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Auch das 6. Young-ITI-Meeting war ein Erfolg

Konstanz, das Kleinod am Bodensee, stand am letzten Septemberwochenende im Interesse der Implantologen, die sich auf Einladung des Internationalen Teams für Implantologie (ITI) zum Young-ITI-Meeting unter dem Motto „Grenzbereiche und Komplikationen in der Implantologie“ im altehrwürdigen Konzilgebäude am Bodensee trafen.

Auch das 6. Young-ITI-Meeting war ein Erfolg [1]

Ideales Symposiumswetter in Konstanz

„Auch wenn Erfahrung die unterste Ebene von Evidenz darstellt, ist sie doch eine wichtige Basis für tägliche Entscheidungen im Praxisalltag – das Young-ITI-Meeting bietet für alle Members und Fellows eine Möglichkeit zum offenen Austausch in ungezwungener Atmosphäre.“ – Steilvorlage und Verpflichtung für die Young-ITI-Gruppe zugleich, was Prof. Dr. Gerhard Wahl in seinem Vorwort zum Young-ITI-Meeting schrieb. Doch der einhellige Tenor am Ende der Veranstaltung – Referenten und ITI-Verantwortlichen sei es gelungen, auch das 6. Young-ITI-Meeting zu einem großen Erfolg werden zu lassen – gab dem Vorsitzenden der Deutschen Sektion des ITI recht.

Im Folgenden gelang es elf renommierten Referenten aus Deutschland, England und der Schweiz Komplikationen und Limitationen in der Implantologie zu umreißen und spannende Einzelaspekte des aktuellen wissenschaftlichen Forschungsstands darzulegen. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurden Tipps vermittelt und Strategien präsentiert, um in der täglichen Praxis eigene Einschätzungen und Bewertungen des hochrelevanten Themas vorzunehmen.

Dr. Ralf Masur (Bad Wörishofen) packte gleich zu Veranstaltungsbeginn in seinem Vortrag „Sofortbelastungskonzepte – was funktioniert, was nicht?“ ein „heißes Eisen“ der Implantologie an. Nach wie vor würden Sofortbelastungskonzepte sehr unterschiedlich bewertet, das Spektrum reiche von absoluter Ablehnung bis hin zu genereller Befürwortung bei gleichzeitiger Verwirklichung speziell entwickelter Sofortbelastungskonzepte. „Von 1996 bis 2004 hatte ich so eine Sofortbelastungsbrille auf“, sagte Masur. „Die habe ich inzwischen abgelegt und praktiziere heute diese Versorgungsform nicht mehr so intensiv.“ Mit diesem überraschenden Statement griff der Implantologe gleich zu Beginn das Dogma der Primärstabilität als Erfolgsfaktor an. Nicht in der Knochenfestigkeit, sondern eher in der Durchblutung des Knochens und im prothetischen Konzept sieht der bayerische Referent den Erfolgsfaktor. Heute setzt Masur auf die Reinigbarkeit der Suprakonstruktionen und kommt so klassischen Einheilzeiten wieder nahe. „Mit einer Implantatmindestlänge von zehn Millimetern und der anterioren und posterioren Verteilung der künstlichen Zahnpfeiler werden wesentliche Ansprüche an die Versorgung im Sinne einer Sofortbelastung gestellt.“

Wer aus den Reihen des Young ITI wäre wohl mehr prädestiniert, über das Thema „Augmentation nach Implantatverlust“ zu sprechen, als der Mund-, Kiefer- und Geschichtschirurg Dr. Dr. Andres Stricker (Konstanz), der sich bereits seit gut anderthalb Jahrzehnten mit Knochenersatzmaterialien beschäftigt. Der eng mit der Kieferchirurgischen Abteilung der Freiburger Universitätszahnklinik verbundene Implantologe wies darauf hin, dass es mitunter geboten sei, die Frage zu stellen, ob ein Implantat erhaltungswürdig sei, oder ob es nicht besser sei, den künstlichen Zahnpfeiler zu entfernen. Allerdings gehe mit dem Implantatverlust auch immer ein vertikaler Knochenverlust einher, dem, so Stricker, vornehmlich mit Augmentationen intraoralen Knochens zu begegnen sei. Ob Guided Bone Regeneration, ob Distraktion, Bone-Split oder Onlay-Osteoplastik, Stricker stellte alle Optionen vor. Durch seine Bewertungen gab er dem Auditorium wertvolle Hinweise für die tägliche Praxis an die Hand. So stieß seine Ausführung, dass ein Bone-Split eher keine nachhaltigen Ergebnisse liefere, dafür aber die laterale Verstärkung des Implantatlagers mit einem Augmentat zu signifikanten Verbesserungen der Langzeitergebnisse führe, auf großes Interesse bei den Zuhörern. Ein Exkurs zur schablonengeführten, navigierten Implantologie rundete seinen Vortrag ab.

Auch das 6. Young-ITI-Meeting war ein Erfolg [2]

Zahlreiche ITI-Members und -Fellows sowie als Implantologen tätige Zahnmediziner nutzten das Young-ITI-Meeting zum intensiven Erfahrungsaustausch.

Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas, Hochschullehrer und Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurg in Mainz, führte eloquent und unterhaltsam in sein Thema „Gibt es Kontraindikationen für die Implantation?“ ein. „Es gibt medizinische, aber auch finanzielle Limits“, statuierte der Mainzer Kieferchirurg, „im medizinischen Bereich ist interessant, ob sich die Grenzen bei guter Vorbereitung verschieben lassen.“ Den Fokus legte Al-Nawas auf Komplikationen in der Implantologie, die er in Früh- und Spätkomplikationen unterteilte. Vor allem die Periimplantitis wertet er als große Herausforderung: „Da kommt ein Tsunami auf uns zu.“

Hohe Risikofaktoren seien aggressiv verlaufende und rezidivierende Parodontalerkrankungen, ein schlecht eingestellter Diabetes, Immunsuppression, bestrahlte Patienten (hier am besten während der Resektions-OP implantieren, bevor die Bestrahlung beginnt) und die HIV-Infektion. Stünden HIV-infizierte Patienten unter antiviraler Therapie, könnten sie als „Normalpatienten“ behandelt werden. Rauchen sei ganz offensichtlich nicht der Risikofaktor, so Al-Nawas, wie allgemein behauptet werde. Angesprochen auf das Thema Titanallergie, sagte Al-Nawas, dass der hier oft angeführte LTT-Test ohne Bewertung der Klinik nicht aussagekräftig sei, sodass dieser Punkt zum jetzigen Zeitpunkt nicht endgültig bewertet werden könne. Al-Nawas schloss mit dem hochrelevanten Thema Bisphosphonate und stellte klar, dass die Implantologie eher Auslöser als Ursache der gefürchteten Knochennekrosen sei. Bei Vermeidung hochinvasiver Augmentationstechniken und schonendem Vorgehen sieht er Implantate auch bei diesem Patientengut als hochwertige Alternative.

Prof. Dr. Nikos Donos (London) stellte in seinem in englischer Sprache gehaltenen Referat „Periimplantitis: Diagnosis and treatment“ Faktoren vor, die zur Entstehung und Manifestation einer periimplantären Läsion führen können. Der Chef der Parodontologischen Abteilung des Eastman Dental Institutes ging diese Fragestellung eher von parodontologischer als von chirurgisch-implantologischer Seite an. Kritisch ging Donos mit den Implantologen ins Gericht: 60 Prozent der für Implantate entfernten Zähne hätten langfristig erhalten werden können. Viele später auftretende Komplikationen fänden in dieser „Fehl“-Entscheidung ihren Ursprung. Ferner verursachten viele der heute verwendeten Implantate mit Platform-switching Schwierigkeiten beim Sondieren und bei der Reinigung. Um die gefürchtete Manifestation periimplantärer Läsionen zu vermeiden, sieht Donos differenzierte Therapie- und Extraktionsentscheidungen als Option sowie eine intensive parodontale Sanierung und das Einhalten eines engmaschigen Recalls. Ist eine Periimplantitis erstmal eingetreten, stehe die Dekontamination der Implantatoberfläche im Fokus der Periimplantitistherapie. Der Londoner Parodontologe schloss mit der Aussage: „Prävention ist die beste Periimplantitisprophylaxe.“

„Der parodontal vorgeschädigte Patient – Herausforderung, Chance, vorprogrammierte Komplikation?“ kann in der Implantologie viele Facetten einnehmen. Ihm widmete der Parodontologe Prof. Dr. Anton Friedmann (Universität Witten/Herdecke) sein Referat. Er brach die Fragestellung auf die Prognose von PA-Patienten herunter, die er anhand aktueller wissenschaftlicher Studien diskutierte. Zur Überraschung des Auditoriums gibt es im 15-Jahres-Zeitraum keine wesentlichen Unterschiede zwischen Patienten mit aggressiver und chronischer Parodontitis, und selbst parodontal schwer angegriffene Zähne wiesen nach erfolgreichem Abschluss der Behandlung und nach diesem Zeitraum eine gute Prognose auf. Etwas anders verhalte es sich bei Patienten mit schwerer Parodontitis, die Implantate erhielten, so Friedmann. Sie hätten ein um den Faktor acht erhöhtes Risiko für schwerwiegende Komplikationen, als es Patienten ohne Zahnbetterkrankung aufwiesen. Gleichzeitiger Nikotinabusus verstärke diesen Effekt wesentlich. „Die Information des Paro-Patienten, dass ein erhöhtes Risiko für eine Periimplantitis besteht, ist ebenso unerlässlich, wie seine strikte Einbindung in ein stringent geführtes Recall-Programm.“ Gleichzeitig, so Friedmann, gebe es keinen Anlass, grundsätzliche Extraktionstherapien parodontal angeschlagener Zähne vor Implantationen durchzuführen. Sein tröstliches Schlußwort: „Parodontitis ist keine Einbahnstraße!“

Auch das 6. Young-ITI-Meeting war ein Erfolg [3]

Das direkt am Ufer des Bodensees gelegene traditionsreiche Konzilgebäude bot dem ITI-Meeting ein angemessenes Ambiente.

Fast schon ITI-Tradition ist die Diskussion des Referenten-Duos Prof. Dr. Dr. Karl-Andreas Schlegel (Chirurg) und Prof. Dr. Stephan Eitner (Prothetiker) über Vorgehensweisen bei „Schwerwiegenden Komplikationen nach Implantation“. „134.00 Implantate gehen in Deutschland im Jahr verloren. Aber wir setzen immer noch mehr Implantate, als rausfallen“, resümierte Schlegel, doch „sind wir gezwungen, uns mehr und mehr mit Komplikationen auseinanderzusetzen“. An einer Vielzahl klinischer Fallbeispiele erläuterten die in Erlangen und München tätigen Referenten mögliche klinische Komplikationen. Wunsch und Expertise des Behandlers und des Zahntechnikers müssten mit Patientenwünschen und -erwartungen in Übereinstimmung gebracht werden. „Misserfolg ist immer eine Option der Behandlung“, zog das Referentenduo als Fazit.

Das Vortragsthema „Periimplantitis-Prävention – Soft-Tissue- versus Bone-Level-Approach/Matched versus Switched Platform – welches ist der biologische Weg?“ beackerte Prof. Dr. Joachim Herrmann (Zürich). Ausgehend von Studien zur Osseointegration, für die Herrmann bereits den Andrè-Schröder-Preis erhalten hat, und im Abgleich mit aktueller Literatur machte der in Zürich tätige Parodontologe und Implantologe wesentliche Unterschiede zwischen Bone- und Tissue-Level-Implantaten klar und präferierte eindeutig die Tissue-Level-Version. „Jeder zu hoch gesetzte Spalt wird zur Neubesiedelung führen“, sagte Herrmann. „Vergegenwärtigen Sie sich, dass Sie angesichts der Tatsache, dass nahezu jedes Implantat einen Zahn ersetzt, der aufgrund einer aggressiv verlaufenen Parodontitis extrahiert wurde, im Grunde nur Hochrisikopatienten haben!“ Mit diesem strikten Schlusswort forderte Herrmann die genaue Beachtung biologischer Prinzipien, um nachhaltige Erfolge in der Implantologie zu erzielen.

Im durchaus kontrovers diskutierten Thema „Problemmanagement von festsitzendem und abnehmbarem Zahnersatz“ behandelte PD Dr. Arne Boeckler (Halle) umfänglich den „festsitzenden“ Teil. „Was falsch gemacht werden kann, das wird irgendwann einmal falsch gemacht.“ Vor allem in der Planungsphase (Implantatposition), bei der Umsetzung (Wahl des richtigen Abutments, Wahl der Materialien für die Suprakonstruktion etc.) könnte man massive Fehler machen. Zahlreiche hervorragend dokumentierte Fallbeispiele unterstützten seine Forderung, Komplikationen zu vermeiden. Dabei helfe vor allem eine gute Planung.

Dr. Martin Gollner (Bayreuth), Fachzahnarzt für Oralchirurgie, wies auch dem herausnehmbaren Zahnersatz vielfältige Komplikationsmöglichkeiten nach. Nach fünf bis zehn Jahren, so Gollner, stiegen die Verlustraten massiv an. Neben einem funktionierenden Recallprogramm seien hier vor allem die Compliance des Patienten und eine enge Zusammenarbeit mit dem Zahntechniker entscheidend. Eine häufige Fehlerquelle sieht der Bayreuther Implantologe in der Verwendung gebrauchter Manipulierimplantate oder copy-cats.

Der versierte Implantologe Dr. Guido Petrin (Stuttgart), der auch parodontologisch erfolgreich tätig ist, führte in „Möglichkeiten und Grenzen des Weichgewebsmanagements: Was lernen wir aus der Parodontologie?“ mit zahlreichen schön dokumentierten Fallbeispielen in die Welt klassischer parodontologischer Techniken ein. Als Alternative zu Bindegewebstransplantaten, die Patienten oftmals als sehr belastend empfinden, gibt Petrin eine azelluläre dermale Struktur vom Lebendspender (AlloDerm) an, die er für die Rezessionsdeckung und zur Unterstützung periimplantärer Weichteilsituationen verwendet. An in einer multizentrischen Studie gewonnenen Erkenntnissen konnte Petrin erste Ergebnisse für das von ihm präferierte Verfahren vorstellen.

Im Anschluss an das wissenschaftliche Programm fand das exklusive Annual-Meeting der ITI Sektion Deutschland statt.

Dr. Georg Bach, Freiburg im Breisgau