Immer mehr junge Zahnmediziner fragen sich, ob eine eigene Praxis noch erstrebenswert ist. Gründungsinvestitionen von mehreren hunderttausend Euro, Deregulierung und Konkurrenzdruck, zunehmende Bürokratie und gestiegene Anforderungen ans Praxismanagement werfen Zweifel auf. Die auch nach der Novellierung nicht den Realitäten gerecht werdende GOZ überschattet die Zukunftspläne junger Menschen – gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten. Hinzu kommt besonders bei jungen Zahnärztinnen die Herausforderung, Familiengründung und Beruf in Einklang zu bringen.
Genau diese ermutigenden Praxis-Modelle sucht der bundesweite Ideenwettbewerb „Vorbilder 2012“, den die Zahnärztliche Abrechnungsgenossenschaft gemeinsam mit Pluradent und der Deutschen Apotheker- und Ärztebank initiiert hat. „Wir suchen echte Mutmacher für junge Kolleginnen und Kollegen an der Schwelle zur Freiberuflichkeit. Praktiker, die mit klugen Ideen, Weitsicht und Pragmatismus eine solide Existenz aufgebaut haben und mit ihrem Leben zufrieden sind“, erklärt Dr. Susanne Woitzik von der Zahnärztlichen Abrechnungsgenossenschaft. „Authentische Vorbilder sollen mit ihren kleinen und großen Erfolgsstorys den Nachwuchs zur Selbständigkeit motivieren“.
Eines dieser Vorbilder ist Dr. med. dent. Urs Leonhard Francke aus Rheinfelden/Baden. Er ist Partner in einer Dreier-Gemeinschaftspraxis mit sieben Angestellten. In der gemeinsamen Praxis arbeitet er in Vollzeit, seine Frau seit der Geburt der gemeinsamen Tochter zu 10 Prozent und seine Schwester zu ca. 25 Prozent. Im folgenden Interview mit Dr. Susanne Woitzik verrät Dr. Francke sein Erfolgskonzept.
Dr. Susanne Woitzik: Warum haben Sie sich für ein Zahnmedizin-Studium entschieden?
Dr. med. dent. Urs Leonhard Francke: Ich wollte schon immer irgendetwas mit Medizin machen. Als es dann auf die Berufswahl zuging, fiel meine Entscheidung zugunsten der Zahnmedizin aus, weil dort auch mein handwerkliches Geschick gefordert war. Zudem sind meine Schwester und ich familiär „vorbelastet“: Mein Vater war auch Zahnarzt. Hinzu kommt, dass der Beruf Zahnarzt auch zukunftssicher ist: Man kann weltweit arbeiten – Zahnschmerzen gibt es immer und überall.
Woitzik: Warum haben Sie sich entschlossen, sich selbstständig zu machen?
Francke: Die Assistenzzeit habe ich – anders als geplant – bereits in der Praxis meines Vaters absolviert. Meinem Vater ging es damals gesundheitlich nicht so gut und er war froh, zusätzliche Unterstützung zu haben. In dieser Zeit habe ich unglaublich viele Erfahrungen gesammelt. Mein Vater hat mir direkten Einblick in alles gewährt, und schnell verlor ich die Angst vor der Selbstständigkeit. Auch wusste ich ja, dass meine Eltern ihren Schritt in die Selbstständigkeit – vor mehr als 30 Jahren – nie bereut haben.
Selbstständigkeit bedeutet für mich fachlich und zeitliche Unabhängigkeit. So liegt zum Beispiel das Praxiskonzept bei einem Selbstständigen in der eigenen Hand. Ich bin frei, die Dinge auszuprobieren, die ich für vielversprechend halte und kann meinen Patienten die Behandlung anbieten, die ich für ihre spezielle Zahnsituation als optimal empfinde. Ich muss mich dabei nicht an den Behandlungsleitlinien eines „Chefs“ orientieren – ein unschätzbarer Vorteil aus meiner Sicht.
Zudem kann ich die Praxiszeiten so gestalten, wie ich es als ideal für den Praxisalltag empfinde. Dies schließt zwar auch Abend- und Mittagssprechstunden ein, erlaubt mir aber auch, an gewissen Tagen, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen. So arbeitet zum Beispiel an einem Nachmittag meine Frau alleine und ich passe auf unsere fast einjährige Tochter auf – diese Flexibilität genieße ich sehr.
Woitzik: Was würden Sie Existenzgründern raten?
Francke: Wichtig ist vor allem, dass sich Existenzgründer von Anfang an mit ihren Finanzen auseinandersetzen. Ich für meinen Teil bin davon überzeugt, dass ich als FibuDoc-Nutzer da die allerbesten Voraussetzungen habe. Durch dieses aus meiner Sicht unverzichtbare Programm, mit dem ich die Buchführung unserer Praxis in weniger als zwei Stunden pro Quartal selbst erstelle, habe ich nicht nur jederzeit den Überblick über unsere BWA (betriebswirtschaftliche Auswertung) und Liquiditätslage, sondern verstehe auch die Auswirkungen unserer Entscheidungen viel besser. Ich weiß, welche Konsequenzen eine Investition voraussichtlich haben wird, ob ich sie mir überhaupt leisten kann, und welche Buchungssätze ausgelöst werden. Doch noch entscheidender ist, dass ich über die nachgelagerte Profitcenter-Rechnung jederzeit sehe, wo irgendetwas in der Praxis in Schieflage gerät und frühzeitig gegensteuern kann. Zudem fällt auch noch die Gewinnverteilung automatisch heraus – ein großer Vorteil.
Gerade die Gewinnverteilung ist in Gemeinschaftspraxen ein steter Streitfaktor. Wir haben ihn im Griff und sind dabei noch flexibel und können auf veränderte Rahmenbedingungen schnell durch Anpassung der Voreinstellungen reagieren. Zu guter Letzt ist dadurch vieles einfacher geworden. In den Anfangszeiten der Praxis, als diese noch durch meine Eltern geführt wurde, gab es leider diese Unterstützung durch Computerprogramme noch nicht. Die Konsequenz davon war, dass alleine die Vorarbeiten für den Steuerberater, der dann die eigentliche Buchführung gemacht hat, pro Quartal einen ganzen Tag Arbeitsaufwand verschlang.
Abrechnung – ein Schlüssel zum Praxiserfolg
Darüber hinaus sollten sich Existenzgründer unbedingt intensiv mit der Abrechnung auseinandersetzen. Dort liegt ein wesentlicher Schlüssel zum Praxiserfolg. In unserer Praxis kümmert sich meine Frau um die GOZ-Abrechnung. Sie ist darin am fittesten von uns allen. Die Bema-Abrechnung liegt in der Hand einer Mitarbeiterin. Zur Sicherheit werden alle Abrechnungen abschließend noch einmal überprüft. Dabei fällt immer wieder auf, dass Positionen vergessen wurden. Insofern ist auch Kontrolle ausgesprochen wichtig, damit es am Ende auch finanziell stimmt.
Auch würde ich jungen Kollegen raten, mit Maß in die eigene Praxis zu investieren, um sich nicht bis zum Hals zu verschulden und nachts noch ruhig schlafen zu können. Die Praxis meines Vaters, die aus den 70er-Jahren stammte, haben wir zunächst unverändert gelassen. Nur Geräte für erweiterte Angebote und neue Materialien haben wir anfangs gekauft. Erst jetzt, nachdem wir das Zusammenspiel und die Auslastung der Praxis in der neuen Struktur über ein Jahr „beobachten“ und testen konnten, haben wir angefangen, unsere Wünsche an das Praxisdesign umzusetzen. Erstaunlicherweise war die Patientenresonanz auf den angekündigten Umbau gar nicht so wie erwartet: Den meisten unserer Patienten ist es offenbar überhaupt nicht wichtig, wie die Praxis aussieht, solange sie sich dort nur gut betreut fühlen.
Wenn man eine Praxis übernimmt, würde ich allen empfehlen, erst einmal alles beim Alten zu belassen und die Situation zu analysieren. Das heißt herausfinden, welche Patienten aus welchem Grund in die Praxis kommen. Was kann ich ihnen bieten? Welcher Service fehlt? Man sollte sich darauf konzentrieren, die Stärken und Schwächen einer Praxis herauszufinden. Auf dieser Basis kann man sich dann überlegen, wie diese Stärken gezielt ausgebaut und idealerweise die Schwächen dabei reduziert oder gar beseitigt werden können. So kann die Praxis dann Schritt für Schritt in die erfolgversprechende Richtung entwickelt werden. Das Schöne ist, dass man während diesem Prozess auch selbst ein immer besseres Gefühl für die Praxis und das Zusammenspiel mit dem Patienten entwickelt.
Woitzik: Gab es Situationen, die Sie in der Startphase besonders herausgefordert haben?
Francke: Natürlich gab es die. Die Übergabe haben wir als „Cut“, das heißt, als scharfen Schnitt gestaltet. Wir hatten viele Ideen und eigene Vorstellungen zur Praxisführung, denen meine Eltern teilweise eher skeptisch gegenüber standen. Ein paralleles Arbeiten dieser zwei „Zahnarztgenerationen“ wäre vermutlich auf lange Sicht schwierig geworden. Obwohl meine Eltern uns natürlich für Fragen zur Verfügung standen, war es anfangs nicht immer einfach. In den ersten Wochen gab es sehr viel Neues – vor allem auch betriebswirtschaftlich –, das uns herausforderte. Beispielsweise habe ich den Materialeinkauf selbst übernommen und die Preise verglichen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich dadurch die Bestellmengen viel besser im Griff habe. Wie schnell macht eine Helferin aus einer „3“ eine „5“ oder kauft in bester Absicht etwas mehr ein, und schon ist unnötig Geld ausgegeben und überflüssiger Lagerbestand aufgebaut worden. Allein dadurch habe ich unsere Materialkosten um 3.000 Euro pro Jahr gesenkt.
Auch sind wir gleich am Anfang in der Wirtschaftlichkeitsprüfung gelandet. Die 100-Fall-Statistik ist medizinisch – das ist wohl unbestritten – nicht optimal. Doch mit der Hilfestellung von Kammer und KZV haben wir auch dies bewältigt.
Eine weitere „Knacknuss“ war die Gewinnung von Neupatienten. Hierfür setzen wir gezielt auf das Internet und eine übersichtliche und aktuelle Praxis-Homepage. Hier lohnt es sich, einen Web-Profi zur Unterstützung heranzuziehen. Wir haben dies so gemacht, und während wir die fachlichen Inhalte beigesteuert haben, konnte sich die kleine Agentur um alles Technische kümmern. Wir mussten uns dabei nicht mit den Tücken bei der Erstellung einer eigenen Web-Seite herumschlagen.
Woitzik: Was ist Ihr persönliches berufliches Erfolgsrezept?
Francke: Mir ist es wichtig, das Vertrauen meiner Patienten zu haben. Freundlichkeit, Kompetenz und Integrität sind die Säulen einer guten Arzt-Patienten-Beziehung. Daran arbeite ich jeden Tag. Nur, damit kann es mir gelingen, meine Patienten für die für sie richtige Behandlung zu gewinnen. Und natürlich: Ohne Fleiß keinen Preis.
Woitzik: Wie gelingt es Ihnen, Praxis- und Privatleben miteinander zu verbinden?
Francke: Der familiäre Rückhalt ist gerade für uns Selbstständige unglaublich wichtig. Ich habe das Glück, dass meine Frau ebenfalls Zahnärztin ist und dadurch sehr viel Verständnis (hoffen wir mal) für die viele Arbeit, insbesondere nach den Öffnungszeiten hat. Die Zeit mit meiner Familie, aber auch Freunden und Bekannten, ist mir sehr wichtig. Für mich ist dies „quality time“, die man sich unbedingt, wie einen Termin, reservieren muss. Dies klappt leider nicht immer, aber wenn es dann klappt, dann hilft es mir, die Batterien wieder aufzuladen.
Woitzik: Hätten Sie sich auch woanders und anderen Voraussetzungen selbstständig gemacht?
Francke: Ja, definitiv. Ich habe in den neuen Bundesländern, in Halle/Saale, studiert. Auch da würde ich mich selbstständig machen. Entscheidend ist ein tragfähiges Konzept und finanzielles Augenmaß.
Noch bis zum 29. Juni 2012 können Ideen, Lösungen, Tipps oder strategische Konzepte aus der eigenen Praxis eingereicht werden. Informationen und Anmeldeformular zum Wettbewerb gibt es auf www.za-vorbilder-gesucht.de. Nach den Kriterien Originalität, Umsetzbarkeit und „Ermutigungsfaktor“ werten die Initiatoren die eingereichten Beiträge aus. Den Teilnehmern winken Geld- und Sachpreise im Gesamtwert von rund 10.000 Euro. Die Sieger werden auf dem Deutschen Zahnärztetag 2012 ausgezeichnet.
Dieser Artikel macht Mut und zeigt aber auch wieder einmal eindeutig das Existenzgründer jeglicher Art sich mit dem Thema Finanzen auseinandersetzen müssen um entsprechend Vorgänge zu erkennen und steuern zu können. Kaufmännisches Wissen zählt auch hier zu den Keyskills.
Das Existenzgründung kombinierbar, oft sogar vorteilhaft ist mit einer Familie stellt man nicht nur hier fest. Das sture Angestelltenverhältnis mit einer klaren 5 Tagewoche gehört damit der Vergangenheit an. Gründer haben nicht weniger Aufgaben sondern können diese einfach freier und damit besser steuern .
Gruss Klaus Schaumberger