssee von Facharzt zu Facharzt, an deren Ende keine Besserung der Beschwerden, sondern ein massiver Verlust an Lebensqualität steht. Um CMD-Erkrankungen erfolgreich zu diagnostizieren und zu behandeln, muss es eine interdisziplinäre medizinische Zusammenarbeit geben. Nur so können das orofaziale Gleichgewicht wieder hergestellt und anatomische Strukturen sowie die Zahnsubstanz geschützt werden.


Klinische Funktionsanalyse als Basisdiagnostik
Die Basisdiagnostik der Funktionstherapie bildet die klinische Funktionsanalyse. Sie hat die Aufgabe Schmerzbereiche und eventuelle Bewegungseinschränkungen zu lokalisieren, Kontaktverhältnisse der Zähne zu ermitteln sowie eventuell auftretende Geräusche aufzudecken und zu dokumentieren. Am Ende steht eine differenzierte Diagnose, die bei Verdacht auf funktionelle Störungen durch die bildgebende Diagnostik und die instrumentelle Funktionsanalyse spezifiziert wird.

Den Behandlern liefert die instrumentelle Funktionsanalyse zusätzliche Erkenntnisse in Form von Messergebnissen. Angefangen von der Stützstiftregistrierung über gelenkferne Bewegungsaufzeichnungen durch Ultraschall bis hin zur Elektromyographie zur Untersuchung okklusal-neuromuskulärer Zusammenhänge bietet die Dentalindustrie unterschiedliche Systemkonzepte an. Die differenten Registrierkonzepte vereint das Ziel, die Bewegungen des Unterkiefers sowie die gewohnte Ausgangsposition zu bewerten, um die Messergebnisse dann über die Artikulatoren in die Zahntechnik zu übergeben. Die gewonnenen Parameter sollen Rückschlüsse auf die kondylären Fehlstellungen des Unterkiefers ermöglichen, um in der Therapie die zentrische Kondylenposition als die physiologisch korrekte wiederzufinden. Die Wissenschaft kennt aus der Historie der Kieferrelationsbestimmung unzählige Theorien zur physiologisch korrekten Zentrik. Sie beschreibt heute eine zwangsfreie Kondylenposition unter Diskuskontakt im höchsten Punkt der Fossae.

Abb. 2: Das digitale System Centric-Guide liefert eindeutige Parameter für therapeutische Maßnahmen wie beispielsweise die Schienentherapie oder die Erstellung funktionsgerechter Restaurationen. (Foto: Pluradent) [3]

Abb. 2: Das digitale System Centric-Guide liefert eindeutige Parameter für therapeutische Maßnahmen wie beispielsweise die Schienentherapie oder die Erstellung funktionsgerechter Restaurationen. (Foto: Pluradent)

Unterschiedliche Konzepte der apparategestützten Zahnmedizin
Die instrumentelle Funktionsanalyse erfolgt zunehmend elektronisch und softwaregestützt. Die Konzepte der apparategestützten Zahnmedizin unterscheiden sich in der Adaption an das orale System, das zum Erhalt unverfälschter Messergebnisse die Patienten möglichst wenig belasten sollte. Sie bedürfen fast ausnahmslos einer laborseitigen Vorarbeit der patientenindividuellen Registrierbehelfe. Je nach Ausprägung erfordern sie einen unterschiedlichen Zeitaufwand für die Integration in zahnärztliche und zahntechnische Arbeitsabläufe. Auch die Eindeutigkeit der Messwertangaben sowie ihre fehlerfreie und rasche Übertragung in die Zahntechnik stellt sich bei den aktuellen Systemen unterschiedlich dar.

In der Fortbildungsreihe „Patientenindividuelle Funktionsdiagnostik – Im Sinne der Wissenschaft“ stellt Pluradent ein neues funktionsdiagnostisches System vor. Es besticht durch ein einfaches Bedienkonzept und die reibungsarme Einbindung in den täglichen Praxisworkflow. Das digitale System Centric-Guide liefert eindeutige Parameter für therapeutische Maßnahmen wie beispielsweise die Schienentherapie oder die Erstellung funktionsgerechter Restaurationen. Informationen zu Veranstaltungsterminen und -orten gibt es unter www.pluradent.de/veranstaltungen.
Bei der zweieinhalbtägigen Kreuzfahrt der Pluradent-Akademie – der traditionellen Fortbildung auf See – wird die Funktionsdiagnostik ausführlich besprochen und zusätzlich ein neues Artikulatorsystem vorgestellt: www.pluradent.de/home/oslo [4].

Matthias Beck, Offenbach

Zur Person
Matthias Beck ist Diplom-Ingenieur und seit 2008 Produktmanager Einrichtung bei Pluradent. Sein Tätigkeitsschwerpunkt umfasst das Produktmanagement dentaltechnischer Medizinprodukte in Praxis und Labor sowie digitale 2-D- und 3-D-Diagnostik, CAD/CAM und Funktionsdiagnostik, die eine zunehmende interdisziplinarische Vernetzung erfahren.