Die Generation Y mit ins Boot holen – 37. Kongress der Privatzahnärztlichen Vereinigung e.V. (PZVD) in Düsseldorf

PZVD-Präsident Dr. Wilfried Beckmann (vorne) hatte wieder ein interessantes Programm für die Teilnehmer zusammengestellt. Foto: Neddermeyer

PZVD-Präsident Dr. Wilfried Beckmann (vorne) hatte wieder ein interessantes Programm für die Teilnehmer zusammengestellt. Foto: Neddermeyer

Unter der zum Jahresstart trügerisch ruhigen Oberfläche mit „business as usual“ in den Praxen befinden sich zahlreiche Dinge im Wandel, die unseren Berufsstand direkt betreffen, so der Präsident der Privatzahnärztlichen Vereinigung e.V. (PZVD), Dr. Wilfried Beckmann, zur Eröffnung des diesjährigen Deutschen Privatzahnärztetages am 9. und 10. Januar 2015 in Düsseldorf. Diese Veränderungen bewusst zu machen, daraus resultierende Chancen zu identifizieren und vorgezeichnete Probleme möglichst präventiv anzugehen, sei eine der Zielrichtungen des 37. Kongresses im Jahr 2015.

Diskutierte mit den Teilnehmern des Privatzahnärztetags: Ingrid Fischbach (MdB, CDU), parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium.Foto: Neddermeyer

Diskutierte mit den Teilnehmern des Privatzahnärztetags: Ingrid Fischbach (MdB, CDU), parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium. Foto: Neddermeyer

Inhaltlich-politisch eher wenig ergiebig war der Besuch von Ingrid Fischbach (MdB, CDU), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit und in Essen zu Hause. Sie referierte nur kurz die ihr vom BMG zusammengestellten zahnärztlichen Themen aus der Politik und betonte dabei die Qualitätssicherung im Gesundheitswesen als eines der Kernthemen für die Große Koalition mit dem neuen IQTIG etc. im Interesse der Patienten. Zur GOZ erwähnte sie die zur Jahresmitte anstehende, vom Bundesrat damals eingebrachte Evaluierung der Auswirkungen der neuen GOZ und den daraus eventuell entstehenden Reformbedarf, ohne eine Richtung dazu erkennen zu lassen.

Erfreulich war ihr schnelles Angebot, angesichts des eher kleinen Teilnehmerkreises direkt in die Diskussion zu gehen. Das erlaubte es den anwesenden Zahnärzten, ihre Themen und Meinungen direkt einzubringen. Beckmann machte darauf aufmerksam, dass es bereits mehr als 60 Positionen in der GOZ gebe, die unter Bema-Niveau honoriert werden. (Beckmann hatte dies Ende 2014 bereits in einem Interview mit ADP-Medien thematisiert, die DZW berichtete). In der Diskussion wurde von einem Teilnehmer

Honorare auf der Basis von Stundenpauschalen statt Einzelpositionen vorgeschlagen. „Ist das Ihr Wunsch? Dann nehme ich das gerne als Anregung in das Ministerium mit“, so die parlamentarische Staatssekretärin.

Den hoch interessierten und wie in den Vorjahren eifrig diskutierenden Teilnehmern des PZVD-Tages wurden zwei ausgezeichnete Vorträge zu einem herausfordernden Thema angeboten: Die demographische Entwicklung in Deutschland mündet in einen verschärften Wettbewerb um qualifizierte Kräfte, wobei sich gerade die Gesundheitsbranche ernsthafte Gedanken über die Attraktivität ihrer Berufe, ihrer Arbeitsplätze und des Umfelds machen muss. Dieser Megatrend trifft auch noch auf eine Generation junger Menschen, die offenbar völlig andere Wertevorstellungen als ihre Vorgänger hat, die sogenannte „Generation Y“.

DZW-Chefredakteurin Dr. Marion Marschall beleuchtete die Veränderungen, die die Generation Y für die Zahnärzteschaft bringt. Foto: Neddermeyer

DZW-Chefredakteurin Dr. Marion Marschall beleuchtete die Veränderungen, die die Generation Y für die Zahnärzteschaft bringt. Foto: Neddermeyer

Dr. Marion Marschall, Chefredakteurin der „DZW – Die ZahnarztWoche“, machte in einem spannenden Referat unter der Überschrift „Die Generation Y – der ,fremde‘ Nachwuchs der Zahnärzteschaft“ deutlich, mit welchen Veränderungen die „zahnärztliche Welt“ sowohl in der Praxis als auch in der Berufspolitik in der unausweichlichen Auseinandersetzung mit den offenbar völlig anders tickenden nach 1980 Geborenen („Ypsiloner“) rechnen muss. Marschalls Prognose lautet: „Die Generation Y wird ohne offene Revolte ihre Vorgängergenerationen und die Gesellschaft in ihrem Sinne verändern, vor allem, was die Arbeits- und Lebensbedingungen und die Digitalisierung angeht. Sie hat dafür gute Chancen, da sie zahlenmäßig im Vergleich zu ihren Vorgängergenerationen klein ist – sie werden im Arbeitsmarkt gebraucht, es gibt keine anderen Kandidaten. Damit können sie bis zu einem gewissen Grad die Spielregeln bestimmen, zu denen sie einsteigen.“

Eine differenzierte Analyse, was denn so ungewöhnlich ist bei den jungen Leuten, die nun nach erfolgreichem Abschluss ihrer Berufsausbildung auf die etablierten Strukturen in Klinik und Praxis und somit auf die mit anderer Prioritätensetzung agierenden Vorgängergenerationen „X“ (Motto: arbeiten, um zu leben) und „Babyboomer“ (Motto: leben, um zu arbeiten) treffen, präsentierte Prof. Dr. Christian Schmidt MPH, ärztlicher Vorstand und Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Rostock. In seinem Vortrag unter der Headline „Generation Y – eine Herausforderung für die Praxis“ kam er, unterlegt mit einer Fülle von Studien, persönlichen Anekdoten und Beispielen, zu folgender Kurzcharakterisierung nicht nur für junge Ärztinnen und Ärzte:

  • Motto: „Leben beim Arbeiten“,
  • lernbereit aber mit anderem Lernstil („Wissen gibt’s im Internet“),
  • technologieaffin und technikgläubig (iPhone und App machen es möglich),
  • hohe Flexibilität (zeitlich und örtlich),
  • lehnen Hierarchien ab, bevorzugen Kompetenz (Von wem kann ich etwas lernen?),
  • wollen gutes Coaching und tolle Ausbildung (Führung, aber keine Bevormundung),
  • Anreizsysteme von „früher“ funktionieren nicht (nicht zwingend auf Karriere aus),
  • Interesse am wissenschaftlichen Arbeiten nimmt ab – Stellenwert der Promotion und Habilitation sinkt!

Folgerichtig legten sowohl die weiblichen als auch die männlichen „Ypsiloner“ andere Maßstäbe bei der Auswahl ihres Arbeitsplatzes und ihres zukünftigen Arbeitgebers an: Eine breite und strukturierte Ausbildung und ein gutes Arbeitsklima (mit sozialer Einbindung, fachlicher Führung und ausreichend Freizeit) sowie Familienfreundlichkeit seien hierbei hochgewichtete Kriterien. Bei der Art der gewünschten Berufsausübung spiele der Angestelltenstatus, gegebenenfalls sogar in Teilzeit (bei immerhin mehr als zwei Dritteln der Frauen), eine wesentlich größere und attraktivere Rolle als bei den vorherigen Generationen.

Daraus resultieren laut Schmidt eine ganze Reihe von Herausforderungen und Spannungsfelder am Arbeitsplatz. Hierzu gehören beispielsweise die geringere soziale Interaktion und damit „ausbaufähige“ Teamkompetenz bei den „Yern“, aber ebenso der Anspruch, optimal gefördert zu werden und „sofort alles machen“ zu wollen, obwohl die eigenen Fähigkeiten hierfür (noch) nicht ausreichten.

Dies sind Erfahrungen, über die auch Marschall in ihrem Vortrag berichtete: Der zahnärztliche, zumeist in eigener Praxis tätige Berufsstand blicke leicht konsterniert und mitunter ratlos auf den Nachwuchs, der jetzt aus den Unis in die Praxen komme. „Wir machen hier betreutes Behandeln“, „Die können alles in der Theorie, aber stehen hilflos vor dem Patienten“, „Mich würde brennend interessieren, wie sich mein neuer Vorbereitungsassistent sein Arbeitsleben so vorstellt“ – lauteten beispielhafte Kommentare von berufserfahrenen Zahnärzten in einem der Workshops aus der DZW-Reihe „Bonner Runde“ zur Zukunft der Praxis 2020.

Kopfschmerzen bereiteten vielen Ärzten und Zahnärzten auch die sinkende Bereitschaft der auch als „Millenials“ oder „Digital Natives“ apostrophierten Generation in Bezug auf die Niederlassung, die zudem immer später erfolge. Die Suche nach einem geeigneten Nachfolger gerate daher für manchen zu einer „Geschichte ohne Happy End“, was am Ende auch die Patienten treffe, die ja versorgt werden müssten – und die mit ihren Steuergeldern die teure Ausbildung der jungen Ärzte und Zahnärzte schließlich finanziert hätten.

„Biografisches Selbstmanagement“ sei ein weiteres Stichwort. Das Erreichen ihrer qualitativen Lebensziele spiele für die Generation Y eine große Rolle. Man optimiere konsequenter die Ausbildung und den Werdegang darauf hin. Zudem seien die jungen Frauen und Männer gewohnt, alle sich bietenden Optionen auf ihren Wert für ihre Ziele abzuklopfen – und Entscheidungen lieber zu verschieben, als sich eventuell falsch zu entscheiden und festzulegen. Auch wenn sie damit das Risiko eingingen, eine richtige Option für sich zu verpassen.

Den Fachgesellschaften, Verbänden, Vereinen und den eigenen Körperschaften stehen die „Ypsiloner“ nach Marschalls Analyse kritisch-skeptisch gegenüber. Auch sei die Bindung an das Dentallabor und den Fachhandel wesentlich lockerer und primär von Nutzenerwägungen geprägt.

Auf die Frage „Was müssen wir tun, um die Generation Y nicht zu verlieren“ gibt es laut Schmidt drei Antworten: Die Möglichkeiten der Aus- und Weiterbildung auf allen Ebenen strukturieren und verbessern. Die Führungskultur verändern (mehr coachen, führen und regelmäßiges Feedback statt Bevormundung) und die Lebensphasen der Mitarbeiter(innen) berücksichtigen.

Die Gewährleistung einer strukturierten und qualifizierten Assistenzzeit ist auch für Marschall einer der zentralen Faktoren, um die Attraktivität des Zahnarztberufs zu steigern und die Bereitschaft, den Schritt in die Selbstständigkeit (Neugründung, Übernahme oder Einstieg in eine Berufsausübungsgemeinschaft) zu wagen, zu erhöhen. Mit ihrem Fachmagazin Chance Praxis unterstütze die DZW speziell junge Zahnmediziner mit Informationen für eine Niederlassung.

Denjenigen Zahnärzten, die auf der Suche nach einem geeigneten Assistenten sind, gab Marschall den Rat, schon im Studium aktiv um den Nachwuchs zu werben, Famulaturen anzubieten und regionale Netzwerke zu nutzen. Sehr wichtig sei in diesem Zusammenhang („Digital Natives“) auch eine aussagefähige Internet-Präsenz. Wer einen Nachfolger für seine Praxis suche, müsse selbst viel Veränderungsbereitschaft mitbringen und sei gut beraten, sich schon frühzeitig darum zu kümmern. „Wer jetzt um die 50 ist, müsste eigentlich noch einmal durchstarten – und dabei Vertreter der Generation Y gleich mit ins Boot holen“, riet sie.

Dr. Dirk Erdmann, Haan/DZW

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