Endlich Urlaub – oder: die totale Un-Entspannung

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Urlaub! Frei! Toll! Und noch einen unverplanten Tag daheim, bevor wir verreisen. Kein Wecker, der einen um sechs Uhr aus dem Bett reißt. Stattdessen … die Putzfrau. Die kommt ja immer montags, hatte mir meine bessere Hälfte gestern noch erzählt. Mist, total verdrängt.

Barfuß, was ich schon mal vollkommen unappetitlich finde, schlurft sie ins Schlafzimmer, den Wischmopp wie eine abgestorbene Extremität hinter sich her schleifend. „Oh!“, ist ihr verbindlicher Morgengruß, als sie meinen elegant auf die Matratze drapierten Körper erblickt. Die Freude ist ganz meinerseits. Ich erwidere ein leicht genervtes „Boah“ und verschwinde ins Badezimmer.

Geduscht, rasiert, voller Energie schenke ich mir das Frühstück und möchte möglichst schnell und unentdeckt die Wohnung verlassen. Doch meine Augen entdecken bei einem hastigen Blick ins Wohnzimmer nackte Fußsohlen. Was zur Hölle macht die da, auf dem Boden kniend? „Kann ich helfen?“ „Nein, nein.“ „Suchen Sie was da unter der Couch?“

Umständlich erhebt sie sich, schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und ruft: „Wo is die Saugrobota?!?“ Ich antworte: „Kaputt, nix funktioniere!“ Sie schaut mich mit weit aufgerissenen Augen an, murmelt „Oh mei Goht, oh mei Goht, alles muss selba mache“ und tapst kopfschüttelnd aus dem Raum. Fußspuren auf dem Parkett hinterlassend. Süß. Dieses Getapse. Und die Fußspuren erst.

Ein erstes Mal sehne ich mich nach dem geregelten Ablauf des Praxisalltags. Es sollte in den kommenden Tagen nicht das letzte Mal sein. Ich verbringe den Vormittag gezwungenermaßen außer Haus, schlage die Zeit tot. Wie viele Füllungen hätte ich jetzt bereits legen können? Wie viele Patienten von ihrem Schmerz befreien, bei diesem „Abszesswetter“ mit Temperaturen über 35 Grad Celsius?

Ich schüttele die wohligen, zahnmedizinischen Gedanken ab und tigere weiter durch die Stadt. Ich schlendere am Showroom eines Händlers britischer Sportmotorräder vorbei. Seit Monaten ringe ich mit mir, ob ich mir einen dieser wunderschönen Café Racer zulegen soll. Ich betrete das Geschäft, plaudere ein wenig mit dem Inhaber, und er hat mich fast soweit. Bis er mir zum Abschied seine Hand hinstreckt. Mit nur zwei Fingern. Die restlichen drei seien bei einer flotten Tour durch die Alpen an einer Leitplanke hängen geblieben, erzählt er mir fröhlich. Womit ich diesen hochoktanigen Traum auch erst mal zur Seite schiebe. Einhändiges Behandeln ist sicherlich eine tolle Herausforderung, aber so weit bin ich dann doch noch nicht.

Vollkommen unbefriedigt von meinem Ausflug wartet daheim die nächste Unannehmlichkeit auf mich. Koffer packen. Wie viel lieber würde ich jetzt Komposit statt meiner Reiseklamotten schichten. Dünn, dick, drei Farben, trockene Umgebung, das war’s.

Bei der Reisegarderobe steht man da vor größeren Auswahlmöglichkeiten und somit Schwierigkeiten. Zumal die Wettervorhersage für den Reisezeitraum zuverlässig alles zwischen savannentrocken und Monsun prognostiziert, mit Temperaturschwankungen im Bereich von 40 Grad Celsius. Minimum. Nach Unterhosen und Socken verschiebe ich den Rest der elenden Packerei auf abends. Mal bei der Freundin schauen, was die so einpackt.

Nach einer erholsamen Nacht mit wundervollen Träumen von Wurzelrestextraktionen, offenen Kieferhöhlen und Verschiebelappen stehen wir am nächsten Tag dann also am Flughafen. Kindergeschrei, kilometerlange Schlangen am Check-in, überforderte und hysterische Reisende an Self-Check-in-Terminals und Gepäckwagen, die einem in die Hacken gerammt werden. Herrlich.

Doch in der Sonne angekommen, stellt sich dann tatsächlich langsam ein entspannungsähnlicher Zustand ein. Auch wenn nichts der meditativen Tiefenentspannung beim Anfertigen von Frontzahneckenaufbauten gleichkommt. Noch zwölf Tage. Dann darf ich wieder …

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